OGH 6Ob309/58

OGH6Ob309/583.12.1958

SZ 31/150

Normen

ABGB §1284
ABGB §1419
ABGB §§1431 ff
ABGB §1284
ABGB §1419
ABGB §§1431 ff

 

Spruch:

Nimmt der Ausgedingsberechtigte die vereinbarten Ausgedingsleistungen grundlos nicht an, so steht ihm kein Bereicherungsanspruch gegen den Ausgedingsverpflichteten zu.

Entscheidung vom 3. Dezember 1958, 6 Ob 309/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Tulln; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Auf Grund des Übergabsvertrages vom 9. August 1955 ist die Beklagte zur ungeteilten Hand mit ihrem Ehegatten verpflichtet, der Klägerin bestimmte Ausgedingsleistungen in natura zu erbringen und ein wöchentliches Taschengeld von 20 S zu zahlen. Eine Geldrente für den Fall des "Unvergleiches" wurde nicht vereinbart.

Die Klägerin brachte vor sie sei infolge von Zerwürfnissen mit der Beklagten genötigt gewesen, das Haus zu verlassen. Sie sei daher berechtigt, die Ablösung des Naturalausgedinges in Geld zu verlangen. Überdies sei ihr seit 1. Juli 1957 das wöchentliche Taschengeld nicht gezahlt worden. An rückständigem Taschengeld seien 660 S aufgelaufen. An Stelle der Verpflegung in natura gebühre ein Kostenäquivalent von 15 S pro Tag, das ist für die Zeit vom 30. Juni 1957 bis 12. Februar 195S 3420 S, zusammen daher ein Betrag von 4080 S. Davon seien 831 S 18 g in Abzug zu bringen, die seitens der Beklagten bzw. ihres Ehemannes für Rechnung der Klägerin bezahlt wurden, womit sich die Schuld der Beklagten auf 3248 S 82 g verringere.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe grundlos das Naturalausgedinge nicht in Anspruch genommen.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Bezahlung eines Betrages von 1662 S 32 g s. A. und wies das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 1624 S 41 g s. A. ab. Die Kosten wurden gegenseitig aufgehoben. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes gab es zwar zwischen den Streitteilen Differenzen, die jedoch nicht so weit gediehen waren, daß etwa der Klägerin das weitere Verbleiben im Haushalt der Beklagten und ihres Ehemannes billigerweise nicht mehr zugemutet werden könnte. Es liege daher kein "Unvergleichsfall" vor. Es sei Annahmeverzug der Klägerin gemäß § 1419 ABGB. gegeben. Doch könnten die Folgen dieser Gesetzesstelle nicht so weit reichen, daß die Klägerin ihrer Ansprüche aus dem Übergabsvertrag völlig verlustig würde. Es müsse in analoger Anwendung der §§ 921 und 1447 ABGB. hier im Sinne der Entscheidung EvBl. 1954 Nr. 189 der Grundsatz gelten, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen einen Gewinn ziehen solle. Die Beklagte könne daher mit Recht zur Herausgabe dessen verhalten werden, was sie sich dadurch erspart habe, daß sie der Klägerin die ihr auf Grund des Übergabsvertrages zustehende Verpflegung nicht erbracht habe. Da im Hinblick auf den Unterhaltscharakter des Ausgedinges eine Erbringung von Naturalleistungen im nachhinein keinen Sinn habe, müsse der Klägerin zugebilligt werden, ihren Anspruch in Form von Geldzahlungen geltend machen zu können. Das Ersparnis wurde vom Erstgericht auf Grund eines Sachverständigengutachtens mit 11 S täglich veranschlagt, woraus sich bei Berücksichtigung der Taschengeldforderung der Klägerin, der geleisteten Zahlung in der Höhe von 831 S 18 g und eines weiteren, nach den getroffenen Feststellungen gemäß Vereinbarung der Parteien auf das Taschengeld zu verrechnenden, gleichfalls für Rechnung der Klägerin bezahlten Betrages von 297 S 50 g der vom Erstgericht zugesprochene Betrag ergibt.

