OGH 6Ob311/05m

OGH6Ob311/05m26.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Karin S*****, vertreten durch Dr. Nora Kluger, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei Ing. Johann S*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterhalts, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Mai 2005, GZ 15 R 106/05x, 107/05v-83, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Pregarten vom 13. Dezember 2004, GZ C 427/02 g-74, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Parteien wurde am 30. 1. 2002 im Einvernehmen geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin einen Unterhalt in einer dem § 66 EheG entsprechenden Höhe unter der Prämisse des Alleinverschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe zu bezahlen. Die Parteien legten dieser ziffernmäßig nicht bestimmten Unterhaltsvereinbarung ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von 3.000 EUR zugrunde. Der Beklagte verpflichtete sich, für die vier damals zwischen drei und sechs Jahren alten Kinder 1.500 EUR monatlich zu bezahlen. Die Klägerin begehrt einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Februar bis Juni 2002 in der Höhe von 1.500 EUR sowie einen monatlichen Unterhalt von 300 EUR für die Zeit vom 1. 12. 2002 bis 30. 6. 2004 und einen monatlichen Unterhalt von 527,65 EUR für Juli 2004 und seit 1. 8. 2004 700 EUR monatlich. Im Hinblick auf das Alter der Kinder sei der Klägerin die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit unzumutbar und unmöglich. Sie sei auf den Unterhalt des Beklagten angewiesen. Er schulde einen 300 EUR monatlich weit übersteigenden Unterhaltsbeitrag. Der Beklagte verweigere den Unterhalt trotz gegebener Leistungsfähigkeit. Deswegen sei die Klägerin gezwungen gewesen, eine Erwerbstätigkeit als Lehrerin aufzunehmen. Das erzielte Einkommen sei aber außer Betracht zu lassen. Sobald der Beklagte Unterhalt leiste, werde die Klägerin die Berufstätigkeit wieder aufgeben. Der Beklagte unterlasse es schuldhaft, ein Arbeitseinkommen zu erzielen. Mit seiner Berufsqualifikation könnte der Beklagte auf dem Arbeitsmarkt ein Nettoeinkommen von 3.000 monatlich erzielen. Mangels Vorlage geeigneter Beweismittel über sein tatsächlich erzieltes Einkommen sei von einer Bemessungsgrundlage von 3.000 EUR auszugehen. Die Erzielung eines Arbeitseinkommens in Österreich sei dem Beklagten zumutbar. Er habe nahezu sein gesamtes Leben in Österreich verbracht. Mitte Juli 2004 habe der Beklagte in unselbständiger Tätigkeit monatlich 4.080 EUR durchschnittlich verdient.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe während seiner selbständigen Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH Verluste erwirtschaftet und nur unter äußerster Anspannung und Aufzehrung von Reserven den Unterhalt für die Kinder in der Höhe von monatlich 766,94 EUR geleistet. Er lebe bereits unter dem gesetzlichen Existenzminimum. Im Scheidungsvergleich sei bewusst keine Unterhaltsfestsetzung vorgenommen worden. Die Bemessungsgrundlage sei lediglich pro forma festgelegt worden. Die Klägerin habe zur persönlichen Selbstverwirklichung eine Berufstätigkeit aufgenommen. Davon habe sie schon vor der Scheidung gesprochen. Schließlich seien der Klägerin Lebensversicherungen ausbezahlt worden, sodass keine Notlage vorliege. Der Beklagte sei seit spätestens 1. 1. 2004 schuldlos arbeitslos und beziehe seit damals ein Arbeitslosengeld von 37,52 EUR. In Deutschland habe er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Er könne in der Baubranche keinen Arbeitsplatz finden. Am 15. 7. 2004 sei der Beklagte in ein kurzzeitiges Probedienstverhältnis getreten. Er habe monatlich 2.159 EUR verdient. Seit 15. 10. 2004 beziehe er Arbeitslosengeld in Deutschland im Ausmaß von 60 % dieses Einkommens. Dem Beklagten sei eine Beschäftigung in Österreich nicht zumutbar, weil er seit mehr als zehn Jahren in Deutschland berufstätig sei und seine Lebensgefährtin in Berlin wohne.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Bezahlung eines Unterhaltsrückstands von 915 EUR, zu einem Unterhaltsbeitrag von monatlich 175 EUR für die Zeit vom 1. 9. 2004 bis 15. 10. 2004 (insgesamt also 262,50 EUR) und wies die Mehrbegehren ab. Von seinen Feststellungen ist folgender im Revisionsverfahren nicht strittiger Sachverhalt zusammengefasst wiederzugeben:

