Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im Liquidationsverfahren der am (2.) 3. 1. 2001 im Firmenbuch gelöschten Gesellschaft mbH erging keine unmittelbare Aufforderung an die antragstellende Gläubigerin, sich zu melden. Die Alleingesellschafterin hatte mit Beschluss vom 4. 12. 2000 den Rechtsanwalt Dr. Rainer K***** zum Verwahrer der Bücher und Schriften gemäß § 93 Abs 2 GmbHG bestimmt.
Mit dem am 11. 9. 2002 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin als Gläubigerin der Gesellschaft, das Gericht möge sie zur Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft ermächtigen. Die Gesellschaft habe von der Antragstellerin Räumlichkeiten gemietet. Es hafteten mehrere 100.000 EUR an Mietzins aus. Zwar habe die Gesellschaft in Bezug auf das Mietverhältnis eine Aufhebungserklärung abgegeben, dieser komme aber keine Wirksamkeit zu, weil die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung schon gelöscht gewesen sei.
Der Verwahrer der Bücher und Schriften sprach sich gegen die Bucheinsicht aus. Das behauptete Mietverhältnis habe nicht bestanden. Wenn es bestanden haben sollte, sei die Gesellschaft als Mieterin von der Antragstellerin in Irrtum geführt worden. Der Anfechtungserklärung der Gesellschaft komme Wirksamkeit zu. Die Löschung einer Gesellschaft sei nur deklarativ, sodass mangels Vollabwicklung die Gesellschaft nach wie vor Rechtspersönlichkeit habe, insbesondere wenn ein Mietverhältnis vorliegen sollte.
Das Erstgericht ermächtigte die Antragstellerin zur beantragten Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft gemäß § 93 Abs 4 GmbHG und verpflichtete den Antragsgegner zur Einsichtsgewährung. Das Erstgericht ging von einem bescheinigten Mietverhältnis aus.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verwahrers nicht Folge. Der Anspruch auf Bucheinsicht durch den Gläubiger sei im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen und insbesondere aber auch nach dem mit dem Rekurs des Verwahrers vorgelegten Mietvertrag sei ein Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und der Antragstellerin bescheinigt. Bei der behaupteten Anfechtungserklärung wegen Irrtums handle es sich zwar um eine anspruchsvernichtende Tatsache, deren Bescheinigung sei aber nicht gelungen, weil für eine Anspruchsvernichtung der Irrtum gerichtlich geltend gemacht werden müsse. Für diese Frage sei trotz des Umstandes, dass es sich bei der Antragstellerin um eine ausländische, in Luxemburg ansässige Gesellschaft handle, österreichisches Recht maßgeblich. Art 4 Abs 3 EVÜ normiere die Vermutung, dass ein Vertrag, der ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks zum Gegenstand habe, die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweise, in dem das Grundstück liege. Liegenschaftsnutzungsverträge seien nach diesem Recht zu beurteilen und damit auch die Frage der Irrtumsanfechtung.
Die Antragstellerin habe ihre Gläubigerstellung bescheinigt und ein berechtigtes Interesse an der Ermittlung der Umstände, ob die gelöschte Gesellschaft noch Vermögen habe oder ob allenfalls ein Pflichtverstoß des Liquidators vorliege, insbesondere weil hier die unmittelbare Aufforderung nach § 91 Abs 1 letzter Satz GmbHG unterblieben sei. Bei dieser Bestimmung handle es sich um ein Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers sei das Recht auf Bucheinsicht weder gegenständlich noch zeitlich zu beschränken.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Verwahrer die Abänderung dahin, dass der Antrag auf Bucheinsicht abgewiesen werde, hilfsweise die Abänderung dahin, dass die Einsicht jedenfalls "exklusive aller Unterlagen über Zahlungsbewegungen der Gesellschaft" eingeschränkt werde.
Der Revisionsrekurs ist mangels einschlägiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Vorinstanzen bejahte Gläubigerstellung der Antragstellerin wegen eines als bescheinigt erachteten Bestandverhältnisses ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig. Der Antragsgegner stützt seine Einwendungen gegen die verfügte Bucheinsicht nunmehr im Wesentlichen darauf, dass einem Gläubiger kein unbeschränktes Einsichtsrecht zustehe und verweist dazu abstrakt auf umfangreiche Verschwiegenheitspflichten, so insbesondere auch nach dem Datenschutzgesetz. Ein unbeschränktes Einsichtsrecht käme einem unzulässigen Ausforschungsbeweis hinsichtlich allfälliger Pflichtverstöße des Liquidators gleich. Es werde damit in die Rechte Dritter eingegriffen, etwa bei Geheimhaltungsvereinbarungen und Betriebsgeheimnissen. Im Übrigen habe die Gesellschaft eine Erklärung dahin abgegeben, den Mietvertrag mit der Antragstellerin wegen Irrtums anzufechten. Dies sei eine anspruchsvernichtende Tatsache.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Der Oberste Gerichtshof erachtet vielmehr die Begründung des Rekursgerichtes in allen Punkten für zutreffend, so dass es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG). Zusammenfassend stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
1. Im Liquidationsverfahren sind nicht nur die Gesellschafter und früheren Gesellschaftsorgane Beteiligte des Verfahrens, sondern auch Dritte, die ein rechtliches Interesse an der Verwertung und Verteilung des Gesellschaftsvermögens haben (RIS-Justiz RS0114803). Gläubiger sind schon wegen ihres im § 93 Abs 4 GmbHG angeführten Bucheinsichtsrechts Beteiligte. Sie haben ein Interesse an der Verwertung und der Teilnahme an der Verteilung des Gesellschaftsvermögens. Dabei handelt es sich nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Die Bucheinsicht ist vielmehr eine Rechtsfolge der Nichtverständigung des Gläubigers nach § 91 Abs 1 letzter Satz GmbHG und der damit verbundenen Nichtteilnahme am Liquidationsverfahren.
2. Das Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften einer aufgelösten Gesellschaft mbH besteht nach Beendigung der Liquidation und Löschung im Firmenbuch nicht gegenüber dem letzten Liquidator, sondern gegenüber dem nach § 93 Abs 3 GmbHG bestellten Verwahrer der Bücher. Der Anspruch ist im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen, wie dies nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch für den Anspruch des Gesellschafters auf Bucheinsicht gilt (RS0060104). Es wäre ein kaum begründbarer Wertungswiderspruch, einen Gläubiger der Gesellschaft mit seinem Recht auf Bucheinsicht auf das streitige Verfahren zu verweisen.
3. Grundsätzlich ist das Recht auf Bucheinsicht ein unbeschränktes. Allfällige Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Natur, die sich aus Schutzgesetzen zugunsten anderer Personen ableiten ließen, sind vom Antragsgegner konkret zu behaupten und zu bescheinigen. Der bloße Hinweis auf rein hypothetische Umstände reicht jedenfalls nicht, dem Gläubiger das ihm zustehende Einsichtsrecht zu verwehren.
4. Zur fehlenden Relevanz der behaupteten Anfechtungserklärung der Gesellschaft wegen Irrtums im Verfahren über die Bucheinsicht ist auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung des Rekursgerichtes zu verweisen.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
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