Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
"Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei den klagenden Parteien für den finanziellen Mehraufwand hafte, der ihnen durch die Erkrankung ihres am 5. 11. 1995 geborenen Sohnes an Morbus Niemann‑Pick künftig entstehen werde, wird abgewiesen."
Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei je zur Hälfte die allen Instanzen mit insgesamt 13.760,26 EUR (darin enthalten 1.943,39 EUR USt und 2.099,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der am 5. 11. 1995 geborene Sohn der Klägerin namens Patrick leidet an Morbus Niemann‑Pick des Typs A‑B, einer genetisch bedingten Lipidspeicherkrankheit mit einem autosomal rezessiven Erbgang auf Grundlage einer Genmutation. Sie äußert sich in einem Enzymmangel insbesondere in den Zellen von Leber, Milz, Lunge, Augen und Nervensystem und bewirkt, dass Fett im Körper nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt werden kann. Dadurch vergrößern sich die inneren Organe. Es entsteht Kleinwüchsigkeit und geistige Zurückgebliebenheit. Es kommt zu einer verkürzten Lebenserwartung und zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, weil das Immunsystem beeinträchtigt ist. Bei Patrick wurde das Vorliegen dieser Erkrankung anlässlich eines Spitalaufenthaltes im Juli 1996 festgestellt, wovon der Hausarzt der Erstklägerin am 15. 10. 1996 verständigt wurde, der seinerseits die Erstklägerin bei deren nächsten Besuch in der Ordination hierüber informierte. Das Kind hatte als Fünfjähriger die Körpergröße eines Zweijährigen. Er hat eine Muskelschwäche, ist also sehr klein. Wenn es ihm körperlich gut geht, besucht er den Kindergarten. Er kann gehen und sprechen, kann sich aber infolge seines dicken Bauches, der durch die Vergrößerung der inneren Organe hervorgerufen wurde, nicht bücken. Er muss also zur Gänze an- und ausgekleidet werden. Er ist deshalb auch inkontinent. Infolge seiner Gestalt, insbesondere wegen des dicken Bauches, stolpert und stützt er oft. Seine Pflege ist gegenüber der eines gesunden Gleichaltrigen intensiver und kostenaufwändiger. Er muss fettarme, kolesterinarme Diät halten. Die Milz ist schwer geschädigt. Mit der Notwendigkeit einer Milzentfernung wird gerechnet. Er benötigt Medikamente und muss ständig inhalieren. Mehrmals in der Woche muss er einen Arzt aufsuchen. In der Nacht bekommt er fallweise keine Luft, sodass die Erstklägerin drei- oder viermal aufstehen muss.
Die Kläger leiden selbst nicht an Morbus Niemann‑Pick. Die 1977 geborene Schwester und der 1982 geborene Bruder der 1974 geborenen Erstklägerin sind jedoch daran erkrankt. Die Erstklägerin konnte den Verlauf der Krankheit an ihren Geschwistern beobachten. Die Kläger haben zwei gesunde, am 3. 6. 1991 und 16. 2. 1994 geborene Kinder.
Im Krankenhaus liegt ein Ambulanzblatt der Erstklägerin auf, dessen älteste Eintragung vom 14. 11. 1992 stammt. Sie war bereits während der Schwangerschaft und aus Anlass der Geburt ihres 1994 geborenen Kindes mehrmals in ambulanter und stationärer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten. In ihrem Ambulanzblatt wurde am 13. 1. 1994 das Auftreten der Erkankung Morbus Niemann‑Pick in ihrer Familie vermerkt. Das Ambulanzblatt wird bei jeder ambulanter Untersuchung des Patienten dem Arzt vorgelegt. Anlässlich der zweiten Schwangerschaft wurde dieser Hinweis vom damaligen Hausarzt der Erstklägerin im Mutter‑Kind‑Pass in der Spalte "Auffälligkeiten in der Familie" vermerkt, der ihr empfahl, das Problem mit dem Primararzt im Krankenhaus der Beklagten, Dr. T*****, zu besprechen. Das Gespräch mit diesem fand am 13. 1. 1994 statt. Die Erstklägerin teile ihm mit, dass in ihrer Familie die Krankheit genannte aufgetreten und ein Kind ihrer Schwester erst kürzlich verstorben sei. Sie habe Angst, dass auch ihr Kind an dieser Krankheit leiden werde. Dr. T***** beruhigte sie und erklärte ihr, ihr Kind sei gesund. Ihm war die Krankheit bekannt und er wusste, dass es sich um eine schwere Stoffwechselerkrankung handelt. Dass das Auftreten der Krankheit pränatal feststellbar war, wusste er 1994 nicht. Im Ambulanzblatt ist diese Untersuchung vermerkt. Unter anderem wird dort ausgeführt: ".... laut Angaben der Patientin sei das ein Tag alte, angeblich am Termin geborene Kind der Schwester an einer angeborenen Stoffwechselerkrankung vor Kurzem gestorben. Familiär ist ein Morbus Niemann‑Pick bekannt. In Anbetracht der familiären Belastung Kontrolluntersuchung hier am 8. 2. 1994 ....". Im Geburtsprotokoll über die Geburt des zweiten Kindes der Kläger wurde von der Hebamme in der Spalte "Familienanamnese, Erbkrankheiten" handschriftlich festgehalten"Stoffwechselerkrankung Morbus Niemann‑Pick".
