OGH 6Ob403/59

OGH6Ob403/5925.11.1959

SZ 32/155

Normen

Außerstreitgesetz §§125 ff
Außerstreitgesetz §§125 ff

 

Spruch:

Bei späterer zulässiger Änderung des Berufungsgrundes in einer Erbserklärung ist neuerlich nach §§ 125 ff. AußStrG. vorzugehen.

Entscheidung vom 25. November 1959, 6 Ob 403/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Neuhofen/Krems; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

Am 25. März 1959 ist Georg H. verstorben. Alois W. gab unter Berufung auf das mündliche Testament vom 24. März 1959 zum gesamten Nachlaß die unbedingte Erbserklärung ab. Da auch Franz und Klara H., und zwar auf Grund des Gesetzes, sich unbedingt erbserklärten, wurde vom Erstgericht nach §§ 125 ff. AußStrG. vorgegangen und dabei dem Alois W. die Klägerrolle, zugeteilt, der aufgefordert wurde, binnen vier Wochen (das war bis zum 4. August 1959) die Klagseinbringung nachzuweisen, widrigenfalls mit der Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung seiner Erbansprüche vorgegangen wurde. Die Klage wurde nicht binnen der gesetzten Frist eingebracht. Mit einer am 6. August 1959 überreichten Eingabe erklärte Alois W, nunmehr auch auf Grund eines weiteren mündlichen Testamentes des Erblassers vom Herbst 1957 die Erbserklärung abzugeben, und beantragte, auch diese zu Gericht anzunehmen.

Das Erstgericht wies den Antrag, diese Erbserklärung zu Gericht anzunehmen, ab, übertrug die Verwaltung und Betreuung des zum Nachlaß gehörigen Kammerhubergutes in L. Nr. 13 den auf Grund des Gesetzes erbserklärten Franz H. und Klara H. und sprach aus, da Alois W. innerhalb der ihm gesetzten Frist die Klagseinbringung nicht nachgewiesen habe, werde mit der Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung seiner Erbansprüche vorgegangen werden.

Dem nur gegen den ersten und dritten Punkt dieses Beschlusses gerichteten Rekurs des Alois W. gab das Rekursgericht teilweise Folge. Es änderte Punkt 1 dahin ab, daß die von Alois W. auf Grund des mündlichen Testamentes des Erblassers vom Herbst 1957 abgegebene Erbserklärung zu Gericht anzunehmen sei, und gab im übrigen dem Rekurs, soweit er gegen Punkt 3 gerichtet war, keine Folge. Der Rekurs gegen Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses sei unbegrundet, weil die gesetzte Frist zur Klagseinbringung nicht eingehalten worden sei. Das Verlassenschaftsverfahren sei daher fortzusetzen, wobei dahingestellt bleiben könne, ob es dazu noch einer ausdrücklichen Anordnung bedurfte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Alois W. Folge und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens nach den §§ 125 ff. AußStrG. unter Berücksichtigung des von Alois W. geänderten Berufungsgrundes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Untergerichte sind bei ihrer Entscheidung gemäß §§ 125 ff. AußStrG. über die Verteilung der Klägerrolle von der im § 126 Abs. 1 AußStrG. festgelegten Wertung der Erbrechtstitel und demgemäß von der gesetzlichen Ordnung für die Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsprozeß auf Grund der Ergebnisse einer Prüfung abgegangen, die sie aus einem Sachverhalt gewannen, wie er sich bei Zugrundelegung des mündlichen Testamentes vom 24. März 1959 als Erbrechtstitel des Alois W. darstellte. Das Rekursgericht hat im angefochtenen Beschluß die Zulässigkeit einer (vor der Einantwortung) vorgenommenen späteren Änderung des in der Erbserklärung geltend gemachten Berufungsgrundes bejaht, was auch mit der Rechtsprechung im Einklang steht (so JBl. 1947 S. 154, S. 248; EvBl. 1955 Nr. 144 u. a). Wird aber der Berufungsgrund zulässig geändert, so sind durch diese Änderung auch für eine unter dem Gesichtspunkt des § 126 AußStrG. vorzunehmende Prüfung andere Grundlagen geschaffen, die es nicht ausschließen, daß nunmehr in Ansehung der Zuteilung der Parteirollen eine völlig geänderte Lage geschaffen wurde. Von der im § 126 Abs. 1 AußStrG. festgelegten Wertung der Erbrechtstitel und demgemäß von der gesetzlichen Ordnung für die Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsprozeß kann nur abgegangen werden, wenn gegen die sogenannte äußere Form des an sich stärkeren Titels Bedenken bestehen (SZ. XXIV 208, 1 Ob 95/55, 2 Ob 438/55, 7 Ob 71/57, 6 Ob 107/58, 6 Ob 109/59 u. v. a.). Die Einhältung der äußeren Form eines außergerichtlichen mündlichen Testamentes ist aber schon dann anzunehmen, wenn dargetan ist, daß bei der letztwilligen Erklärung drei fähige Zeugen gleichzeitig zugegen waren, worunter Personen zu verstehen sind, die nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen im Sinne der §§ 591 ff. ABGB. ausgeschlossen sind (NotZ. 1931 S. 57, 7 Ob 478/56, 6 Ob 29/59, 6 Ob 109/59 u. a.). Über die Gültigkeit des mündlichen Testamentes zu entscheiden, ist nicht Sache des Abhandlungsgerichtes, sondern des Prozeßgerichtes im Erbrechtsstreit (3 Ob 438/55, 7 Ob 478/55, 6 Ob 29/59, 6 Ob 109/59 u. a.). Im Verlassenschaftsverfahren ist nur die Frage zu klären, ob die Erklärung des Erblassers den äußeren Formerfordernissen des § 585 ABGB. entspricht. Darüber, ob etwa die Testamentszeugen zur Zeugenschaft aufgefordert ("gerufen") wurden, ob die Äußerung nur im Zuge eines Gespräches erfolgte oder ob der Erblasser den ernsten Willen hatte, ein Testament zu errichten, welche Umstände den Inhalt und nicht die äußere Form des Testamentes betreffen, muß im Rechtsweg entschieden werden (GlUNF. 2482, SZ. XXVI 161, 3 Ob 438/55, 7 Ob 478/56, 6 Ob 29/59, 6 Ob 109/59 u. a.). Ob die bei der letztwilligen Erklärung gleichzeitig zugegen gewesenen drei fähigen Zeugen sich darüber im klaren waren, einer Erklärung des letzten Willens beizuwohnen, ob ihnen bewußt war, der Testator wünsche ihre Teilnahme an seiner Erklärung, all dies berührt gleichfalls nur die Gültigkeit des Testamentes (SZ. XXVI 161, 3 Ob 438/55, 7 Ob 478/56, 6 Ob 29/59, 6 Ob 109/59). Da es auf Fragen der inneren Form bei der Entscheidung über die Verteilung der Parteirollen sohin nicht ankommt (s. auch noch SZ. XXII 5, 6 Ob 107/58), könnten bei Zutreffen der Angaben des Alois W. in seinem Schriftsatz vom 6. August 1959 die Voraussetzungen dafür vorliegen, daß im Sinne der Regel des § 126 Abs. 1 AußStrG. den auf Grund des Gesetzes erbserklärten Erben die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugeteilt wird. Die Ausschöpfung dieser Möglichkeit aber darf dem Testamentserben nicht genommen werden. Der gegenteilige Standpunkt würde die Zulässigkeit einer Änderung des in der Erbserklärung angeführten Berufungsgrundes zum Großteil überhaupt illusorisch machen.

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