OGH 6Ob457/60

OGH6Ob457/6015.3.1961

SZ 34/39

Normen

ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1304
AHG §1
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1304
AHG §1

 

Spruch:

Ein Rauchfangkehrermeister hat bei Ausstellung eines Befundes nur eine begutachtende Tätigkeit als Sachverständiger auszuüben und ist daher kein Organ im Sinne des § 1 AmtshaftungsG. Auch bei Ausstellung des Befundes auf Ersuchen eines Mieters ist er dem Hauseigentümer gegenüber zu entsprechender Sorgfalt im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB. verpflichtet. Mitverschulden des Hauseigentümers, wenn der mangelhafte Verputz an den Versottungserscheinungen im Rauchfang mitkausal war.

Entscheidung vom 15. März 1961, 6 Ob 457/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses in Wien, in dem ein Mieter die Aufstellung eines Automatofens in einem Raum des gemieteten Bestandobjektes beabsichtigte; er setzte sich mit dem beklagten Rauchfangkehrermeister in Verbindung, um den nötigen Befund für den Anschluß des Automatofens zu erreichen. Der Beklagte stellte nach Besichtigung des Kamins und des Rauchfangs den verlangten Befund aus, in dem ausgeführt wird, daß auf Grund des § 9 Abs. 2 der Kehrordnung für Wien die Untersuchung des engen Rauchfanges durchgeführt worden und daß dieser für den Anschluß eines Automatofens geeignet sei. Weiters wurde festgestellt, daß "derzeit keine Mängel" festzustellen seien. Hierauf stellte der Mieter den Automatofen auf und schloß ihn an den Rauchfang an.

In der Folge traten im Wandverputz des Rauchfangs in den darüber befindlichen Wohnungen Versottungserscheinungen auf. An der Kaminmauer entstanden in den über dem Souterrainlokal befindlichen Wohnungen braune Flecken unter einer gewissen Geruchentwicklung. Der Außenverputz des gegenständlichen Kamins fehlte teilweise bereits seit ungefähr zehn Jahren. Der Hausverwalter erwirkte hierauf bei der zuständigen Mag.-Abt. 37 die Erlassung eines Bescheides, laut welchem der Klägerin als Hauseigentümerin gemäß § 129 Abs. 4 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt wurde, den engen Rauchfang nach Abschlagen des veralteten Verputzes geschoßweise trockenzuheizen und nach Isolierung des veralteten Mauerwerkes den Verputz wieder anzubringen, weiters an dem außenseitigen Mauerwerk nach Abschlagen der restlichen Verputzteile den Verputz im Bereich der Rauchfanggruppe wieder anzubringen. Schließlich wurde mit diesem Bescheid die Verwendung des Rauchfangs zum Anschluß eines Automaten bzw. eines Ofens mit kurzflammigen Brennstoffen wegen mangelnder Eignung untersagt. Auf Grund dieses Auftrages ließ die klagende Partei hierauf die notwendigen Reparaturarbeiten durchführen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 4866 S 10 g s. A. als Ersatz der Kosten der durchgeführten Maurer- und Malerarbeiten aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Beklagte hätte in seiner Eigenschaft als Rauchfangkehrermeister unbedingt wissen müssen, daß der Rauchfang für den Anschluß eines Automaten absolut ungeeignet gewesen sei und daß der Anschluß eines derartigen Ofens zwangsweise zu den aufgetretenen Versottungserscheinungen führen habe müssen. Der Beklagte hafte daher für den aufgetretenen Schaden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die aufgetretenen Versottungserscheinungen seien Bauschäden im Wandverputz, deren Ursache einerseits in dem schlechten Bauzustand des Rauchfanges selbst und andererseits in der Verwendung des Automaten zu suchen sei. Diese Schäden seien durch Umstände eingetreten, deren Vorbeugung bzw. Bekämpfung nicht in den Aufgabenkreis des beklagten Rauchfangkehrermeisters falle, weil diese Schäden weder eine Feuersgefahr herbeigeführt hätten bzw. herbeiführen könnten, noch mit einer etwaigen Rauchgasbelästigung verbunden seien. Der Rauchfangkehrermeister habe, ebenso wie bei Kehrungen, auch bei der Erteilung eines Befundes sein Augenmerk nur auf die Verhinderung einer Feuersgefahr und einer Rauchgasbelästigung zu richten. Ein Verschulden des Beklagten anläßlich der Befunderteilung und ein Kausalzusammenhang mit den aufgetretenen Schäden liege daher nicht vor.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichtes dahin ab, daß es mit Zwischenurteil den Anspruch der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei auf Schadenersatz wegen Durchführung der in der Klage angeführten Arbeiten dem Gründe nach mit 50% als zu Recht und mit 50% als nicht zu Recht bestehend erkannte.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde von beiden Parteien mit Revision bekämpft. Die klagende Partei beantragte Abänderung dahin, daß ihr Anspruch auf Schadenersatz zur Gänze zu Recht bestehe; die beklagte Partei beantragte Abänderung dahin, daß das erstgerichtliche, das Klagebegehren abweisende Urteil wiederhergestellt werde, allenfalls daß ihr Verschuldensanteil nur mit 10% und der der klagenden Partei mit 90% festgestellt werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin teilweise Folge und änderte das angefochtene Zwischenurteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Anspruch der Klägerin als mit 75% zu Recht und mit den restlichen 25% nicht zu Recht bestehend erkannt wurde. Die Revision des Beklagten, der nicht Folge gegeben wurde, wurde auf diese Entscheidung verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist von Amts wegen zu prüfen, ob nicht etwa Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliegt, weil die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes anzuwenden wären. Dies ist aber deshalb zu verneinen, weil der Rauchfangkehrermeister bei der Ausstellung eines Befundes lediglich eine begutachtende Tätigkeit als Sachverständiger auszuüben hat und ihm hiebei keine hoheitsrechtliche Entscheidungsbefugnis zukommt, so daß er nicht als ein Organ im Sinne des § 1 AmtshaftungsG. anzusehen ist (vgl. SZ. XXVIII 116).