Am 6. 4. 1995 ließ sich die Erstklägerin wiederum im Krankenhaus der Beklagten untersuchen, weil sie glaubte, schwanger zu sein. Der sie untersuchende Arzt stellte eine Schwangerschaft in der zehnten oder elften Woche fest und empfahl eine Kontrolle in einem Monat. Auf Ersuchen der Erstklägerin wurde eine Termin bei Primar Dr. T***** vereinbart. Von der Untersuchung wurde der nunmehrige Hausarzt der Erstklägerin Dr. K***** verständigt, der die Klägerin am 19. 4. 1995 untersuchte und ihr einen Mutter‑Kind‑Pass übergab. Als die Erstklägerin am 5. 5. 1995 abermals die Ambulanz des Krankenhauses der Beklagten aufsuchte, wurde sie nicht vom Primararzt, sondern vom Spitalsarzt Dr. R***** untersucht. Die Erstklägerin, die mit der Primararzt über die Erkrankung in ihrer Familie sprechen hätte wollen, erklärte nun Dr. R*****, dass das Leiden Morbus Niemann‑Pick in ihrer Familie aufgetreten sei und dass zwei Geschwister daran erkrankt seien. Sie fragte ihn, ob es durch eine Fruchtwasseruntersuchung möglich sei, festzustellen, ob das erwartete Kind an Morbus Niemann‑Pick erkrankt sei. Dr. R***** erklärte seiner Meinung entsprechend, dass Stoffwechselerkrankungen durch Fruchtwasseruntersuchungen nicht nachweisbar seien, dass man aber durch Ultraschalluntersuchungen erkennen könne, wenn etwas mit dem Kind nicht in Ordnung sei. Er wusste von der Existenz der Krankheit Niemann‑Pick. Er wusste auch, dass sie sehr selten auftritt. Er errechnete den Geburtstermin mit 4. 11. 1995 und trug diesen im Mutter‑Kind‑Pass ein. Auf den vorangehenden Seiten des Mutter‑Kind‑Passes sind Eintragungen der Anamnese der werdenden Mutter vorgesehen. Hier ist in der Spalte "Auffälligkeiten in der Familie" "Morbus Niemann‑Pick" eingetragen. Ob diese Eintragung durch eine Assistentin des Dr. R***** und ob sie in dessen Gegenwart erfolgt ist, kann nicht festgestellt werden.
Die Erstklägerin suchte die Ambulanz des Krankenhauses der Beklagten noch am 9. 5., 23. 5., 20. 6., 10. 8., 28. 9., 24. 10. und 31. 10. 1995 zwecks Kontrolluntersuchungen auf. Mit Ausnahme jener am 6. 4. und 24. 10. 1995 wurden sämtliche Untersuchungen von Dr. R***** vorgenommen. In den Mutter‑Kind‑Pass wurden die Untersuchungen vom 5. 5., 23. 5., 20. 6., 10. 8., 28. 9. und 24. 10. 1995 eingetragen. Wäre im Zeitpunkt dieser Untersuchungen die Anamnese der werdenden Mutter auf den vorangegangenen Seiten noch nicht ausgefüllt gewesen, wäre dies nachgeholt worden. Bei den Untersuchungen durch Dr. R***** stellte die Erstklägerin immer wieder die Frage, ob mit dem Kind alles in Ordnung sei. Dr. R*****, der bei jedem Termin eine Ultraschalluntersuchung vornahm, bestätigte dies. In der Zeit vom 9. 5. bis 13. 5. 1995 war die Erstklägerin in stationärer Behandlung, weil Blutungen aufgetreten waren.
Im Geburtsprotokoll über die Geburt von Patrick ist bei der Anamnese der Mutter in der Spalte "Besonderheiten, Risken" festgehalten: ".... Bruder und Schwester Morbus Niemann‑Pick (Leber- und Milzvergrößerung)". In der Spalte "Familienamnamese" wurde eingetragen "Stoffwechselerkrankungen von Bruder und Schwester". In den ersten zwei Monaten nach der Geburt war das Gewicht von Patrick unauffällig, weil er sehr groß geboren wurde. Im dritten Lebensmonat verlor er an Gewicht und wurde im Krankenhaus der Beklagten stationär aufgenommen. In der Folge waren mehrere stationäre Aufenthalte erforderlich.
Hätte die Erstklägerin während der Schwangerschaft gewusst, dass dieses Kind an der Erkrankung Niemann‑Pick leiden werde, hätte sie die Schwangerschaft unterbrochen.
