OGH 6Ob316/69

OGH6Ob316/6918.2.1970

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Berger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bröll, Dr. Wittmann, Dr. Sperl und Dr. Fedra als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. techn. L*, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G*, vertreten durch Dr. Alfred Musil, Rechtsanwalt in Wien, wegen 106.000 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. September 1969, GZ 5 R 150/69‑12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. April 1969, GZ 39 c Cg 226/68‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1970:0060OB0000316.69.0218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.333,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, er habe mit der Beklagten aufgrund der Zusicherung, mit dem Bau der Wohnhausanlage in *, werde im ersten Halbjahr 1966 begonnen, sodass die Wohnungen im Jahre 1967 bezugsfertig seien, den Vertrag vom 11. 6. 1965 (2. 7. 1965) und den Kaufvertrag vom 2. 9. 1965 geschlossen und an sie einen Betrag von 106.000 S sowie von weiteren 4.500 S für einen Genossenschaftsanteil und von 500 S an Beitrittsgebühr bezahlt. Da mit dem Bau nicht begonnen und die vorgesehene Zustimmung des Wohnbaufonds nicht erteilt worden sei und auch in Zukunft nicht erteilt werde, sei die Vereinbarung vom 11. 6. 1965 rechtsunwirksam. Er habe daher die Verträge für aufgelöst erklärt. Die Vereinbarung vom 11. 6. 1965 sei im Übrigen als Vorvertrag zu qualifizieren und im Hinblick auf die zwingenden Bestimmungen des § 936 ABGB rechtsunwirksam geworden. Der Kläger beantragt Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Betrags von 106.000 S samt 4 1/2 % Zinsen seit 1. 7. 1965.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrags von 106.000 S samt 4 % Zinsen seit 9. 12. 1968 unter Abweisung des Zinsenmehrbegehrens. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Beklagte ist eine Genossenschaft. Sie wird nach den Statuten von zwei Vorstandsmitgliedern sowohl bei mündlichen als auch bei schriftlichen Willenserklärungen gemeinsam vertreten. Der Austritt aus der Genossenschaft ist durch Aufkündigung zum Schluss eines Geschäftsjahres oder durch Übertragung des Geschäftsguthabens möglich. Der Kläger und seine Gattin verhandelten über den Ankauf einer Wohnung mit dem Vorstandsmitglied * R*. Der Kläger verlangte, dass die Wohnung alsbald beziehbar sein müsse. R* erklärte dazu, dass bei dem Projekt in *, im Frühjahr 1966 mit dem Bau begonnen werde. Als Bauzeit nannte er zwei Jahre. Vor der Unterfertigung der Vereinbarung vom 11. 6. 1965 erklärte der Kläger R* gegenüber, dass er mit Rücksicht auf das Alter seiner Kinder bis Ende 1967 zuwarten könne. R* sagte dazu, dies sei die Bauzeit, die er zusichern könne. Es wurde damit beim Kläger und seiner Gattin die sichere Zuversicht erweckt, dass mit dem Bau im Frühjahr 1966 begonnen werde und die Unterfertigung der abgeschlossenen Verträge aufgrund dieser Zusicherung erfolge.

Mit Schreiben vom 11. 6. 1965 übersandte die Beklagte dem Kläger den Entwurf einer Vereinbarung über die Wohnungen Nr 16 und 17 im Hause *. Zugleich wurde er aufgefordert, zur Unterfertigung des Kaufvertrags zu erscheinen. Sämtliche Urkunden wurden für die Beklagte nur von * R* gezeichnet, den der Kläger für den Geschäftsführer hielt. Der Kläger unterfertigte die Vereinbarung vom 11. 6. 1965 und den Kaufvertrag über die vorbezeichneten Eigentumswohnungen. Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 11. 6. 1965 hatte der Kläger 106.000 S für den Grundanteil, 65.000 S an Baukosten, 16.000 S an Verwaltungskosten und 4.500 S für den Genossenschaftsanteil und als Beitrittsgebühr zu bezahlen. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass die Genossenschaft für einen bestimmten Zeitpunkt des Baubeginns nicht haftet, dass ihr kein Einfluss auf den Zeitpunkt des Zufließens der Fondsmittel zusteht. Sie behält sich das Recht vor, nötigenfalls eine andere Finanzierung zu wählen. Weiters wurde vorgesehen, dass sich der Wohnungswerber, falls er die Wohnung vor Fertigstellung weiterveräußern sollte, verpflichtete, sie nur der Genossenschaft oder einem von ihr bestimmten Käufer zu veräußern. Der Genossenschaft wurde ein Vorkaufs‑ und Wiederkaufsrecht eingeräumt. Auch wurde festgehalten, dass der übertragende Wohnungswerber für den Fall, als die Genossenschaft von ihrem Vorkaufs‑ bzw Wiederkaufsrecht nicht Gebrauch machen sollte, verpflichtet ist, einen Ersatzmann für die Wohnung zu stellen, der in seine Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung eintritt. Der Wohnungswerber kann den Rückersatz der von ihm bezahlten Beträge erst verlangen, wenn sein Nachfolger diese bei der Genossenschaft eingezahlt hat. Ein Anspruch auf Ersatz von Zinsen besteht nicht. Ein Ausschluss mündlicher Vereinbarungen wurde nicht festgehalten.

