OGH 6Ob283/02i

OGH6Ob283/02i20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz eingetragenen F***** GmbH mit dem Sitz in Linz und der Geschäftsanschrift ***** wegen Eintragung der Umwandlung durch Übertragung des Unternehmens auf den Alleingesellschafter, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Alleingesellschafterin, der F*****GmbH,, beide vertreten durch Univ. Doz. Mag. DDr. Ludwig Bittner, öffentlicher Notar in Hollabrunn, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 24. September 2002, GZ 6 R 167/02z‑9, womit der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 5. August 2002, GZ 13 Fr 1587/02w‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Eintragung der Umwandlung der zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz eingetragenen F*****GmbH durch Übertragung des Unternehmens auf ihren Alleingesellschafter, das ist die beim Amtsgericht München zu HRB ***** protokollierte F*****GmbH mit dem Sitz in München, nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes bewilligt wird.

Der Vollzug der Eintragung wird dem Erstgericht überlassen, das auch über den Antrag auf Eintragung der Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung des Alleingesellschafters zu entscheiden haben wird.

Text

Begründung

Die F***** GmbH (im Folgenden Gesellschaft) ist im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz eingetragen. Ihr alleiniger Gesellschafter mit einer zur Gänze eingezahlten Stammeinlage von 800.000 EUR ist die beim Amtsgericht München protokollierte F***** GmbH. Mit Schriftsatz vom 5. 4. 2002 meldeten der Geschäftsführer der Gesellschaft und der Alleingesellschafter (dieser vertreten durch seine Geschäftsführer) die Umwandlung der Gesellschaft durch Übertragung auf den Alleingesellschafter nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes und unter Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigungen des Art II UmgrStG und die gleichzeitige Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung des Alleingesellschafters zur Eintragung ins Firmenbuch an. Beigelegt waren unter anderem das Generalversammlungsprotokoll vom 12. 3. 2002 samt genehmigtem Umwandlungsplan und dem der Umwandlung zugrunde gelegten Jahresabschluss zum 30. 9. 2001. Der Alleingesellschafter hatte in der Generalversammlung erklärt, auf die Erstattung des Berichts des Geschäftsführers und auf eine Prüfung der Umwandlung ebenso zu verzichten wie auf eine Klage auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit des Umwandlungsbeschlusses.

Auf den Vorhalt des Erstgerichts, die unterschiedlichen Regelungen des österreichischen und des deutschen Umwandlungsrechts über den Zeitpunkt des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge stünden einer Eintragung der Umwandlung entgegen, vertraten die Antragsteller unter Vorlage eines Rechtsgutachtens eines deutschen Notars die Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Widerspruch zwischen österreichischer und deutscher Rechtsordnung bestehe. Der Grundsatz des deutschen Umwandlungsrechts, wonach die Eintragung bei der übernehmenden Gesellschaft konstitutive Wirkung entfalte, gelte nicht ausnahmslos. Bei einer Verschmelzung auf den Alleingesellschafter reiche die Eintragung in das Register am Sitz der übertragenden Gesellschaft, wenn eine Eintragung beim übernehmenden Rechtsträger nicht in Betracht komme. Dieser Fall liege hier vor: Die Eintragung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung auf den Alleingesellschafter in das deutsche Register scheide aus, weil das deutsche Verschmelzungsrecht nur innerdeutsche Sachverhalte regle. Das österreichische Umwandlungsgesetz könne eine Eintragung in das deutsche Register nicht anordnen. Es sei daher entweder das deutsche Umwandlungsgesetz insgesamt unanwendbar, sodass ein Widerspruch zum österreichischen Recht nicht bestehe, oder aber es enthalte im § 122 Abs 2 dUmwG eine passende Regelung für den Fall bereit, dass die Eintragung beim Register des deutschen Alleingesellschafters ausscheide.