Schon 1995 bestand eine pränatale humangenetische Beratungsstelle an der Universitätsklinik Innsbruck, an die Patienten von behandelnden Ärzten verwiesen wurden, wenn sie auf eine Erkrankung an Niemann‑Pick in ihrer Familie hinwiesen und eine pränatale Abklärung wünschten. 1995 konnte Morbus Niemann‑Pick des Typs A‑B durch die Methode der Amniozentese oder der Chorionzottenbiopsie feststellt werden. Bei beiden Methoden wird Gewebe entnommen und in Schwerpunktkrankenhäusern untersucht. Bei der Gewebeentnahme besteht ein Abortusrisiko von 1 %. Wäre 1995 der genetischen Beratungsstelle in Innsbruck die Frage der pränatalen Feststellung dieser Erkrankung vorgelegt worden - sei es durch die Patientin selbst oder durch ein Krankenhaus - wäre die Patientin entweder an ein Institut in Tübingen oder in Lyon weitergeleitet worden. Beide Institute hatten 1995 Erfahrung in der Untersuchung seltener Stoffwechselerkrankungen. Es wäre dort 1995 möglich gewesen, die Erkrankung an Morbus Niemann‑Pick des Typs A‑B pränatal festzustellen, wozu ein Zeitaufwand von ein bis zwei Wochen erforderlich gewesen wäre.
Anfang 1999 wurde bei der Erstklägerin erneut eine Schwangerschaft festgestellt. Sie wandte sich nun an die genetische Beratungsstelle in Innsbruck und ließ eine Chorionzottenbiopsie in der Risikoambulanz der Frauenklinik der Universität Innsbruck durchführen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung war davon auszugehen, dass auch das nun erwartete Kind an Morbus Niemann‑Pick erkrankt sein werde. Die Erstklägerin ließ daher die Schwangerschaft abbrechen. Anlässlich dieser Ereignisse wurde ihr bewusst, dass eine pränatale Diagnose der Erkrankung Patricks möglich gewesen wäre.
Mit ihrer am 15. 10. 1999 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Feststellung der Haftung des Beklagten für ihren aus der Erkrankung ihres Sohnes Patrick in Hinkunft entstehenden finanziellen Mehraufwand. Die krankhafte Veranlagung des Kindes hätte schon 1995 pränatal durch eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Chorionzottenbiopsie festgestellt werden können. Den Ärzten der Beklagten sei infolge der Hinweise der Erstklägerin, des entsprechenden Vermerks im Mutter‑Kind‑Pass und den Aufzeichnungen der Beklagten das Auftreten dieser Erbkrankheit in der Familie der Erstklägerin bekannt gewesen. Die Erstklägerin habe sich wiederholt erkundigt, ob es möglich sei, die Erkrankung vorgeburtlich festzustellen. Dennoch habe sie keiner der behandelnden Ärzte auf die bestehenden Möglichkeiten einer vorgeburtlichen Diagnostik hingewiesen. Durch dieses Verhalten hätten die Ärzte ihre Aufklärungspflicht, die sich aus dem Behandlungsvertrag ergebe sowie ihre Verpflichtung zur fachgerechten Behandlung verletzt. Der im Fall der Kenntnis der Erkrankung durchgeführte Schwangerschaftsabbruch wäre gemäß § 97 Abs 1 Z 2 StGB nicht rechtswidrig gewesen. Der Zweitkläger sei vom Schutzbereich des zwischen der Erstklägerin und dem Beklagten geschlossen Behandlungsvertrages erfasst und sei wie die Erstklägerin berechtigt, den ihm im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Krankheit des Kindes entstehenden Mehraufwand geltend zu machen. Die Erstklägerin habe frühestens Ende Oktober 1996 vom Vorliegen der Krankheit des Kindes erfahren. Die Betreuung des Kindes bedürfe schon jetzt eines beträchtlichen Mehraufwandes an Pflege und erfordere höhere finanzielle Auslagen. Bei Fortschreiten der Krankheit werde sich der Mehrbedarf noch steigern. Der Mehraufwand sei von beiden Klägern zu bestreiten, sodass beide ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hätten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei unrichtig, dass die Erstklägerin den Wunsch nach einer näheren Abklärung des Risikos der Geburt eines an Morbus Niemann‑Pick erkrankten Kindes geäußert habe. Eine solche Untersuchung sei im Übrigen riskant gewesen. 1994 sei eine pränatale Diagnostik der Erkrankung nur eingeschränkt möglich gewesen. Eine pränatale Voruntersuchung sei nur bei bekannter beidseitig familiärer Vorbelastung mit Morbus Niemann‑Pick des Typs A oder B und nur dann durchführbar gewesen, wenn die Gensequenzen aus der Familiengeschichte bekannt gewesen seien. Derartige Testverfahren seien zum Zeitpunkt der Schwangerschaft der Erstklägerin auch nicht Stand der Wissenschaft gewesen. Zur Vererbung der Erkrankung sei notwendig, dass beide Eltern zumindest in einem Allel das defekte Gen tragen. Selbst wenn demnach die Erstklägerin im Krankenhaus erzählt hätte, dass einer ihrer Verwandten an dieser Erkrankung leide, hätte sich noch nicht der Verdacht ergeben, dass ihr Kind ebenfalls diese Erkrankung haben könnte. Wenn ein Elternteil nicht Träger des defekten Genes sei, könne sich die Krankheit nicht entwickeln, sondern es sei das Kind allenfalls nur Träger des defekten Gens. Ein Schwangerschaftsabruck nach § 97 StGB sei lediglich