Spruch:
Die römisch-katholische Diözese hat Rechtspersönlichkeit und daher Parteifähigkeit.
Entscheidung vom 8. Jänner 1964, 6 Ob 341/63. I. Instanz:
Bezirksgericht Feldkirchen; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Die römisch-katholische Diözese G. ist grundbücherlicher Eigentümer des Hauses F., A.-Gasse 5. Sie brachte gegen die beklagte Partei eine Klage auf Räumung der von ihr in diesem Hause benützten Wohnung ein. Mit Beschluß vom 21. August 1963, ONr. 2, hatte das Erstgericht der klagenden Partei die Richtigstellung der Parteibezeichnung aufgetragen. Die Diözese G. sei nicht parteifähig. Die klagende Partei stellte sich zwar auf den Standpunkt, die Bezeichnung der klagenden Partei sei richtig. Sie erklärte sich jedoch bereit - "um einen Rekurs zu vermeiden" - die Bezeichnung der klagenden Partei abzuändern in "Röm.-Kath. Diözese G., Röm.-Kath. Kirche, vertreten durch den Bischof Dr. Josef K." Diese Bezeichnung wurde schließlich - das sei vorweggenommen - mit Beschluß vom 4. November 1963 richtiggestellt in "Röm.-Kath. Diözese G.".
Das Erstgericht wies mit Beschluß ONr. 3 die vorliegende Räumungsklage zurück. Parteifähig sei nur die Röm.-Kath. Kirche, nicht aber die einzelne Diözese.
Über Rekurs der klagenden Partei hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es vertrat die Auffassung, daß den Diözesen Rechtspersönlichkeit nicht abgesprochen werden könne. Das Erstgericht habe die Parteifähigkeit der klagenden Partei zu Unrecht verneint.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil es sich bei der Entscheidung des Rekursgerichtes um einen in Wahrheit abändernden Beschluß handelt (JBl. 1960 S. 302 u. v. a.). Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht begrundet.
Das Rekursgericht hat sich mit der hier strittigen Frage nach allen in Betracht kommenden Richtungen hin eingehend und ausführlich auseinandergesetzt. Ob einer Diözese Rechtspersönlichkeit zukomme, sei umstritten. Nach der Entscheidung SZ. XXIII 5 komme dem Erzbistum, der Erzdiözese, der Finanzkammer und dem Erzbischöflichen Ordinariat keine Rechtspersönlichkeit zu. Melichar ("Die Rechtspersönlichkeit der Diözesen der katholischen Kirche nach österreichischem Staatskirchenrecht", Österr. Archiv für Kirchenrecht 1952, S. 229 ff.) glaube die Frage eher verneinen zu müssen. Dagegen ziehe Lammeyer ("Die juristischen Personen der katholischen Kirche", Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1929), der mit Melichar darin übereinstimme, daß der Codex Juris Canonici eine ausdrückliche diesbezügliche Normierung nicht enthält, die Rechtspersönlichkeit der Diözese nicht in Frage. Der Oberste Gerichtshof vertrete in seiner Entscheidung SZ. XXV 222 die Auffassung, daß nicht nur der katholischen Gesamtkirche Rechtspersönlichkeit zukomme. Das Rekursgericht sei der Meinung, daß den Diözesen Rechtspersönlichkeit nicht abgesprochen werden könne. Nach Art. II des Österr. Konkordats von 1933, BGBl. II, Nr. 2/1934, komme der katholischen Kirche in Österreich als Ganzes öffentlichrechtliche Rechtssubjektivität zu. Ungeachtet der Frage, ob das Konkordat heute noch gelte, werde jedenfalls die Rechtspersönlichkeit der katholischen Kirche in Österreich heute allgemein anerkannt (SZ. XXIII 5, Köstler, ZÖR. 1936 S. 67, Melichar a. a. O. S. 230 ff. und ÖJZ. 1947 S. 509, Klecatsky - Weiler, österr. Staatskirchenrecht, S. 237). Die Einrichtungen der katholischen Kirche könnten nach österr. Recht nur Rechtspersönlichkeit genießen, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Konkordats bereits bestanden und ihnen Rechtspersönlichkeit nach kanonischem Recht zukommt. Für die Frage der Rechtspersönlichkeit der Einrichtungen der katholischen Kirche seien also die kirchenrechtlichen Bestimmungen maßgebend (Melichar, Archiv 1952, S. 236). Es kämen daher nur jene juristischen Personen des kirchlichen Rechtes in Betracht, denen im kanonischen Recht Vermögensfähigkeit zukomme (Melichar a. a. O., S. 246). Eine ausdrückliche Normierung der Rechtspersönlichkeit der Diözesen enthalte der CIC. nicht. Lammeyer (a. a. O., S. 195) führe hiezu aus: "Wie in vielen anderen Fällen, so knüpft das päpstliche Gesetzbuch an das frühere Recht an und setzt die ja auch staatlicherseits allenthalben anerkannte Eigenschaft der Diözese als autonome Person des öffentlichen Rechts voraus. Höchstens könnte c. 1557 § 2 zum Beweis herangezogen werden, der nach seinem ganzen Tenor die Diözesen als moralische Personen aufgefaßt wissen will, indem er in einem Atemzug die Diözesen den anderen kirchlichen moralischen Personen gleichstellt". Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang die Heranziehung des c. 1557 § 2n. 2 CIC. mit der Begründung ablehne, diese Bestimmung spreche lediglich von der curia dioecesana, so sei dies unrichtig. C 1557 § 2n. 2 laute: "Dioeceses aliasve personas morales eccelesiasticas quae Superiorem infra Romanum Pontificem non habent, uti religiones exemptas, Congregationes monasticas, etc.". Von der curia dioecesana sei somit in dieser Gesetzesbestimmung nicht die Rede. Die Diktion "Diözesen oder andere kirchliche juristische Personen" scheine dem Rekursgericht keine andere Interpretation zuzulassen, als daß das Gesetz auch die Diözesen als juristische Personen angesehen wissen will; andernfalls das Wort "andere" überflüssig und sinnstörend wäre. Eine ähnliche Formulierung finde sich in c. 1495 § 2, der von der Vermögensfähigkeit der Kirche handelt: "Etiam ecclesiis singularibus aliisque personis moralibus quae ab ecclesiastica auctoritate in iuridicam personam erectae sint, ius est, ad norman sacrorum canonum, bona temporalia acquirendi, retinendi et administrandi". Auch hier spreche der Gesetzgeber wieder von "einzelnen Kirchen und anderen juristischen Personen". Fraglich sei hier allerdings, ob unter den "einzelnen Kirchen" auch oder ganz besonders die Diözesen zu verstehen seien. Dies sei deshalb von Wesenheit, weil nach Melichar für den Besitz und die Erlangung der Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich nur solche juristische Personen des kirchlichen Rechtes in Betracht kämen, denen im kanonischen Recht Vermögensfähigkeit zukommt. Wenn Melichar (Archiv 1952, S. 258) ausführe: "Die Frage (nach der Vermögensfähigkeit der Diözesen) wird daher weiterhin in der Literatur solange kontravers bleiben, bis eine authentische Interpretation durch den Heiligen Stuhl erfolgt", so liege nun eine solche authentische Interpretation vor. Betreffend die Rechtspersönlichkeit der Diözesen habe der Kardinal und Erzbischof von Wien auf seine Anfrage hin von der päpstlichen Kommission zur authentischen Interpretation des CIC. ein Schreiben vom 22. Juni 1953 (abgedruckt im österr. Archiv für Kirchenrecht 1954, S. 115) erhalten, worin die Frage, ob unter den Worten im c. 1495 § 2 CIC. "ecclesiis singularibus" auch und insbesondere die Diözesen verstanden werden müssen, bejaht werde. Gleichzeitig werde diese Interpretation als eine deklarative (und nicht extensive) bezeichnet. Damit sei die Frage der Vermögensfähigkeit der Diözesen durch eine authentische Interpretation des Heiligen Stuhles zugunsten der Diözesen gelöst und auch unter diesem Gesichtspunkt die Rechtspersönlichkeit der Diözesen kaum anzweifelbar. Wenn das Erstgericht den Standpunkt einnehme, nach c. 100 §§ 1 und 2 sei nur die katholische Kirche eine juristische Person, so sei auf den zweiten Halbsatz des § 1 dieses Canons zu verweisen, der von den "anderen untergeordneten juristischen Personen in der Kirche" spreche. In der Entscheidung SZ. XXV 222 setze sich der Oberste Gerichtshof zwar mit der Entscheidung XXIII 5 nicht auseinander, führe aber unter anderem aus: "Nur nebenbei sei bemerkt, daß auch, wenn es sich nicht um Kirchenbeiträge handelte, die Meinung der erstbeklagten Partei, es komme nur der katholischen Gesamtkirche Rechtspersönlichkeit zu, mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche, RGBl. Nr. 50/1874 (insbesondere mit den §§ 35, 44, 45) in Widerspruch stunde". Daß der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang die katholische Gesamtkirche nicht im Gegensatz zur katholischen Kirche in Österreich verstehe, ergebe sich aus den von ihm zitierten Bestimmungen des Gesetzes aus dem Jahre 1875, die von der Pfarrgemeinde, der Verwaltung des Bistums-, Kapitel- und Klostervermögens handelten und bestimmten, daß "innerhalb der Grenzen der voranstehenden Bestimmungen" den Bischöfen und ihren Stellvertretern der ihnen nach den kirchlichen Vorschriften zukommende Einfluß auf die Verwaltung des in ihren Sprengeln befindlichen Kirchenvermögens insoweit verbleibt, als diese kirchlichen Vorschriften den Staatsgesetzen nicht widerstreiten. Diese Überlegungen würden auch hier nicht an Gültigkeit verlieren, wenn man die Auffassung teilte (Schima, Katholische Pfarrgemeinde und Kirchenkonkurrenz, ÖJZ. 1962, S. 203), daß das Gesetz vom Jahre 1874 nicht mehr in Wirksamkeit stehe. Schließlich sei auch noch der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlicher Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960, von Bedeutung, der sowohl in Art. III als auch in Art. V normiere, daß bestimmtes Vermögen durch die Republik Österreich in das Eigentum der Erzdiözese Salzburg übertragen wird. Damit habe der österreichische Gesetzgeber die Vermögensfähigkeit und damit die Rechtspersönlichkeit der Diözesen anerkannt.