Der Beklagte war Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und erzielte bis Jänner 2002 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von mindestens 3.000 EUR. Trotz wiederholter Aufforderungen bezahlte der Beklagte der Klägerin bis Juni 2002 keinen Unterhalt und weiters auch nicht in der Zeit ab 1. 12. 2002. Von 1996 bis 13. 11. 2001 war der Beklagte Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter einer GmbH mit dem Sitz in Wartberg. Vom 13. 11. 2001 bis 5. 2. 2003 war der Beklagte Alleingesellschafter. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte ab Jänner 2002 bis 31. 12. 2003 ein niedrigeres Durchschnittsnettoeinkommen als 3.000 EUR monatlich erzielt hätte. Seit 6. 2. 2003 war der Beklagte als Geschäftsführer unselbständig tätig. Mangels vorgelegter Unterlagen kann sein erzieltes Einkommen nicht festgestellt werden. Mit dem Qualifikationsprofil des Beklagten bestand für den Beklagten ab Ende 2002 auf dem allgemeinen bundesdeutschen Arbeitsmarkt keine Arbeitsplatzrealisierungschance. In Österreich hätte der Beklagte seit Ende 2002 die besten Möglichkeiten gehabt, einen Arbeitsplatz zumindest nach einer 12-monatigen Arbeitsplatzsuche finden können. Der Beklagte hat die Lage der Gesellschaft mbH ab Ende 2001 so eingeschätzt, dass er die Gesellschaft nicht mehr halten könne. Er hätte ab 1. 12. 2002 in Österreich einen Arbeitsplatz finden können und hier als technischer Konsulent im Jahr 2003 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.074 EUR und im Jahr 2004 von 2.128 EUR erzielen können. Der Beklagte war vom 15. 7. 2004 bis 15. 10. 2004 als Leiter eines Einkaufszentrums in Hamburg beschäftigt und hat dort monatlich durchschnittlich 2.232 EUR netto verdient. Der Beklagte wurde vom Arbeitgeber entlassen. Seit 16. 10. 2004 bezog der Beklagte ein Arbeitslosengeld in Deutschland in der Höhe von 60 % des früheren Nettoeinkommens.

Die Klägerin hatte zunächst in der GmbH die Buchhaltung geführt. Ab Februar 2002 war die Klägerin arbeitslos und bezog bis 8. 9. 2002 Notstandshilfe von täglich 23,55 EUR. Ab 9. 9. 2002 war die Klägerin als Mittelschullehrerin für Informatik mit einem Wochenstundenausmaß von 8,25 Werteinheiten beschäftigt. Sie erzielte von September 2002 bis Dezember 2002 ein durchschnittliches monatliches Einkommen von

1.213 EUR, von Jänner 2003 bis Dezember 2003 von durchschnittlich monatlich 1.181 EUR und von Jänner bis August 2004 von 772 EUR und schließlich von September bis Oktober 2004 von 474 EUR. Ab September 2004 wurden die Wochenstunden von 8,25 auf 5 Stunden gekürzt. Die mütterliche Großmutter hat die Klägerin seit Beginn 2002 bei der Betreuung der Kinder und bei der Haushaltsführung unterstützt. Ab dem Schuljahr 2003/2004 sind die Kinder nach der Schule bzw nach dem Kindergarten in einer Ganztagsbetreuung untergebracht gewesen, weil die mütterliche Großmutter zur Betreuung nicht mehr in der Lage war. Für die vier ehelichen Kinder hat der Beklagte ab 1. 1. 2004 einen monatlichen Unterhalt von insgesamt 570 EUR geleistet. Für die Hortbetreuung von zwei Kindern bezahlte die Klägerin monatlich 180 EUR, für das Essen aller vier Kinder 120 EUR monatlich. Die Negativfeststellung des Erstgerichts, dass nicht festgestellt werden könne, aufgrund welcher Motive die Klägerin eine Beschäftigung als Mittelschullehrerin aufgenommen habe, hat das Berufungsgericht nicht übernommen.

Das Erstgericht beurteilte den Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass der geschiedene Ehegatte nicht einem verheirateten und haushaltsführenden Ehegatten gleichgestellt sei. Das von der Klägerin erzielte Einkommen sei bei der Bemessung des Unterhalts in vollem Umfang zu berücksichtigen. Bei der ziffernmäßigen Bestimmung der Unterhaltsbeiträge ging das Erstgericht von der sogenannten „40 %-Regel" aus und gelangte so zu seinem spruchgemäßen Ergebnis. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Unterhaltsrückstands für die Zeit vom Februar 2002 bis Juni 2002 und verpflichtete den Beklagten zu einem monatlichen Unterhalt von 300 EUR für die Zeit vom 1. 12. 2002 bis 30. 6. 2004 sowie von 360 EUR ab 1. 7. 2004. Die Mehrbegehren wurden abgewiesen.