ein Strafausschließungsgrund. Es sei nicht Aufgabe des Arztes, über die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches zu beraten, sofern dieser nicht indiziert sei, um die Schwangere selbst vor körperlichen Schaden zu bewahren. § 97 StGB normiere überdies ein Diskriminierungsverbot bei jedem, der an einem Schwangerschaftsabbruch nicht mitwirken oder teilnehmen wolle. Es sei die Aufgabe des den Mutter‑Kind‑Pass ausstellenden Hausarztes gewesen, Risikofaktoren zu besprechen und allenfalls eine weitere genetische Abklärung zu veranlassen. Die Ärzte des Beklagten hätten davon ausgehen können, dass diese Fragen mit dem Hausarzt erörtert worden seien. Die Erstklägerin treffe zumindest ein Mitverschulden, weil sie es unterlassen habe, darauf hinzuweisen, dass sie die Schwangerschaft im Fall einer pränatalen Diagnose des Morbus Niemann‑Pick abbrechen lassen wolle. Im Hinblick darauf, dass sie bereits gesunde Kinder geboren habe und damit die Wahrscheinlichkeit, dass beide Eltern Träger eines defekten Gens seien, eingeschränkt gewesen sei, hätte sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass sie eine nähere Abklärung des Risikos wünsche. Der Zweitkläger sei nicht aktiv legitimiert, weil mit ihm kein Behandlungsvertrag bestanden habe. Zudem werde die Verjährung allfälliger Ansprüche eingewendet.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es ging vom eingangs dargestellten Sachverhalt aus und stellte auch noch fest, dass es 1995 Stand der ärztlichen Kunst gewesen sei, dass eine Patientin, die eine pränatale Abklärung wünschte, an eine pränatale Beratungsstelle verwiesen worden sei. Dr. R***** hätte sich mit der Beratungsstelle für pränatale Diagnostik in Innsbruck in Verbindung setzen müssen, um Kenntnis zu erlangen, ob die Krankheit Morbus Niemann‑Pick pränatal diagnostizierbar sei. Der Arzt habe der der Erstklägerin auf ihre Frage, ob die Erkrankung vorgeburtlich feststellbar sei, eine unrichtige Auskunft gegeben. Eine solche Feststellung sei zwar damals in einer gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses nicht möglich gewesen. Es wäre dem Arzt aber zuzumuten gewesen, die Erstklägerin zur Abklärung dieses von ihr befürchteten Risikos an die hiefür geeignete pränatale Beratungsstelle, deren Einrichtung ihm bekannt gewesen sei, zu überweisen. Für dieses schuldhafte Unterlassen habe der Beklagte, mit dem die Erstklägerin einen Behandlungsvertrag geschlossen habe, gemäß § 1313a ABGB einzustehen. Vom Schutzbereich dieses Vertrages sei auch der Zweitkläger umfasst. Ein Mitverschulden der Erstklägerin dahin, dass sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, im Fall einer pränatalen Diagnose an einen Schwangerschaftsabruch zu denken, sei ihr nicht anzulasten, weil sie aus der Antwort des Arztes auf ihre Frage nach einer pränatalen Abklärung den Schluss habe ziehen müssen, dass eine pränatale Diagnose nicht möglich sei. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 91/99k ausgeführt habe, sei ein Schwangerschaftsabbruch nach § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB nicht rechtswidrig. Es sei nicht notwendig gewesen, über einen Schwangerschaftsabbruch zu beraten, sondern es hätte lediglich den Klägern die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, sich über den tatsächlichen Gesundheitszustand des werdenden Kindes zu informieren. Vor allem hätten die Kläger, sofern die Problematik das Fachwissen eines Gynäkologen überstiegen habe, an eine darauf spezialisierte Untersuchungsstelle überwiesen werden müssen. Der Verjährungseinwand sei unberechtigt, weil nicht auf den Geburtstermin des Kindes, sondern darauf abzustellen sei, wann die Kläger von der Erkrankung und der Möglichkeit einer Diagnose im pränatalen Zustand erfahren hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe gemäß der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 91/99k die Arzthaftung infolge unerwünschter Geburt eines Kindes und auch die Aktivlegitimation des Zweitklägers zu Recht bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Krankenhausträger für das einem Spitalsarzt anzulastende Fehlverhalten einzustehen. Der Arzt habe im Rahmen des Behandlungsvertrages auch die Verpflichtung, über erkennbare Risken für die normale Entwicklung des werdenden Kindes oder bereits erkennbare Schäden aufzuklären, womit zweifelsohne auch der Zweck verbunden sei, der Mutter eine Entscheidungshilfe für oder gegen eine Abtreibung aus medizinischer Sicht zu bieten. Dem Behandlungsvertrag sei auch die Nebenverpflichtung immanent, bei möglicher Erkennbarkeit eines Risikos den Patienten an einen Facharzt oder an die zuständige Fachambulanz an einem Krankenhaus zu überweisen, falls die in Anspruch genommene Ambuanz hiefür nicht kompetent sei, weil die notwendigen Fachärzte oder die erforderlichen ambulatorischen und technischen Einrichtungen fehlten. Die Kläger