Was gegen diese Auffassungen des Rekursgerichtes im vorliegenden Rechtsmittel vorgebracht wird, fußt im wesentlichen bloß auf der im erstgerichtlichen Beschluß vertretenen Rechtsmeinung, die jedoch der Argumentation im angefochtenen Beschluß nicht standzuhalten vermag. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung SZ. XXV 222 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die - bei Erörterung einer Vorfrage offenbar auch der Entscheidung SZ. XXIII 5 zugrundegelegene - Auffassung, es komme nur der katholischen Gesamtkirche Rechtspersönlichkeit zu, mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche, RGBl. Nr. 50/1874, insbesondere mit den §§ 35, 44, 45, in Widerspruch stehe. Davon abzugehen, besteht kein Anlaß. Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 38 ff. in Ansehung des kirchlichen Vermögensrechtes ergibt, wurde in dem erwähnten Gesetz unter anderem auf die Verwaltung des "Bistumsvermögens" ausdrücklich Bedacht genommen. Daraus folgt, daß für den staatlichen Bereich das Bistum - also die Diözese - als fähiger Träger von Vermögensrechten und damit als Rechtspersönlichkeit anerkannt wurde, was auch sinnfällig aus den in den Artikeln III und V des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960, vereinbarten Eigentumsübertragungen an die Erzdiözesen Wien und Salzburg zu erkennen ist. Diese Eigentumsübertragungen setzen die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und der Parteifähigkeit von Diözesen für den staatlichen Wirkungsbereich zwingend voraus. Auch bei der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes der Diözese G. ob der Liegenschaft in F., A.-Gasse 5, muß von ähnlichen Erwägungen ausgegangen worden sein. Im übrigen muß unabhängig von der Frage, ob infolge der staatsrechtlichen Umwälzungen seit 1934 das Konkordat vom 5. 6. 1933, BGBl. II, Nr. 2/1934, noch völkerrechtlich verbindlich ist, die innerstaatliche Wirksamkeit als österreichische Rechtsnorm jedenfalls hinsichtlich jener Bestimmungen des Konkordates anerkannt werden, die nicht durch eine seit 1934 erlassene Rechtsnorm wieder aufgehoben oder abgeändert worden sind (RiZtg. 1957 S. 28). Demzufolge genießen gemäß Art. II des Konkordates die einzelnen Einrichtungen der katholischen Kirche, die nach kanonischem Recht Rechtspersönlichkeit haben, auch für den staatlichen Bereich Rechtspersönlichkeit, soweit sie bei Inkrafttreten des Konkordates in Österreich bestanden. Die Bestimmung dieses Artikels ist in Österreich auch schon vor Abschluß des Konkordates gehandhabt worden. Auch hat die österreichische Gesetzgebung den Vorschriften des kanonischen Rechtes Rechnung getragen, wie sich aus den §§ 38 ff., vor allem aus §§ 42 und 46 des bereits erwähnten Gesetzes vom 7. Mai 1874, RGBl. Nr. 50, ergibt, die insbesondere auch die voneinander abweichenden Vorschriften des kanonischen Rechtes über die Verwaltung des Kirchen(Fabriks)gutes einerseits und des Pfrundenvermögens andererseits übernehmen. Die österreichischen Kultusbehörden haben auch immer den Rechtsgeschäften der Kirchen wie der Pfrunden, wenn sie von den nach dem kanonischen Recht zur Vertretung befugten natürlichen Personen abgeschlossen wurden, ihre Genehmigung erteilt. Auch das kanonische Recht kennt außer der Gesamtkirche eine Reihe juristischer Personen (Personae morales, entia juridica, c. 99 und 100 § 1 CIC., Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 1953, Zl. 148/51-5). Daß eine ausdrückliche Normierung der Rechtspersönlichkeit der Diözesen im CIC. nicht enthalten ist, trifft zwar zu. Doch folgt der Oberste Gerichtshof der bereits wiedergegebenen Auffassung Lammeyers und der dabei vorgenommenen Heranziehung des c. 1557, § 2n. 2, sowie schließlich den zu c. 1495, § 2 CIC. dargelegten Auffassungen des Rekursgerichtes. Gegen diese bestehen umsoweniger rechtliche Bedenken, als sie in der von der päpstlichen Kommission zur authentischen Interpretation des CIC. im Schreiben vom 22. Juni 1953 (Österr. Archiv für Kirchenrecht 1954, S. 115) vorgenommenen, die Rechtspersönlichkeit der Diözese betreffenden deklarativen und im bejahenden Sinn erfolgten Interpretation volle Stütze finden. Die Diözesen haben demnach Rechtspersönlichkeit. Die Parteifähigkeit der klagenden Diözese ist gegeben.
Dem Rekurse war daher ein Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)