Das Berufungsgericht traf nach Beweiswiederholung (durch Verlesung des Akteninhalts) zum Beweisthema der Motivation der Klägerin für die Aufnahme einer Beschäftigung eine gegenüber der Feststellung des Erstgerichts abweichende Feststellung dahin, dass die Motivation der Klägerin zur Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung als Lehrerin den durch die Scheidung entstandenen finanziellen Engpass und die Unterhaltsverletzung des Beklagten zur Grundlage gehabt habe. Der Beklagte habe trotz wiederholter Aufforderungen für die Zeit von Februar 2002 bis Juni 2002 sowie ab 1. 12. 2002 keinen Unterhalt bezahlt. Der Unterhalt für die vier Kinder sei nicht in der im Unterhaltsvergleich festgelegten Höhe geleistet worden. Nach der Scheidung der Ehe der Eltern stehe die alleinige Obsorge für die vier Kinder (geboren am 21. 3. 1996, 30. 6. 1997 und die beiden Zwillinge am 13. 8. 1999) der Mutter alleine zu.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Unterhaltspflicht des § 66 EheG nur insoweit bestehe, als der andere Ehegatte diesen Unterhalt nicht durch Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit selbst decken könne. Für die Unterhaltsbemessung hätten weitgehend dieselben Grundsätze Geltung wie für den Unterhalt nach § 94 ABGB. Zu dieser Gesetzesstelle werde in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass eigenes Einkommen, das nur wegen der durch Unterhaltsverletzung entstandenen Not erworben werde, außer Betracht bleibe. Daher habe hier das Einkommen der Klägerin aus ihrer Lehrertätigkeit unberücksichtigt zu bleiben, weil ihr eine Beschäftigung aufgrund der vier Sorgepflichten für die Kinder unzumutbar gewesen sei und sie die Beschäftigung aus einer finanziellen Notlage heraus aufgenommen habe. Unterhaltsmindernd sei allerdings die von der Klägerin bezogene Notstandshilfe zu berücksichtigen. Bei Anwendung der Prozesskomponente (33 % minus 16 % für die Sorgepflichten der Kinder = 17 %) finde der begehrte monatliche Unterhalt von 300 EUR im festgestellten vom Beklagten erzielbaren monatlichen Einkommen Deckung. Für die Zeit vom 1. 12. 2002 bis 30. 6. 2004 sei von der im Unterhaltsvergleich festgelegten Bemessungsgrundlage und den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts zum Einkommen des Beklagten auszugehen. Ab 1. 7. 2004 sei das in Österreich erzielbare Erwerbseinkommen von EUR 2.128 der Entscheidung zugrunde zu legen. Dass der Beklagte im Herbst 2004 kurzfristig über drei Monate ein etwas höheres Einkommen von 2.232 EUR monatlich erzielt habe, könne außer Betracht bleiben. Zu einer Unterbrechung des Anspannungszeitraums komme es wegen der kurzfristigen Arbeit aber nicht. Ein maßstabgerechter bonus pater familias hätte bei fünf Sorgepflichten die hervorragenden Arbeitsplatzaussichten in Österreich genutzt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Berücksichtigung des Einkommens des Unterhaltsberechtigten, das nur aus einer durch Unterhaltsverletzung entstandenen Not erzielt worden sei, im Rahmen des § 66 EheG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht erkannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