treffe die volle Beweislast für das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltsverletzung oder Verletzung einer Aufklärungspflicht und für deren Ursächlichkeit für den Schaden, während der Schädiger in den Fällen des § 1298 ABGB - wie hier - zu beweisen habe, dass die Unterlassung bzw die Verletzung der gebotenen Aufklärung für ihn nicht vorwerfbar sei. Dies bedeute, dass die Kläger dafür beweispflichtig seien, dass die dem Ambulanzarzt vorgeworfene Auskunft, dass eine Stoffwechselerkrankung durch eine Fruchtwasseruntersuchung nicht festzustellen sei, nicht dem in Fachkreisen im Jahr 1995 anerkannten medizinischen Standard und dem damals gebotenen Wissensstand entsprochen habe. Insoweit sei den Klägern der Beweis nicht gelungen, zumal auch aus dem Gutachten des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen hervorgehe, dass 1995 Wissensstand gewesen sei, dass bei genetisch indizierten Erkrankungen im Stoffwechselbereich - wozu auch die Erkrankung an Morbus Niemann‑Pick gehöre - eine pränatale Feststellung nicht getroffen werden könne. Die Kläger hätten aber den erforderlichen Beweis einer pflichtwidrigen Unterlassung erbracht, weil der über das Auftreten der Erkrankung in ihrer Familie informierte Spitalsarzt verpflichtet gewesen wäre, die Erstklägerin an die humangenetische Beratungsstelle in Innsbruck zu verweisen. Unter den festgestellten Umständen hätte eine solche Verweisung dem Verhalten gewissenhafter und aufmerksamer Ärzte oder Fachärzte entsprochen. Den Klägern sei auch der Beweis der Ursächlichkeit der unterlassenen Überweisung an die humangenetische Beratungsstelle für die Nichtvornahme des embryopathisch indizierten Schwangerschaftsabbruches gelungen, wäre doch nach den Feststellungen an der Beratungsstelle in Innsbruck eine Chorionzottenbiopsie vorgenommen und die Proben an das Institut in Lyon eingeschickt worden, wo die Stoffwechselerkrankung des werdenden Kindes festgestellt hätte werden können. Dass die Erstklägerin nicht gesondert zu verstehen gegeben habe, dass sie bei entsprechender Diagnose einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehe, begründe kein Mitverschulden, weil der gebotene Verweis an die humangenetische Beratungsstelle von einem solchen Hinweis nicht abhängig sei, sondern erst die Beratungsstelle eine Entscheidungsgrundlage für einen Schwangerschaftsabbruch wegen embryopathischer Indikation herbeiführen solle. Unter Zugrundelegung des festgestellten Unterhaltsmehrbedarfs und der unstrittigen Tatsache, dass die Erkrankung an Morbus Niemann‑Pick die Tatbestandsvoraussetzung des § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB erfülle, sei der Berufung des Beklagten ein Erfolg zu versagen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Entscheidung 1 Ob 91/99k, der sich das Berufungsgericht anschließe, von der Lehre kritisiert worden sei und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, inwieweit die unterlassene Verweisung einer Schwangeren an die zuständige humangenetische Beratungsstelle zur möglichen Diagnostik einer geistigen oder körperlichen Schädigung des Kindes einem an der gynäkologischen Ambulanz eines Bezirkskrankenhauses tätigen Arzt vorwerfbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
In der Entscheidung 1 Ob 91/99k (SZ 72/91), auf die die Vorinstanzen Bezug genommen haben, hat der Oberste Gerichtshof einer 35‑jährigen Frau, die einen Buben ohne Arme, mit Klumpfüßen und einem verkürzten Bein zu Welt gebracht hatte, und ihrem Ehemann den gegenüber einem gesunden Kind entstehenden Unterhaltsmehraufwand zuerkannt. Er hat ausgesprochen, dass der Arzt, der die mögliche Aufklärung der Mutter über eine schwere Behinderung ihres ungeborenen Kindes unterlässt, den Eltern den Aufwand als Schaden zu ersetzen hat, sofern sich die Mutter bei ordnungsgemäßer Aufklärung für einen Schwangerschaftsabbruch, der gemäß § 97 Abs 1 Z 2 StGB gerechtfertigt gewesen wäre, entschieden hätte. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt lässt sich aber mit dem hier vorliegenden aus mehrfachen Gründen nicht vergleichen. Dort hatte die Mutter Ultraschalluntersuchungen an einer Universitätsklink durchführen lassen, an die sie von ihrem Gynäkologen zu diesem Zweck überwiesen worden war. Das Fehlen der Extremitäten hätte bereits bei der zweiten, jedenfalls bei der dritten und vierten Ultraschalluntersuchung erkennbar sein müssen. Universitätskliniken kommt aufgrund der Verbindung von Lehre und Forschung mit der Betreuungstätigkeit von Patienten eine Sonderstellung zu. Sie dienen nach den Gesetzesmaterialien (RV 504 BlgNR 17. GP 8 zum UOG) der "medizinischen Spitzenversorgung". Derartige Unterschalluntersuchungen wurden in Deutschland bereits seit zehn Jahren durchgeführt. Zwischen den dortigen Stellen und der mit Ultraschalluntersuchungen befassten Abteilung an der Universitätklinik bestanden gute Kontakte.