Im Kaufvertrag vom 2. 9. 1965 wurde vorgesehen, dass der vom Kläger erworbene Liegenschaftsanteil nach der Mietwertfestsetzung ziffernmäßig bestimmt und dass die Wohnungen Nr 16 und 17 des Objekts in das Wohnungseigentum des Klägers übertragen werden. Gemäß Pkt XIV verpflichtete sich der Käufer, für den Fall der Veräußerung vor Bezugsfertigstellung die Wohnung nur der Genossenschaft oder einem von ihr bestimmten Interessenten zu veräußern, wogegen der Käufer nach Bezugsfertigstellung der Genossenschaft das Vorkaufs‑ und Wiederkaufsrecht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen über die Wohnungsgemeinnützigkeit einräumt.

Mit Vertrag vom 24. 8. 1965 vermietete die Beklagte einen Teil der gegenständlichen Liegenschaft an Ing. * M*. Der Kläger wurde wegen des Baubeginns von R* immer wieder vertröstet. Auch nach der Aufkündigung der Verträge durch den Kläger verhandelten die Parteien noch über andere Projekte, ohne aber zu einer Einigung zu kommen. Ein Baubeginn ist noch nicht festgesetzt.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahin, die Erklärungen der Beklagten gegenüber dem Kläger seien mangels des satzungsmäßigen Erfordernisses der Willenserklärung zweier Vorstandsmitglieder nicht verbindlich. Daher könne dem Kläger auch die Bestimmung nicht entgegengehalten werden, dass er erst nach Einzahlung der entsprechenden Beträge durch einen anderen Wohnungswerber rückforderungsberechtigt sei. Aber selbst wenn die Gültigkeit der Verträge angenommen werde, sei der Kläger durch R* in Irrtum geführt worden, weil er zur Unterfertigung des Vertrags durch die bestimmte Zusicherung, die Wohnungen würden bis Ende 1967 bezugsfertig, bewogen worden sei. Auch sei die Vereinbarung nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Rechtlich führte es aus, dem Erstgericht könne wohl nicht gefolgt werden, dass die Vereinbarung vom 11. 6. 1965 mangels Kollektivzeichnung durch zwei Vorstandsmitglieder der Beklagten ungültig sei, da doch die Beklagte den Vertrag in der Klagebeantwortung genehmige. Ein dem Kläger eingeräumtes Rücktritts‑ bzw Aufkündigungsrecht behaupte er selbst nicht, auch stehe keineswegs fest, dass das Objekt durch die vorgesehenen Stellen nicht gebaut werden könne und überdies sei die Beklagte auch berechtigt, eine andere Art der Finanzierung zu wählen. Für die Behauptung des Klägers der Ungültigkeit des Vertrags gemäß § 936 ABGB fehle es an einem entsprechenden Tatsachenvorbringen. Auch unter dem Gesichtspunkt der vom Erstgericht geprüften Irreführung könne der Klage nicht stattgegeben werden, da eine solche Anfechtung gar nicht vorgenommen werde. Dennoch sei die Klage berechtigt. Da die Beklagte den Abschluss des Vertrags des Klägers mit R* ausdrücklich zugestehe und ihn genehmige, müsse sie ihr nach seinem gesamten Inhalt, einschließlich der mündlichen Zusicherungen ihres Vorstandsmitglieds, gelten lassen. Durch die Nichteinhaltung der übernommenen Verpflichtung, die Wohnung bis Ende 1967 zu bauen, sei die Beklagte in Leistungsverzug gekommen, sodass der Kläger gemäß § 918 ABGB zum Rücktritt berechtigt sei. Dies gelte auch, wenn der Vertrag als Vorvertrag aufzufassen sei. Eine Rückforderung werde auch durch die Bestimmungen des Vertrags für den Fall eines Verkaufs der Eigentumswohnung nicht ausgeschlossen, da der Kläger gar keinen Vorkauf beabsichtige. Sollten diese Bestimmungen aber auch für den Fall eines Rücktritts vereinbart sein, wären sie als vollkommen einseitig zu Gunsten der Beklagten gegen die guten Sitten. Die aus dem gesetzlichen Rücktrittsrecht dem Kläger entstehenden Ansprüche können nicht in dieser Weise eingeschränkt werden.