Der Aufforderung des Erstgerichts folgend legten die Einschreiter Nachweise für die Sicherung der Gläubiger der (übertragenden) Gesellschaft vor und wiesen auf die Patronatserklärung hin, die die Muttergesellschaft des Alleingesellschafters zur Sicherung der Gläubigerforderungen abgegeben hatte.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung der Umwandlung der Gesellschaft ab. Weder das deutsche noch das österreichische Umwandlungsrecht enthielten Regelungen für eine grenzüberschreitende verschmelzende Umwandlung auf den Hauptgesellschafter. Die österreichische Lehre halte eine derartige Umwandlung grundsätzlich für zulässig. Das deutsche Umwandlungsrecht verbiete zwar grenzüberschreitende Umwandlungen nicht, enthalte dafür aber auch keine Regelungen. Es kenne die Umwandlung auf eine juristische Person als Alleingesellschafter nicht. § 120 dUmwG regle bloß die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften mit dem Vermögen eines Alleingesellschafters, der eine natürliche Person sei. Solle ein - aus deutscher Sicht - ausländischer Rechtsträger auf einen Rechtsträger mit Sitz in Deutschland verschmolzen werden, seien auf den übernehmenden Rechtsträger die Regelungen des deutschen Umwandlungsgesetzes anzuwenden. Danach bedeute die Hereinumwandlung für den betroffenen deutschen Rechtsträger materiell eine Satzungsänderung; sie bedürfe der Eintragung ins (deutsche) Handelsregister. § 122 Abs 2 dUmwG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die hier beabsichtigte Umwandlung sei daher beim deutschen Handelsregistergericht einzutragen. Erst diese Eintragung entfalte nach deutschem Recht konstitutive Wirkung. Dem stehe die österreichische Regelung gegenüber, wonach die Eintragung beim übertragenden Rechtsträger konstitutive Wirkung entfalte. Dieser unauflösbare Widerspruch stehe einer Eintragung des beschlossenem Umgründungsvorganges entgegen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach einhelliger Lehre sei nach österreichischem Umwandlungsrecht die Umwandlung einer österreichischen GmbH auf ihren ausländischen Hauptgesellschafter zulässig. Einer generellen Untersagung stünde die Niederlassungsfreiheit entgegen. Allerdings sei dieser Vorgang auch unter Berücksichtigung der Regelungen des ausländischen Rechts zu beurteilen. Die internationale Verschmelzung vereinige die Vermögensmassen mehrerer Gesellschaften, die in verschiedenen Staaten ansässig seien, in der Weise grenzüberschreitend, dass zumindest eine der beteiligten Gesellschaften unter Ausschluss der Abwicklung ihre Existenz aufgebe. Sie unterstelle sich damit der Leitung einer ausländischen Gesellschaft. Bei diesem Vorgang seien kollisionsrechtliche und materiellrechtliche Aspekte voneinander zu unterscheiden. Kollisionsrechtlich sei die internationale Fusion (anders als eine Sitzverlegung) unproblematisch. Das aufnehmende Unternehmen werde in seiner gesellschaftsrechtlichen Existenz nicht tangiert, sein Gesellschaftsstatut ändere sich nicht. Die Voraussetzungen, das Verfahren und die Wirkungen der Verschmelzung richteten sich für jede der beteiligten Gesellschaften nach ihrem jeweiligen Gesellschaftsstatut. Dabei könnten materiellrechtliche Probleme auftreten, wenn die kumulative Anwendung des Gesellschaftsstatuts der übertragenden Gesellschaft und jenes der aufnehmenden Gesellschaft unlösbare Widersprüche hervorrufe. Allenfalls divergierende Regelungen über die Voraussetzungen einer Fusion und des anzuwendenden Verfahrens stünden einer Verschmelzung nicht im Wege, weil von jeder der beiden Gesellschaften die Einhaltung sämtlicher Erfordernisse verlangt werden könne. Etwas anderes gelte hinsichtlich divergierender Regelungen über die Wirkungen der Verschmelzung, so insbesondere Regelungen über den Vermögensübergang, die Gläubigersicherung und den Schutz der Anteilseigner. Seien die Regelungen der beteiligten Rechtsordnungen in diesen Fragen nicht aufeinander abgestimmt, sei die grenzüberschreitende Fusion nicht möglich. Deutsche Parallelbestimmungen zum österreichischen Umwandlungsgesetz bestünden nicht. Die §§ 120 bis 122 dUmwG seien nur dann anzuwenden, wenn der übernehmende Alleingesellschafter eine natürliche Person sei. Daraus folge aber nicht, dass eine verschmelzende Umwandlung der Tochter‑GmbH auf ihre 100 %ige Mutter‑GmbH nach deutschem Umwandlungsrecht nicht möglich wäre, es handle sich dabei jedoch um eine Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Z 1 dUmwG, wobei die Rechtswirkungen der Umwandlung, insbesondere die Universalrechtsnachfolge, (anders als nach österreichischem Recht) mit Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers eintreten. Die Verschmelzung dürfe in das Register des Sitzes der übernehmenden Gesellschaft erst nach Durchführung der Eintragung beim übertragenden Rechtsträger erfolgen. Die deutsche Lehre vertrete die Auffassung, dass bei Bestehen kumulierbarer Rechtsordnungen der Eintragung einer ‑ aus deutscher Sicht - "Hereinverschmelzung" kein Hindernis entgegenstehe. In der deutschen Rechtsprechung seien diese Vorgänge jedoch rechtlich umstritten und vom Wohlwollen des betreffenden deutschen Registerrichters abhängig. Ob nun die Rechtsansicht des Erstgerichts, die unterschiedlichen Regelungen über die konstitutive Wirkung der Eintragung hinderten die Eintragung des vorliegenden Umgründungsvorganges, zutreffe, könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Einschreiter offenkundig nicht bereit seien, die Eintragung im deutschen Handelsregister überhaupt zu beantragen. Werde die in Österreich beurkundete Umwandlung jedoch in Deutschland nicht eingetragen, so würde die übertragende Gesellschaft im österreichischen Firmenbuch gelöscht, die Rechtsnachfolge jedoch nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen, sodass Universalrechtsnachfolge nur nach österreichischem Recht, nicht jedoch auch nach deutschem Recht eingetreten wäre. Dass ein solcher Zustand auch Interessen des Gläubigerschutzes zuwiderliefe, liege auf der Hand. Wenn die Antragsteller nicht bereit oder in der Lage seien, die gleichzeitige Eintragung der Umwandlung auch in das deutsche Handelsregister zu bewirken, könne die grundsätzliche zulässige Umwandlung auch nicht in das österreichische Firmenbuch eingetragen werden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen der rechtmäßigen Durchführung einer grenzüberschreitenden Umwandlung fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Alleingesellschafters. Die verspätete Einbringung des Rechtsmittels (es war mittels Expressmailservice an das Rekursgericht übersendet worden und langte erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim Erstgericht ein, sodass § 89 GOG nicht Anwendung findet) hindert seine Behandlung unter der Voraussetzung seiner sachlichen Berechtigung nicht (§ 11 Abs 2 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Alleingesellschafters ist zulässig und auch berechtigt.