Im vorliegenden Fall hat die Erstklägerin von sich aus die "Mutter‑Kind‑Pass Untersuchungen" in der Ambulanz ihres örtlichen Bezirkskrankenhauses durchführen lassen. Die Ambulanzversorgung in einem Bezirkskrankenhaus kann nicht ohne weiteres am Maßstab einer auf bestimmte Untersuchungen spezialisierten Fachabteilung einer Universitätsklinik gemessen werden.
Morbus Niemann‑Pick ist eine sehr seltene Erkrankung. Die Seltenheit ist auch darauf zurückzuführen, dass sie, wie die Vorinstanzen festgestellt haben, eine autosomalrezessiv vererbliche Erkrankung ist, dass heißt, dass beide Eltern eines betroffenen Kindes, bei dem die Krankheit zum Ausbruch kommt, Anlageträger eines veränderten Gens sein müssen. Für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Erkrankung ist daher ganz wesentlich, ob auch in der Familie des anderen Elternteiles - hier des Vaters - eine solche Erkrankung bekannt ist. Sie erhöht sich jedenfalls entscheidend, wenn beide Partner miteinander verwandt sind. Nach einer von ihnen vorgelegten Urkunde (Beilage L) sind die Kläger verwandt (Cousine und Cousin "zweiten Grades", wobei vermutlich noch weitere verwandtschaftliche Beziehungen bestehen), und es sind auch in der Familie des Vaters mehrere Personen von der Erkrankung Morbus Niemann‑Pick betroffen. Hievon machte die Erstklägerin den Ärzten am Krankenhaus des Beklagten aber keine Mitteilung. Auch einem medizinischen Laien muss klar sein, dass unter solchen Umständen ein erhebliches Risiko besteht, dass gemeinsame Nachkommen von dieser Krankheit befallen sein werden. Dennoch kam es bei der Erstklägerin bisher zu vier Schwangerschaften. Die Kläger sind daher schon mehrfach das Risiko eines Kindes mit einer Behinderung, wie sie ihnen aus ihren Familien bekannt war, eingegangen. Unter diesen Umständen und insbesondere, weil die Erstklägerin nach ihren Angaben ohnehin befürchtete, Mutter eines Kindes mit den Behinderungen ihrer Geschwister zu werden, wäre zu wünschen gewesen, dass die Kläger schon vor Realisierung ihrer allfälligen Kinderwünsche entsprechende Beratung suchen. Sie werfen nun den behandelnden Ärzten vor, nicht verhindert zu haben, dass ihnen nicht nur gesunde Kinder geboren wurden. Primär wäre es aber an den Klägern gelegen, sich angesichts der beschriebenen familiären Situation vorweg über die Familienplanung klar zu werden, Informationen über die Erkrankung einzuholen und zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Kind mit der beschriebenen Behinderung zur Welt kommen und die weitere Lebensgestaltung der Eltern dadurch betroffen sein werde.
Für den Ambulanzarzt, an den nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Frage der Erstklägerin nach einer Möglichkeit der pränatalen Diagnostik anlässlich ihrer dritten Schwangerschaft herangetragen wurde, stellte sich die Situation so dar, dass sie bereits zwei gesunde Kinder geboren hatte und vom Auftreten der Erkrankung auch in der Familie des Zweitklägers nichts bekannt war. Die Frist zu einem ohne Indikation möglichen straffreien Schwangerschaftsabbruch (§ 97 Abs 1 Z 1 StGB) war in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen, weil sich die Erstklägerin in der vierzehnten Schwangerschaftswoche befand. In Österreich gab es damals keine Einrichtung, die eine Untersuchung von Fruchtwasser- oder Gewebeproben auf das Vorliegen einer Niemann‑Pick‑Erkrankung am Ungeborenen durchführte. Bei der genetischen Beratungsstelle an der Universitätsklinik Innsbruck wusste man zwar, dass sich zwei ausländische Institute - eines in Frankreich, eines in Deutschland - mit einschlägiger Forschung befassten, und es wären nach Rücksprache mit dem Institut in Frankreich und bei entsprechend ernsthaftem Wunsch der Erstklägerin Gewebeproben zur Untersuchung dorthin übersendet worden. Davon, dass diese Vorgangsweise im Jahr 1995 bereits üblich gewesen wäre, kann aber keine Rede sein.