Das Ersturteil blieb in Ansehung der Abweisung des Mehrbegehrens unangefochten. Über Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Urteils änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren kostenpflichtig abwies. Es sei von der Feststellung auszugehen, daß ein "Unvergleichsfall" nicht vorliege und die Klägerin im Annahmeverzug sei. Streitentscheidend sei daher die Frage, ob in einem solchen Fall die Bestimmungen der §§ 921 und 1447 ABGB. im Sinne der vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung analog angewendet werden könnten. Dies sei - entgegen der Entscheidung EvBl. 1954 Nr. 189 - zu verneinen. Es müsse vom Unterhaltscharakter des Ausgedinges ausgegangen werden. Der Unterhaltsberechtigte, welcher den ihm angebotenen Naturalunterhalt nicht annehme, könne infolge des Grundsatzes "pro praeterito nemo alitur" im nachhinein keine Geldforderung erheben. Der zur Unterhaltsleistung in natura Verpflichtete sei nicht gehalten, statt dessen eine Geldleistung zu erbringen, wenn ihn der Unterhaltsberechtigte grundlos verlasse. Die Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall sei weit zutreffender als die der Bestimmungen der §§ 1447 und 921 ABGB. Der § 1447 ABGB. gelte bei zufälliger Unmöglichkeit der Erfüllung, nicht aber bei Vertragsvereitlung. Diese gesetzliche Bestimmung verpflichte nur zur Rückgabe des Erhaltenen, nicht aber zur Herausgabe des "stellvertretenden commodum". § 921 ABGB. gelte wohl auch bei Vertragsvereitlung, normiere aber gleichfalls nur eine Rückstellung des Empfangenen. Im übrigen könne mit Rücksicht auf den Unterhaltscharakter des Ausgedinges auch nicht etwa aus den im § 7 ABGB. angeführten natürlichen Rechtsgrundsätzen für den vorliegenden Fall eine Verpflichtung zur Leistung einer Geldrente statt des Naturalausgedinges abgeleitet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es muß von der Feststellung der Untergerichte ausgegangen werden, daß ein Unvergleichsfall (2 Ob 550/55, s. auch ÖJZ. 1956 S. 564) nicht gegeben und daß die Klägerin gemäß § 1419 ABGB. in Annahmeverzug geraten ist. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (2 Ob 38/55, 2 Ob 550/55, 2 Ob 205/56, 7 Ob 186/57, 1 Ob 343/57 u. a.), könnte ein Ausgedingsberechtigter mangels Vereinbarung einer wahlweisen Forderung den Unterhalt statt in natura in Geld nur dann in Anspruch nehmen, wenn er vom Ausgedingspflichtigen schlecht behandelt, mißhandelt oder vernachlässigt worden wäre und ihm das weitere Verbleiben im Haushalt des Ausgedingsverpflichteten billigerweise nicht mehr zugemutet werden könnte, wenn also ein sogenannter "Unvergleich" vorläge, was hier nicht zutrifft.

Die Auffassung des Erstgerichtes, daß die Klägerin trotzdem für die Zeit ihres Verzuges Anspruch, und zwar auf Geldleistung, habe, stützt sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1954 Nr. 189, auf welche jedoch die vorstehend angeführten, später ergangenen Entscheidungen keinen Bezug mehr genommen haben. Der Oberste Gerichtshof ist auch neuerdings in 1 Ob 144/58 bei Verneinung des sogenannten Unvergleichsfalles nicht auf die sohin vereinzelt gebliebene Entscheidung EvBl. 1954 Nr. 189 eingegangen. Schon daraus ergibt sich, daß die Auffassung einer analogen Anwendbarkeit der §§ 921 und 1447 ABGB. auf Fälle des Gläubigerverzuges des Ausgedingsberechtigten, wie hier, nicht aufrechterhalten worden ist. Im übrigen hat sich das Berufungsgericht eingehend und ausführlich mit der hier in Betracht kommenden Rechtsfrage auseinandergesetzt und unter Hervorhebung des Schrifttums überzeugend begrundet, warum aus den §§ 921 und 1447 ABGB. die Herausgabe des "commodum" nicht abgeleitet werden kann. Es bestehen keine Bedenken, dieser Auffassung beizutreten. Denn wie schon im angefochtenen Urteil hervorgehoben wurde, dürfen der Unterhaltscharakter des Ausgedinges und der Umstand nicht übersehen werden, daß es sich hier um eine Dauerschuld handelt. § 1447 ABGB. aber bezieht sich nur auf den zufälligen Untergang bzw. die zufällige Unmöglichkeit der Leistung, nicht aber auf die verschuldete Unmöglichkeit (SZ. XIX 58, EvBl. 1954 Nr. 132, RiZ. 1956 S. 62, 1 Ob 377/57, 3 Ob 404/57 u. a.; s. ferner Pisko - Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 548 ff.). § 921 ABGB. gilt wohl auch bei Vertragsvereitlung. Er normiert aber, so wie § 1447 ABGB., nur die Herausgabe des Empfangenen (Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 492). Würde man die Auffassung der Entscheidung EvBl. 1954 Nr. 189 über die Verpflichtung zur Leistung eines "commodum" aufrechterhalten, stunde es jedem Ausnehmer frei, den übergebenen Hof zu verlassen und den Übernehmer mit einer Geldverpflichtung zu belasten, was mit dem Unterhaltscharakter des Ausgedinges und mit der Vertragstreue nicht in Einklang gebracht werden könnte. Die Gewährung der Kost über den Tisch und des gesamten Unterhaltes im Familienverband verursacht weit geringere Kosten, als wenn dafür ein Geldbetrag bezahlt werden muß, gleichgültig ob es sich um einen bäuerlichen oder um einen anderen Haushalt handelt. Ein unbegrundeter Annahmeverzug des Auszüglers könnte demnach zur faktischen Legalisierung willkürlicher Vertragsbrüche führen. Die hier verlangte Kosttangente stellt in Wahrheit ein Begehren auf Schadenersatz dar, dem mangels des hiefür erforderlichen Verschuldens (§ 1295 ABGB.) die Grundlage fehlt. Einen allgemeinen Bereicherungsanspruch sieht das österreichische Recht nicht vor, die Voraussetzungen der §§ 1041, 1431 bis 1435 ABGB. sind nicht gegeben.

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