OGH 6Ob302/63

OGH6Ob302/6327.2.1964

SZ 37/33

Normen

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der IAEO über den Amtssitz der IAEO ArtXV Abschnitt 38
Abkommen zwischen der Republik Österreich und der IAEO über den Amtssitz der IAEO ArtXV Abschnitt 38
Abkommen zwischen der Republik Österreich und der IAEO über den Amtssitz der IAEO ArtXV Abschnitt 38
Abkommen zwischen der Republik Österreich und der IAEO über den Amtssitz der IAEO ArtXV Abschnitt 38

 

Spruch:

Art. XV Abschnitt 38 des Abkommens über den Amtssitz der IAEO. gewährt keine Befreiung von der Zahlung von Kirchenbeiträgen.

Entscheidung vom 27. Februar 1964, 6 Ob 302/63. I. Instanz:

Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin begehrte vom Beklagten nach Einschränkung der Klage den Betrag von 495 S an rückständigen Kirchenbeiträgen für die Zeit von 1959 bis 1962.

Das Erstgericht wies die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück, verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 495 S und wies den von ihm gestellten Zwischenantrag, es werde festgestellt, daß er der Klägerin gegenüber für jene Einkünfte, welche ihm von der Internationalen Atomenergie-Organisation zufließen, nicht zur Leistung des Kirchenbeitrages verpflichtet sei, sowie das Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß bei Berechnung des von ihm der Klägerin zu entrichtenden Kirchenbeitrages Bezüge, welche ihm von der Internationalen Atomenergie-Organisation zufließen, nicht in die Beitragsgrundlage einzubeziehen seien, ab. Gemäß Art. XV, Abschnitt 38, des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation genieße der Beklagte als Angestellter dieser Organisation die Befreiung von der Besteuerung der Gehälter, Bezüge und Vergütungen, die er von der IAEO. erhalte. Bei den gegenständlichen Kirchenbeiträgen handle es sich aber nicht um Steuern. Der Beklagte sei daher zu ihrer Bezahlung verpflichtet.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß Art. XV, Abschnitt 38, des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl. Nr. 82/1958, genießen die Angestellten der IAEO., zu denen unbestrittenermaßen der Beklagte gehört, die näher bezeichneten Privilegien und Immunitäten, unter anderem nach lit. d der zitierten Gesetzesstelle die Befreiung von der Besteuerung der Gehälter, Bezüge und Vergütungen, die sie von der IAEO. für gegenwärtige oder frühere Dienste oder im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bei der IAEO. erhalten. Die prozeßentscheidende Frage ist somit, ob die von der Klägerin geforderten Kirchenbeiträge zu den Leistungen im Rahmen einer Besteuerung des Beklagten gehören, von denen er befreit ist. Die Revision verkennt nun selbst nicht, daß der für die Auslegung dieses Abkommens wesentliche Wille der Vertragsteile zunächst aus dem Wortlaut des Vertrages abzuleiten ist. Der hier wesentliche Begriff "Besteuerung" kann nun bei objektiver Prüfung gar nicht zweifelhaft sein. Soweit der Beklagte versucht, aus dem englischen Text des Abkommens eine ihm genehme Auslegung abzuleiten, ist entscheidend, daß dieses Abkommen in deutscher und englischer Sprache und noch in vier weiteren Sprachen abgefaßt wurde, die alle in gleicher Weise authentisch sind. Es kann ihm daher nicht zugebilligt werden, gerade den englischen Text heranzuziehen, um diesem Begriff einen anderen, aus dem deutschen Text nicht hervorgehenden Sinn beizulegen. Daß es sich bei den Kirchenbeiträgen aber um keine Steuern im Sinne dieses unmißverständlichen Begriffes handelt, wurde bereits wiederholt entschieden.