I. Zur Nichtanrechnung des Eigeneinkommens des geschiedenen Ehegatten:

1. Der den Haushalt führende Ehegatte hat gegenüber dem anderen nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft gemäß § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB Anspruch auf Geldunterhalt. Ziel der Regelung ist der unterhaltsrechtliche Schutz des Ehegatten, der nach jahrelanger Haushaltsführung vom Ehegatten verlassen wird. Vom Verlassenen soll nicht verlangt werden, dass er nach der Haushaltstrennung nunmehr selbst durch Erwerbstätigkeit für seinen Unterhalt sorgt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz wurde ein eigenes Einkommen, das ein Eheteil nur aufgrund der durch eine Unterhaltsverletzung des anderen entstandenen Not erwarb, außer Betracht gelassen, weil es im Falle einer Unterhaltsleistung wieder wegfällt. Diese Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof ausdrücklich gebilligt (4 Ob 2019/96g = SZ 69/129). Versucht der Unterhaltsberechtigte daher aus eigener Kraft, seiner vom Ehegatten verschuldeten prekären finanziellen Situation durch eine Berufstätigkeit zu entrinnen, so darf er bei der Unterhaltsbemessung nicht schlechter gestellt werden, als wäre er einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen. Demnach ist sein Arbeitseinkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen (1 Ob 108/01s = JBl 2002, 449). Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach § 66 EheG angewendet und dazu die - allerdings nicht näher begründete - Ansicht Stabentheiners (in Rummel ABGB³ Rz 2 zu § 66 EheG) ins Treffen geführt. Die gleiche Ansicht vertreten offenbar auch Hopf/Kathrein Eherecht² Anm 6 zu § 66 EheG unter Hinweis auf eine mit dem EheRwG, BGBl 1975/412, weitgehend erfolgten Annäherung des Unterhaltsrechts während aufrechter Ehe an § 66 EheG. Gegen diese Gleichstellung in der Frage der Nichtberücksichtigung des Eigeneinkommens des unterhaltsberechtigten Ehegatten für den Fall der Erwerbstätigkeit aus dem Grund der vom Unterhaltsverpflichteten verschuldeten Not vermag der Revisionswerber keine triftigen Gründe ins Treffen zu führen. Grundsätzlich sind nach beiden Gesetzesstellen Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Die Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten muss aber zumutbar sein (§ 66 EheG: „...die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann"). Eine eigene Erwerbstätigkeit der Klägerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses der Unterhaltsvereinbarung am 30. 1. 2002 im Hinblick auf die vier Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren nicht zumutbar. An der fehlenden Zumutbarkeit wegen der notwendigen Betreuung der Kinder hat sich seither auch nichts geändert. Gegenteiliges wird vom Revisionswerber auch nicht behauptet. Unter Berücksichtigung der Zahl der Kinder und ihres Alters bedürfte ein Verweis auf eine allfällige Teilzeitbeschäftigung der Mutter jedenfalls einer besonderen Begründung.

2. Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht zutreffend den Grund für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Klägerin in der Unterhaltsverletzung des Beklagten erblickt und ohne nähere Feststellungen den Fall der Not bejaht. Das entsprechende Motiv der Klägerin wurde vom Berufungsgericht als nicht revisible Tatfrage festgestellt. Dass nur ein durch die Unterhaltsverletzung entstandener „finanzieller Engpass" festgestellt wurde, schadet nicht, weil zumindest im Revisionsverfahren unstrittig feststeht, dass die Klägerin keinerlei sonstigen Einkünfte hatte und auf fremde Hilfe (ihrer Eltern) angewiesen war. Not im Sinne des Unterhaltsrechts ist dann gegeben, wenn das Existenzminimum im Sinne des Ausgleichszulagenrichtsatzes nicht erreicht wird (2 Ob 99/98p). Finanzielle Zuwendungen Dritter vermögen den Unterhaltspflichtigen keineswegs zu entlasten. Bei dieser Sachlage bedeutete es einen nicht begründbaren Wertungswiderspruch zur Spruchpraxis beim Ehegattenunterhalt nach § 94 EheG, dem Eigeneinkommen des nach § 66 EheG unterhaltsberechtigten Ehegatten, das dieser nur aus Not wegen Unterhaltsverletzungen des anderen Ehegatten erzielen muss, unterhaltsmindernden Charakter zuzuerkennen. Bei Richtigkeit der Rechtsmeinung des Revisionswerbers hätten es Unterhaltsschuldner in der Hand, durch längerfristige Unterhaltsverweigerung den Unterhaltsberechtigten zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit zu zwingen und sich solcherart der Unterhaltsverpflichtung zu entziehen. Die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung liegt auf der Hand. Nach § 66 EheG sind nur solche Eigeneinkünfte unterhaltsmindernd, die aus zumutbarer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten stammen.

II. Zur durchgehenden Anwendung einer fiktiven Bemessungsgrundlage nach der sogenannten Anspannungstheorie trotz zwischenzeitiger kurzfristiger Erzielung eines Einkommens durch den unterhaltspflichtigen Beklagten:

