Spruch:
Der Einklagung desselben Anspruches gegen den Erwerber der streitverfangenen Sache steht die Einrede der Streitanhängigkeit entgegen.
Entscheidung vom 15. März 1967, 6 Ob 399/66.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Liegenschaften EZ. 2581 und 2582 KG. W. gehörten bis 28. Juli 1964 je zur Hälfte dem Kläger und der Emma Anna Z. Mit Kaufvertrag von diesem Tage erwarb die Beklagte die beiden Hälften der letztgenannten. Der Kläger brachte am 6. August 1964 zu 40 Cg 1../64 des Erstgerichtes eine Realteilungsklage gegen die Beklagte ein. Diese ließ im September 1964 ihr Hälfteeigentum lediglich hinsichtlich der Liegenschaft EZ. 2581 bücherlich einverleiben, während sie hinsichtlich der Liegenschaft EZ. 2582 Emma Anna Z. als Eigentümerin im Grundbuch beließ und im Teilungsprozeß Mangel ihrer Passivlegitimation einwendete; hiezu brachte sie noch vor, daß sie hinsichtlich dieser Liegenschaftshälfte durch eine Offerte gegenüber einem Dritten gebunden sei, der die Offerte am 25. September 1964 sogar schon angenommen habe.
Das Erstgericht wies die Teilungsklage hinsichtlich beider Liegenschaften mit der Begründung ab, der Kläger habe die Naturalteilung beider Grundstücke begehrt. Die Beklagte sei aber im Grundbuch noch nicht als Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 2582 eingetragen und ein Eventualbegehren auf Realteilung bloß der Liegenschaft EZ. 2581 sei trotz richterlicher Anregung nicht gestellt worden. Der Kläger ließ die Abweisung hinsichtlich der Liegenschaft EZ. 2582 in Rechtskraft erwachsen, doch wurde auch seiner Berufung gegen die Abweisung der Teilungsklage hinsichtlich der Liegenschaft EZ. 2581 nicht Folge gegeben.
Schon vor dieser Entscheidung des Berufungsgerichtes brachte der Kläger zu 40 Cg 2../64 (jetzt 40 Cg.../66) des Erstgerichtes eine Klage auf Realteilung der Liegenschaft EZ. 2582 gegen die noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Emma Anna Z. ein. Daraufhin ließ die Beklagte am 14. Juli 1965 im Range einer bei Abschluß des seinerzeitigen Kaufvertrages vom 28. Juli 1964 erwirkten Anmerkung der Rangordnung auch hinsichtlich dieser Liegenschaftshälfte ihr Eigentum grundbücherlich einverleiben, obwohl sie im Vorprozeß behauptet hatte, diesbezüglich schon auf Grund einer Offerte an einen Dritten gebunden zu sein, der die Offerte auch schon angenommen habe. Gleichzeitig wurde vom Grundbuchsgericht die Anmerkung der Teilungsklage gemäß § 57 GBG. gelöscht.
Das Erstgericht gab dieser Teilungsklage statt, das Berufungsgericht änderte die Entscheidung mit Urteil vom 2. Februar 1966 dahin ab, daß es die Klage wegen Mangels der Passivlegitimation der Emma Anna Z. abwies. Der Oberste Gerichtshof hob jedoch das Urteil des Berufungsgerichtes mit Beschluß vom 21. April 1966, 6 Ob 115/66, auf, bejahte die Passivlegitimation der Emma Anna Z. und trug dem Berufungsgericht auf, auf die sonstigen Berufungsausführungen einzugehen. Dieser Rechtsstreit ist, da das Berufungsgericht daraufhin das erstgerichtliche Urteil aufhob und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies, noch anhängig.
Auf Grund des abändernden, in der Folge allerdings behobenen Urteils des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Februar 1966, brachte der Kläger am 16. Februar 1966 hinsichtlich der EZ. 2582 eine neuerliche Realteilungsklage gegen die nunmehr im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Beklagte ein. Diese Klage wurde im Grundbuch angemerkt. Die Beklagte wendete Streitanhängigkeit ein, weil zu 40 Cg 2../64 (40 Cg.../66) des Erstgerichte der gleiche Rechtsstreit anhängig und das abweisliche Urteil des Berufungsgerichtes noch nicht rechtskräftig sei.
Das Erstgericht verwarf diese Einrede. Es führte hiezu aus, daß zwar Identität des Anspruches, nicht aber Identität der Parteien vorliege, da die Realteilungsklage zu 40 Cg 2../64 gegen Emma Anna Z., die vorliegende Klage jedoch gegen ihre Einzelrechtsnachfolgerin, die Beklagte, gerichtet sei. Maßgebend für die Entscheidung über die Einrede der Streitanhängigkeit sei der Zeitpunkt der Erlassung des Beschlusses (7. März 1966). Damals sei der Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 21. April 1966 noch nicht vorgelegen, die Klage im Vorprozeß daher mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Februar 1966 zurückgewiesen gewesen; Streitanhängigkeit sei daher nicht vorgelegen.