Das Berufungsgericht hat die Haftung des Beklagten gegenüber der klagenden Hauseigentümerin im Endergebnis mit Recht deshalb bejaht, weil er bei Erstattung seines Befundes nicht nur gegenüber dem Mieter, der sich an ihn deshalb gewendet hatte, sondern auch und sogar in erster Linie gegenüber der Hauseigentümerin im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB. zur entsprechenden Sorgfalt verpflichtet war. Denn gerade in deren Vermögenssphäre soll ein Schaden im Sinne der in Betracht kommenden Vorschriften dadurch verhindert werden, daß vor der Durchführung des Anschlusses eines Ofens an den Rauchfang ein Befund durch den fachkundigen Rauchfangkehrermeister zu erstatten ist (SZ. XVI 143).

Sofern die Revision der beklagten Partei dartun will, daß der Beklagte als Rauchfangkehrermeister bei der Abgabe seines Befundes überhaupt nicht verpflichtet gewesen sei, allfällige Versottungserscheinungen in Betracht zu ziehen, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie der Sachverständige Dipl.-Ing. P. ausgeführt hat, wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, bei der seinerzeitigen Befunderteilung die Lage des Kamins festzustellen und darauf Bedacht zu nehmen, daß infolge der geringeren Rauchgastemperatur beim Dauerbetrieb eines Automatofens mit Versottungserscheinungen zu rechnen sei. Dies muß von ihm als Rauchfangkehrermeister infolge seiner Fachkunde (§ 1299 ABGB.) verlangt werden, da es sonst überhaupt sinnlos wäre, von ihm einen Befund zu verlangen. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht sein Verschulden deshalb angenommen, weil er anläßlich der Befunderteilung nicht die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat. Dies war für den Schaden, der nach den Feststellungen der Untergerichte auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen auch durch den Anschluß des Automaten an sich jedenfalls mitverursacht wurde, kausal.

Die Revision der klagenden Partei bestreitet nicht, daß auch die Unterlassung der Instandsetzung des Außenverputzes am Kamin für die Versottungserscheinungen kausal gewesen sei, was die Untergerichte auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen festgestellt haben. Da nach dem Inhalt des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 24. November 1958 im Bereich der in Betracht kommenden Rauchfanggruppe fast der gesamte Außenverputz gefehlt hat, wodurch es infolge unzulänglicher Wärmedämmung zu den Versottungserscheinungen gekommen ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die Klägerin als Hauseigentümerin ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden trifft. Solche Mängel des Hauses hat die Klägerin als Hauseigentümerin zu vertreten; sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie nicht fachkundig gewesen sei; als Hauseigentümerin hatte sie sich an die in Betracht kommenden Bestimmungen der Bauordnung (insbesondere § 113 Abs. 7 der Bauordnung für Wien) zu halten und darauf zu sehen, daß das Außenmauerwerk des Rauchfanges gegen Abkühlung entsprechend geschützt werde. Da sie diese Bestimmungen nicht beachtet hat, haftet sie gemäß § 1311 ABGB. auch dann, wenn im Einzelfall der Eintritt des Schadens nicht vorhersehbar gewesen wäre (SZ. XXV 84, EvBl. 1957 Nr. 106 u. v. a.). Da der Zweck der in Betracht kommenden Bestimmungen der Bauordnung der Schutz gegen Abkühlung ist und die Versottungserscheinungen insbesondere auch deswegen entstanden sind, weil die Wärmedämmung des Rauchfangmauerwerkes infolge des mangelhaften Verputzes ungenügend war, kann entgegen der in der Revision der Klägerin vorgetragenen Ansicht nicht gesagt werden, daß die Versottungserscheinungen keine kongruente Beschädigung darstellten und daß deren Verhinderung nicht im Zweckbereich der übertretenen Norm gelegen sei (vgl. die in der Manzschen Ausgabe des ABGB. von Kapfer, 26. Aufl., zu § 1311 unter Nr. 21 zitierten Entscheidungen). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht ein Mitverschulden der Klägerin angenommen.

Der Aufteilung des Verschuldens zwischen den beiden Parteien je zur Hälfte vermag jedoch das Revisionsgericht nicht beizustimmen. Die Klägerin hat allerdings Bestimmungen der Bauordnung nicht beachtet, aber der Beklagte hätte infolge der von ihm zu verlangenden Fachkunde gerade mit Rücksicht darauf, daß ihm das Haus schon seit 1939 infolge seiner beruflichen Tätigkeit bekannt war, bei der Befunderteilung betreffend den Anschluß des Automatofens besonders vorsichtig vorgehen müssen. Dem Obersten Gerichtshof erscheint diesfalls die - Aufteilung des Verschuldens im Verhältnis von einem Viertel zu drei Vierteln zuungunsten des beklagten Rauchfangkehrermeisters im Sinne des § 1304 ABGB. gerechtfertigt.

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