Die Beklagte bekämpft nun dieses Urteil mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Soweit das Berufungsgericht ausführt, dass der Kläger eine Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums nicht vornehme, ist ihm jedenfalls zu folgen, weil dieser Rechtsgrund weder in der Klage noch später geltend gemacht worden ist.

Mit Unrecht führt aber die Beklagte aus, ihre Genehmigung des nicht allein vertretungsbefugten Vorstandsmitglieds R* sei nur insoweit wirksam, als sie den schriftlichen Vertrag betrifft, nicht aber hinsichtlich der mündlich abgegebenen Erklärungen. Von dieser Genehmigung war die Gültigkeit des ganzen Geschäfts abhängig, also im Sinn des § 865 ABGB bedingt. Diese Vorschrift ist nicht nur auf geschäftsunfähige Personen anzuwenden; sie gilt vielmehr sinngemäß immer, wenn ein Vertrag durch eine aus welchem Grund immer nicht allein vertretungsbefugte Person abgeschlossen worden ist (SZ XXXI 156 Gschnitzer in Klang2 IV 1, S 90). Es steht aber dem vertragschließenden Teil, auf dessen Seite eine Genehmigung notwendig ist, nicht das Recht zu, diese nur hinsichtlich eines Teils der von dem nicht voll vertretungsbefugten Organ abgegebenen Erklärungen zu tun. Sonst würde dem Vertragsgegner eine Vereinbarung aufgezwungen, der er nicht zugestimmt hat. Die Genehmigung kann daher nur für alle von R* abgegebenen Erklärungen gelten. War dies nicht der Fall, so ist das Geschäft überhaupt nicht zustande gekommen.

Es musste R* klar sein, dass der Zeitpunkt der Fertigstellung der Wohnung für den Kläger von entscheidender Bedeutung war. Er gab ihm bekannt, dass im Frühjahr 1966 mit dem Bau begonnen werde. Wenn man auch der Beklagten zubilligt, dass der Kläger mit einer gewissen Verzögerung rechnen musste, so muss doch darauf verwiesen werden, dass drei Jahre später zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch gar nicht abgesehen werden konnte, ob und wann der Bau beginnen werde.

Aus den Erklärungen R*s und des Klägers geht hervor, dass beide davon ausgingen, dass der Bau mit Beginn der Saison 1966 beginnen und nach zwei Jahren, also mit Ende der Saison 1967 beendet sein werde. Darauf, dass R* etwa im Widerspruch zu seiner gegebenen Erklärung anderer Ansicht gewesen sei, könnte sich die Beklagte nicht berufen, weil man aus eigener Arglist kein Recht ableiten kann (Ehrenzweig II, 1 S 732). Da einerseits der Kläger auf der Zusicherung des Bautermins bestand, andererseits R* dem nachkam, muss nach redlicher Verkehrsausübung die Parteiabsicht dahin angenommen werden (§ 914 ABGB), dass die Einhaltung des Termins allenfalls mit Einhaltung einer gewissen aber nicht im entferntesten drei Jahre betragenden Verspätung zur Bedingung des Vertrags gesetzt worden ist.

Die Ausführungen der Revision, es handle sich hier allenfalls um eine Teilnichtigkeit sind verfehlt. Die Bedingung bezieht sich auf das ganze Geschäft. Die Beklagte beruft sich auf Stanzl bei Klang2 IV, 1 S 851, 852 und meint, der Vertrag könne auch ohne die mündlich getroffene Abmachung bestehen, so dass § 878 ABGB sinngemäß anzuwenden sei. Das kann aber nicht gelten, wenn dies, wie hier, dem Parteiwillen widerspricht, worauf Stanzl aaO S 852 ausdrücklich hinweist. Es kann nicht ein Teil zum Nachteil des Vertragsgegners das Geschäft nur soweit genehmigen, als es für ihn günstig ist, wenn der andere nicht zustimmt.

Die unbegründete Revision musste also erfolglos bleiben.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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