Der Revisionswerber strebt eine Reduzierung seiner Unterhaltspflicht unter Berücksichtigung eines Zeitraums von drei bis vier Monaten für die Arbeitsplatzsuche nach Beendigung seines Probedienstverhältnisses in Deutschland an. Das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis ist jedoch nach den festgestellten Umständen des vorliegenden Einzelfalls nicht zu beanstanden. Der Revisionswerber übersieht die zu seinen Lasten gehenden Feststellungen des Erstgerichts, dass auf dem allgemeinen deutschen Arbeitsmarkt, insbesondere den Berliner Arbeitsmarkt, für Fachkräfte mit der Qualifikation des Beklagten keine Chancen auf einen Arbeitsplatz bestanden, wohl aber in Österreich, wo der Beklagte zumindest ab 1. 12. 2002 ein monatliches Nettoeinkommen von etwas mehr als 2.000 EUR erzielen hätte können. Bei einer ihm obliegenden realistischen Einschätzung der Arbeitsmarktlage hätte er sich in Deutschland gar nicht um einen Arbeitsplatz bemühen dürfen, wenn nicht auch dort ein einigermaßen sicheres längerfristiges Arbeitsverhältnis zu erwarten gewesen wäre. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige hat die unterschiedlichen Chancen auf einen Arbeitsplatz in Deutschland und in Österreich mit den in Deutschland weit höheren Anforderungsprofilen begründet. Bei einem solchen Sachverhalt war das Scheitern des nur auf Probe abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses des Beklagten in Deutschland geradezu vorhersehbar. Die Änderung einer der sogenannten Umstandsklausel unterliegenden Unterhaltsverpflichtung der Höhe nach setzt stets eine relevante, also wesentliche Änderung der Verhältnisse voraus (RIS-Justiz RS0018984). Von einer solchen könnte aber nur dann gesprochen werden, wenn der Beklagte - wie ausgeführt - in Deutschland mit einem längerfristigen Dienstverhältnis rechnen hätte können oder aber auf längere Zeit entgegen den allgemeinen Erwartungen gefunden hätte. Mit dem Hinweis des Revisionswerbers auf seinen Aufenthalt in Deutschland seit der Scheidung im Jahr 2002 spricht er das Problem an, ob einem Unterhaltsschuldner eine Wohnsitzverlegung zugemutet werden kann, mit der allein er in die Lage versetzt wird, einen Arbeitsplatz zu finden, der die Erfüllung der Unterhaltspflichten ermöglicht. Es ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall eine Wohnsitzverlegung grundsätzlich als zumutbar beurteilt werden kann, weil auch ein pflichtbewusster Familienvater im Interesse der von ihm abhängigen Unterhaltsberechtigten bei den hier festgestellten besonderen Verhältnissen dazu bereit gewesen wäre. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der Unterhaltsschuldner in sein Heimatland, also in gewohnte Verhältnisse zurückkehren müsste, wo er bis zur Scheidung im Jahr 2002 mit der Frau und den vier Kindern seinen Wohnsitz hatte. Zum Anspannungsgrundsatz - wenn auch für den umgekehrten Fall eines österreichischen Unterhaltsberechtigten mit abgeschlossener Berufsausbildung und zur Frage seiner Selbsterhaltungsfähigkeit - wurde schon ausgesprochen, dass sich die Stellensuche nicht auf ein eng begrenztes Gebiet beschränken dürfe und dass diese auf benachbarte EU-Länder mit der dort gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer auszudehnen sei (3 Ob 7/97v = SZ 70/36). In der modernen Arbeitswelt ist immer mehr eine Flexibilität der Arbeitnehmer zur Voraussetzung der Erhaltung des Lebensstandards geworden. Dies umfasst auch die Wohnsitzverlegung zur Erhaltung oder Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses. Auf den gewohnten Lebensstandard kann ein Arbeitnehmer zwar verzichten, gerade diese Möglichkeit steht aber einem Unterhaltspflichtigen nicht uneingeschränkt offen, hat er sich doch nach Kräften zu bemühen (vgl § 140 ABGB), seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommen zu können. Die Unterhaltspflicht gestattete dem Unterhaltsschuldner nur bei besonders berücksichtigungswerten Gründen die Aufrechterhaltung des Wohnsitzes in Deutschland in Kenntnis des Umstands, dass dort eine den Fähigkeiten des Unterhaltsschuldners entsprechende Arbeitsmöglichkeit nicht besteht. Solche ausreichenden berücksichtigungswürdigen Umstände (vgl RS0047599) zeigt der Revisionswerber aber gar nicht auf. Wenn er früher seinen Wohnsitz mit seiner Familie in Österreich hatte und in Deutschland arbeitete, müssten nun besondere Gründe dagegen sprechen, weshalb er nicht in Deutschland (mit seiner Lebensgefährtin) leben, in Österreich aber arbeiten könnte. Mangels entsprechender Revisionsausführungen zu diesem Thema ist daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu billigen, dass bei der Unterhaltsbemessung in Anwendung des Anspannungsgrundsatzes auf die in Österreich erzielbaren Einkünfte abzustellen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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