Dass es 1995 zum zu fordernden Fachwissen eines Facharztes der Geburtshilfe gehört hätte, dass ein pränataler Nachweis der Erkrankung des werdenden Kindes an Morbus Niemann‑Pick möglich sei, wurde weder vom beigezogenen Sachverständigen noch von einem der (zum Teil fachkundigen) Zeugen bestätigt. Die Kläger beharrten in ihrer Berufungsbeantwortung auch nicht auf der Ansicht, dass diese Kenntnis damals bei Fachärzten üblicherweise vorauszusetzen gewesen sei. Sie hielten vielmehr der Beweisrüge des Beklagten, mit der die Feststellung begehrt wurde, im Jahr 1995 habe ein solches Wissen über pränatale Diagnosemöglichkeiten nicht dem Stand der ärztlichen Kunst entsprochen, entgegen, dass derartige Kenntnisse des Ambulanzarztes gar nicht erforderlich gewesen seien und eine dahingehende Feststellung nicht entscheidungsrelevant sei. Der Vorwurf des Sorgfaltsverstoßes liege nicht in der Unkenntnis der behandelnden Ärzte über die Diagnosemöglichkeit der seltenen Stoffwechselerkrankung, sondern darin, es verabsäumt zu haben, die Kläger über deren Nachfrage an eine geeignete Untersuchungsstelle zu verweisen. Der in ihrer Revisionsbeantwortung "aus Gründen prozessualer Vorsicht" gestellte Antrag, die Feststellung zu treffen, dass die Kenntnis und Diagnosemöglichkeit schon damals dem Stand der Wissenschaft entsprochen habe, steht im Widerspruch mit ihren Ausführungen im Berufungsverfahren und ist daher unbeachtlich. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass die Beweispflicht für das Vorliegen eines "Kunstfehlers" gemäß § 1299 ABGB den Geschädigten trifft (RIS‑Justiz RS0026209). Soweit die Frage nach dem an das Fachwissen eines Arztes zu stellenden Anforderungen Beweisfrage ist, ist der Nachweis für die nunmehr von den Klägern gewünschte Feststellung weder aufgrund des Sachverständigengutachtens noch der Zeugenaussagen erbracht. Es fehlen entsprechende Sachverhaltsgrundlagen, um die Frage, ob die Kenntnis der pränatalen Diagnosemöglichkeit von Morbus Niemann‑Pick 1995 zum Wissensstand eines Facharztes für Geburtshilfe gehören hätte müssen, in rechtlicher Hinsicht zu bejahen.
Als zu prüfender Schuldvorwurf verbleibt daher - auch nach den Ausführungen der Kläger im Berufungsverfahren -, dass der Ambulanzarzt die Erstklägerin nicht an die genetische Beratungsstelle an der Universität Innsbruck verwiesen hat, als sie ihn nach der pränatalen Diagnosemöglichkeit durch eine Fruchtwasseruntersuchung fragte.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beweislast für die Kausalität unterlassener Aufklärung nach Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht den Patienten, sondern den Arzt trifft, der den Mangel der Kausalität zu beweisen hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist die Klärung der Frage, ob bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Mutter über die Behinderung ihres Kindes auch wirklich ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt worden wäre, durchaus mit den Fällen mangelnder Aufklärung über Behandlungsrisken vergleichbar (1 Ob 91/99k). Es geht nämlich jeweils um die Frage, wie der Patient auf die pflichtgemäße "Aufklärung" reagiert hätte und damit darum, ob der Schaden auch bei rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (Hirsch, Arzthaftung infolge unerwünschter Geburt eines Kindes, RdM 1999, 163 [bei FN 59]). Es ist daher hier zu unterstellen, dass die Erstklägerin die Beratungsstelle aufgesucht hätte, dort die objektiv "richtige" Beratung und die Auskunft erhalten hätte, dass entsprechende Proben an einem ausländischen Institut untersucht werden könnten, dass die Kläger diese Möglichkeit in Anspruch genommen hätten und dass die Untersuchung der dann eingesendeten Proben tatsächlich die Erkrankung des ungeborenen Kindes erwiesen hätte und schließlich, dass die Schwangerschaft abgebrochen worden wäre. Entgegen den Ausführungen der Revision ist diese Kausalkette - insbesondere im Hinblick darauf, dass 1999 tatsächlich entsprechend vorgegangen wurde - nicht völlig unwahrscheinlich.
