Spruch:
Die Unterfertigung des Protokolls durch die im § 589 ABGB. genannten Personen ist für die Gültigkeit des Testamentes wesentlich.
Entscheidung vom 11. Jänner 1968, 6 Ob 294/67.
1. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Erblasser Johann S. war wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigt.
Am 8. Mai 1964 begaben sich OLGR. Dr. R. und Justizrevident H. vom Bezirksgericht Innsbruck in das Haus des Erblassers, um die Erklärung des letzten Willens entgegenzunehmen. Nach einer fast eine Stunde dauernden Unterredung mit dem Erblasser begann der Richter dem Schriftführer die Ergebnisse der Aussprache mit dem Erblasser zu diktieren. Ein neuerlicher Versuch des Richters, den Erblasser zu einer Erklärung seinem letzten Willens zu veranlassen, führte zu keinem Erfolg, und der Erblasser begann wieder von ganz anderen und nebensächlichen Dingen zu sprechen, wie etwa vom Geburtsort der Gerichtspersonen. Auf Grund dieses Veraltens des Johann S. gewann der Richter die Überzeugung, daß S. nicht in der Lage sei zu erfassen, daß er vor dem zuständigen Richter testieren solle und daß die bei ihm erschienenen Personen das Gericht darstellten, welches den letzten Willen entgegennehmen wolle. Richter und Schriftführer gewannen den Eindruck, daß Johann S. nicht imstande sei, eine klare und überlegte Äußerung über seinen letzten Willen abzugeben. Davon ausgehend, daß Johann S. nicht testierfähig sei, nahm Dr. R. davon Abstand, ein Protokoll über eine letztwillige Erklärung des Genannten aufzunehmen.
Noch am Tage dieser Ereignisse, nämlich im Abend des 8. Mai 1964, starb Johann S., und daraufhin hielt OLGR. Dr. R. die Begebenheiten im Pflegschaftsakt in einem Amtsvermerk vom 11. Mai 1964 fest.
Das Erstgericht wies die Erbrechtsklage des Klägers, der die Erbserklärung auf Grund des Testamentes vom 8. Mai 1964 abgegeben hatte, ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Über die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers am 8. Mai 1964 führte das Erstgericht einen Sachverständigenbeweis durch und stellte Fest, daß Johann S. anläßlich der Anwesenheit der Gerichtspersonen wohl die Bewußtseinsklarheit gehabt habe, ein Testament zu errichten, daß bei ihm aber die Fähigkeit, seinem Willen klar und deutlich Ausdruck zu geben, eingeschränkt gewesen sei. Das Erstgericht leitete daraus ab, daß dem Erblasser am 8. Mai 1964 die Testierfähigkeit gefehlt habe. Überdies vertrat es die Ansicht, daß zugunsten des Klägers schon deshalb kein gültiges Testament vorliege, weil ein Formmangel gegeben sei.
Das Berufungsgericht übernahm alle Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, wonach wegen Formmangels ein Testament vom 8. Mai 1964 nicht zustandegekommen sei, und führte aus, daß die Testierfähigkeit gefehlt habe. Aus inhaltlichen Gründen nahm ferner das Berufungsgericht die rechtliche Ungültigkeit der letztwilligen Erklärung des Erblassers an, falls man überhaupt von einem Vorliegen einer solchen ausgehen wollte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Erbrechtsklage muß allein schon daran scheitern, daß hinsichtlich des vom Kläger in Anspruch genommenen mündlichen öffentlichen Testamentes vom 8. Mai 1964 die gesetzliche Form (§ 569 ABGB., § 4 (2) EntmO.) nicht eingehalten wurde.
Die Errichtung eines Protokolls durch die Gerichtspersonen über den Inhalt des vom Erblasser ihnen gegenüber erklärten letzten Willens ist ein Beurkundungsakt von konstitutiver Wirkung (Weiss in Klang[2] III 332). Die Unterfertigung des Protokolls durch die im § 589 ABGB. genannten Personen ist für die Gültigkeit des Testaments wesentlich (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht[2], S. 443 Z. 4 und S. 444 Z. 3, Krasnopolski, Erbrecht, S. 78, Anm. 5 mit zahlreichen Literaturzitaten).
Aus den Feststellungen der Untergerichte ergibt sich, daß die Gerichtspersonen, von der Überzeugung ausgehend, daß es nicht gelungen sei, den Erblasser zur deutlichen und bestimmten Erklärung seines letzten Willens zu veranlassen, und von der weiteren Überzeugung ausgehend, daß dem Erblasser auch die Fähigkeit hiezu gefehlt habe, von der Errichtung eines Protokolls über den letzten Willen Abstand genommen haben. Dies wurde auch in einem Amtsvermerk festgehalten.
Fehlt es aber an der Einhaltung der gesetzlichen Form, dann kommt es weder auf die Auslegung der vom Erblasser gebrauchten Worte noch auf die strittige Frage der Testierfähigkeit an, die ja nur dann Bedeutung hätte, wenn überhaupt ein Testament zustandegekommen wäre.
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