Überdies habe die Beklagte, nachdem sie am 14. Juli 1965 ihr Eigentum hinsichtlich der Hälfte der EZ. 2582 hatte eintragen lassen, am 4. August 1965 eine Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung dieser Liegenschaftshälfte erwirkt. Da das Grundbuchsgericht gleichzeitig mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten gemäß § 57 GBG. die Anmerkung der Teilungsklage gelöscht hatte, habe der Kläger, um sich gegen eine Weiterveräußerung durch die Beklagte zu sichern, eine einstweilige Verfügung durch Abnahme und gerichtliche Verwahrung der Rangordnungsanmerkung beantragen müssen, die auch bewilligt worden sei. Auch zu diesem Zwecke habe er die vorliegende Teilungsklage gegen die Beklagte einbringen müssen, da ihm andernfalls deren Einbringung innerhalb einer bestimmten Frist durch das Gericht aufgetragen worden wäre.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Einrede der Streitanhängigkeit Folge gab, das Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig aufhob und die Klage zurückwies. Es führte hiezu folgendes aus:
Die in beiden Klagen erhobenen Ansprüche wie auch die verfolgten Rechtsschutzziele seien ident, verschieden seien nur die beklagten Parteien. In seiner Entscheidung 6 Ob 212/66 (ebenso in den Entscheidungen EvBl. 1966 Nr. 3 und 6 Ob 115/66) habe der Oberste Gerichtshof in für die Untergerichte bindender Weise zur Frage der erweiterten Streitanhängigkeit in positivem Sinne Stellung genommen. Der bücherliche Eigentumsübergang während des Rechtsstreites habe auf dessen Ausgang gemäß § 234 ZPO. keinen Einfluß, da auch die Einverleibung des Eigentums im Range einer früheren Rangordnung erst mit dem Zeitpunkt der Eintragung wirksam wäre. Der Teilungsprozeß könne daher gegen den zur Zeit der Klagseinbringung bücherlich eingetragenen Eigentümer fortgesetzt und ein allenfalls ergehendes Urteil auch gegen denjenigen vollstreckt werden, auf den das Eigentum während des Rechtsstreites übergehe. Das Teilungsurteil sei somit gegen den Erwerber der Liegenschaft vollstreckbar, wenn dieser sich nicht auf das Publizitätsprinzip berufen könne. Dies müsse auch dann gelten, wenn die Anmerkung der Teilungsklage gleichzeitig mit der Eintragung des Eigentums gelöscht wurde. Dem Teilungskläger könne es nicht verwehrt werden, die Klage gegen den bücherlichen Miteigentümer zu richten, da er nur gegen diesen die Anmerkung der Teilungsklage erwirken könne, während er bei einer Klage gegen den außerbücherlichen Erwerber immer Gefahr laufe, daß dieser seinen Anteil weiterveräußere. Im Hinblick auf den zu 40 Cg../66 des Erstgerichtes gegen Emma Anna Z. angestrengten Rechtsstreites sei somit Streitanhängigkeit gegeben. Hieran ändere die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung durch einstweilige Verfügung nichts.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Lehre und Rechtsprechung folgern aus der Bestimmung des § 234 ZPO., wonach die Veräußerung der streitverfangenen Sache oder Forderung auf den Prozeß keinen Einfluß hat, daß der neuerlichen Einklagung desselben Anspruches sowohl die Streitanhängigkeit als auch - nach Beendigung des Vorprozesses - die Rechtskraft entgegenstehen (Fasching Komm, III S. 101, Jud. 63 neu = SZ. XXVIII 265, JBl. 1958 S. 75, RiZ. 1937 S. 400, SZ. XXXIV 29, SZ XXXIV 166 u. a.). Der Kläger kann somit nur den Prozeß gegen den Veräußerer zu Ende führen und sodann gegen den Erwerber einen Rechtsstreit nach § 10 EO. anhängig machen, der auf die Frage des Rechtsüberganges beschränkt ist und in dem der Erwerber der streitverfangenen Sache keine Einwendungen gegen die Berechtigung des Anspruches erheben kann.
Diese Ausdehnung der Rechtskraftwirkung ist allerdings durch das Vertrauen auf das Grundbuch beschränkt (SZ. XXXIV 29, SZ. XXXIV 166 u. a.). Ein solches Vertrauen der Beklagten kommt aber - wie schon zu 6 Ob 212/66 dargelegt wurde - nicht in Betracht, da im Zeitpunkt der Einverleibung ihres Eigentumsrechtes die gegen die Rechtsvorgängerin Emma Anna Z. anhängige Teilungsklage im Grundbuch angemerkt war. Wenngleich diese Anmerkung gleichzeitig mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten gemäß § 57 GBG. gelöscht wurde, so übte doch noch dieser gegenüber ihre Wirkung und schloß deren Vertrauen auf das Grundbuch aus (EvBl. 1966 Nr. 3, 6 Ob 212/66).
Die Verneinung der Streitanhängigkeit würde daher im vorliegenden Fall je nach dem Ausgang des Rechtsstreites dazu führen, daß der Kläger entweder zu zwei gleichlautenden Titeln gegen die Beklagte oder zu zwei einander widersprechenden Urteilen über seinen Teilungsanspruch hinsichtlich derselben Liegenschaft käme.
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