Das Recht der Kirchen zur Einhebung von Kirchenbeiträgen grundet sich auf das Gesetz über die Einhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, Gesetzblatt für das Land Österreich 1939 Nr. 543. § 3 bestimmt, die Kirchenbeiträge werden von den Kirchen festgesetzt und erhoben. Für die Geltendmachung des Anspruches auf Kirchenbeiträge ist der Rechtsweg zulässig (Abs. 1). Die Kirchenbeitragsordnungen und die die Kirchenbeiträge festsetzenden Bescheide bedürfen der staatsaufsichtlichen Genehmigung (Abs. 2). Während im sogenannten "Altreich" den Kirchen beider Konfessionen das Steuerrecht verliehen war, wurde mit diesem Gesetz in Österreich ein durchaus anderes System eingeführt. Den Kirchen in Österreich wurde ein Steuerrecht nicht verliehen, sie erhielten vielmehr lediglich das Recht, Kirchenbeiträge zu erheben, die nach Art von Vereinsbeiträgen einklagbar sind (Pfundtner - Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich, I d 8). Damit sind aber die von den Kirchenbeitragsordnungen berufenen Organe keine Verwaltungsbehörden im Sinne der Art. 94, 138 (1) lit. a B-VG. Sie können nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise über die Beitragspflicht entscheiden. Die Festsetzung und Auferlegung von Kirchenbeiträgen durch diese Organe verbleibt vielmehr im Sinne des Kirchenbeitragsgesetzes 1939 im kirchlichen Bereich. Durch die Zuweisung der Entscheidung über die Kirchenbeitragsstreitigkeiten an die Gerichte werden die Kirchenbeitragsschulden als zivilrechtliche Verpflichtungen

qualifiziert (VFG. vom 28. Juni 1956, K I-1/56 = JBl. 1957 S. 98,

VFG. vom 15. Dezember 1959, V 11/59 = JBl. 1960 S. 488, SZ. XXXIII

76, SZ. XXXIV 28). Daß das bezeichnete Abkommen den Beklagten auch von der Erfüllung zivilrechtlicher Verpflichtungen befreien sollte, vermag er aber selbst nicht zu behaupten. Damit gehen alle weiteren Erwägungen der Revision ins Leere, und insbesondere ist für den Beklagten auch nichts zu gewinnen aus seinem Hinweis auf § 3 der Kirchenbeitragsordnung der evangelischen Kirche. Wohl ist es richtig, daß mangels Veranlagung des Beklagten zur Einkommensteuer eine Beitragsgrundlage nach lit. a, bzw., weil er im Sinne des Art. XV, Abschnitt 38, des oben zitierten Abkommens diese Steuer auch nicht im Abzugswege (Lohnsteuerverfahren) entrichtet, nach lit. b und, da sein Einkommen schließlich auch nicht in Erträgnissen land- und forstwirtschaftlicher Liegenschaften besteht, auch nach lit. c nicht zu bilden ist. Es kommen aber die Bestimmungen der lit. d zur Anwendung, wonach bei Beitragspflichtigen, die in keine der unter lit. a bis c angeführten Gruppen eingereiht werden können, das Einkommen des dem Beitragsjahr vorausgegangenen Jahres, auch wenn dieses Einkommen keiner Steuerpflicht unterliegt, maßgebend ist. Es entbehren daher der Zwischenantrag des Beklagten auf Feststellung, daß er für seine Einkünfte, die ihm von der IAEO. zufließen, nicht zur Leistung eines Kirchenbeitrages verpflichtet sei, und sein Eventualantrag, daß bei Berechnung des von ihm entrichtenden Kirchenbeitrages diese Bezüge nicht in die Beitragsgrundlage einzubeziehen seien, einer Berechtigung. Es versagt auch der Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Sache Jean E. Humblet, da diesem insofern ein ganz anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag, als dort der belgische Staat das Einkommen für die Zwecke einer Besteuerung, wenn auch nur der Gattin des damaligen Einschreiters, in Anspruch nehmen wollte. Was das Leistungsbegehren betrifft, ist dieses der Höhe nach gar nicht strittig.

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