Dennoch kann hier aus der in Frage stehenden Unterlassung des Ambulanzarztes eine Haftung des Beklagten als Krankenhausträger im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen nicht bejaht werden. Wie bereits ausgeführt, mussten die Kläger, da in ihren beiden Familien Fälle von Morbus Niemann‑Pick aufgetreten waren, ungeachtet ihrer mangelnden medizinischen Vorbildung damit rechnen, dass eine Schwangerschaft nicht unproblematisch ist und ein nicht zu vernachlässigendes Risiko besteht, dass ihre Nachkommen an dieser Erbkrankheit leiden werden. Sie hatten es also in Kauf genommen, das die Erstklägerin mit einem kranken Kind schwanger wird. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich zwar, dass es 1995 medizinischer Standard war, Schwangere, die vom Auftreten von Morbus Niemann‑Pick in ihrer Familie berichteten, an eine auf damit zusammenhängende Fragen spezialisierte genetische Beratungsstelle zu verweisen. Dass der Ambulanzarzt dies unterließ, vermag aber kein ins Gewicht fallendes, zur Bejahung einer (Erfüllungsgehilfen‑)Haftung des Beklagten Anlass gebendes Verschulden zu begründen. Es wäre an der Erstklägerin gelegen gewesen, den Arzt zu informieren, dass sie mit einem Verwandten verheiratet ist, in dessen Familie die Erkrankung gleichfalls aufgetreten war. Sie informierte den Arzt auch nicht darüber, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wolle, falls das werdende Kind von der Erkrankung betroffen ist und dass sie deshalb eine sichere Auskunft wünsche. Sie fragte nicht nach weiteren Beratungsmöglichkeiten und bestand auch nicht darauf, von dem Primararzt, mit dem sie die Problematik der in ihrer Familie vorhandenen Erkrankung bereits anlässlich ihrer zweiten Schwangerschaft erörtert hatte, betreut zu werden. Sie machte nicht deutlich, dass sie, obwohl sie bereits zwei Kinder in Kenntnis dieser Erbkrankheit in ihrer Familie geboren hatte, über die Risken einer erblichen Belastung (noch immer) nicht entsprechend beraten und auch noch nicht über die Existenz einer genetischen Beratungsstelle informiert worden war. Es ist zwar richtig, dass die Auskunft, man könne eine pränatale Diagnose der Erkrankung nicht stellen, keine mit dem Ergebnis einer Gewebeuntersuchung vergleichbare Hilfestellung bei der Frage des Schwangerschaftsabbruches darstellt. Entsprechend deutliche Hinweise der Erstklägerin gegenüber dem Ambulanzarzt hätten aber klargestellt, dass sie nicht nur aus Sorge darüber, ob ihr Kind gesund sein wird, nach einer pränatalen Diagnosemöglichkeit fragte, sondern dass sie ein erkranktes Kind nicht akzeptieren wollte. Dass der Ambulanzarzt der betreffenden Frage nicht die Bedeutung beimaß, die sie für die Erstklägerin nach ihren Behauptungen hatte, sondern nicht mehr weiter auf die damit angesprochene Problematik einging, tritt im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände derart in den Hintergrund, dass für eine Bejahung der Haftung für den Unterhaltsschaden kein Raum ist. Die Bejahung der Arzthaftung soll in Fällen begehrter "Unterhaltsschäden" infolge fehlerhafter Beratung jedenfalls nicht ausufern. Der Entscheidung 1 Ob 91/99k lag ein Fall besonders krassen ärztlichen Fehlverhaltens zugrunde, das zur Geburt eines schwerstbehinderten Kindes führte. In solchen Fällen gestehen auch Kritiker dieser Entscheidung zu, dass sie Billigkeitserwägungen entspricht (vgl Engel, JAP 1999/2000, 131 mwN; Rebhahn, Schadenersatz wegen der Geburt eines ungewünschten Kindes? JBl 2000, 265; Hirsch aaO). Bei dem vorliegenden Sachverhalt besteht aber aus den dargestellten Gründen für einen solchen Zuspruch kein Anlass. Es erübrigt sich daher, auf die Frage einzugehen, ob im Hinblick auf die von den Vorinstanzen festgestellten Behinderungen und Krankheitssymptomen ein Schwangerschaftsabbruch wegen embryopathischer Indikation als Rechtfertigungsgrund anzuerkennen wäre. Eine Stellungnahme zu den kontroversiellen Reaktionen des Schrifttums auf die Entscheidung 1 Ob 91/99k ist nicht erforderlich.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die von der Beklagten für das Verfahren erster Instanz verzeichneten Kosten von insgesamt 9.068,20 EUR waren auf 8.170,42 EUR zu reduzieren: Die Schriftsätze vom 29. 11. 1999, 31. 7. 2000 und vom 25. 9. 2001 waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und daher nicht zu honorieren. Das im Schriftsatz vom 29. 11. 1999 enthaltene Vorbringen hätte auch in er am 10. 11. 1999 eingebrachten Klagebeantwortung erstattet werden können. Die Urgenz der Gutachtenserstellung vom 31. 7. 2000 wurde weder an den Sachverständigen weitergeleitet noch trug sie zu einer Beschleunigung des Verfahrens bei. Im Übrigen hat der Sachverständige die für eine derartige medizinische Begutachtung angemessene Zeitspanne - eine bestimmte Frist wurde ihm nicht gesetzt - nicht überschritten. Dem im Schriftsatz vom 25. 9. 2001 gestellten Antrag, Zeugen nicht vor dem erkennenden Gericht, sondern im Rechtshilfeweg einzuvernehmen, wurde nicht entsprochen.
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