Unter Heranziehung der für grenzüberschreitende Verschmelzungen entwickelten Grundsätze der Lehre vertritt das Rekursgericht die Auffassung, Voraussetzungen, Verfahren und Wirkungen der hier beschlossenen Umwandlung seien sowohl nach dem Gesellschaftsstatut der umzuwandelnden GmbH als auch nach jenem ihres Alleingesellschafters zu beurteilen. Während die Gesamtrechtsnachfolge nach § 2 Abs 2 UmwG mit Eintragung der Umwandlung bei der umzuwandelnden (übertragenden) österreichischen Gesellschaft eintrete, sei dies nach den anzuwendenden deutschen Bestimmungen über die Verschmelzung erst mit Eintragung beim übernehmenden Gesellschafter der Fall. Ob dies eine Eintragung der Umwandlung hindere, könne offen bleiben, weil die Einschreiter zumindest bis zur Entscheidung erster Instanz eine Anmeldung beim deutschen Gericht am Sitz des Alleingesellschafters unterlassen hätten.

Der Senat hat erwogen:

Zur Behandlung grenzüberschreitender Verschmelzungen (siehe dazu Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung § 219 AktG Rz 25; Koppensteiner, GmbHG² § 96 Rz 5; V. Eckert, Die Überwindung der Palmström‑Doktrin, Erfahrungsbericht über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ecolex 2002, 97) wird im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, Voraussetzungen, Verfahren und Rechtswirkungen der Verschmelzung seien für jede der beteiligten Gesellschaften nach ihrem Personalstatut zu beurteilen. Eine Verschmelzung komme nur dann in Betracht, wenn die beteiligten Rechtsordnungen weitgehend vergleichbare Grundstrukturen vorsehen. Seien die Regelungen der beteiligten Rechtsordnungen in Fragen des Vermögensübergangs, der Gläubigersicherung oder des Schutzes der Anteilseigner nicht auf einander abgestimmt, sei eine grenzüberschreitende Fusion nicht möglich (Harrer, Internationale Verschmelzung, GesRZ 1995, 141; Kepplinger, Grenzüberschreitende Verschmelzungen zulässig ‑ aber undurchführbar? wbl 2000, 485 mwN; Behrens, Anerkennung, internationale Sitzverlegung und grenzüberschreitende Umstrukturierung von Gesellschaften nach dem Centros‑Urteil des EuGH, JBl 2001, 341).

Ob dieser Auffassung beizutreten ist und demnach divergierende Regelungen der getroffenen Rechtsordnungen über die Wirkung einer Verschmelzung die Durchführung einer grenzüberschreitenden Fusion hindern, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Einschreiter melden nicht eine grenzüberschreitende Verschmelzung der österreichischen Tochtergesellschaft mit ihrer ausländischen Mutter nach §§ 96 ff GmbHG iVm §§ 220 bis 233 AktG zur Eintragung ins Firmenbuch an. Gegenstand der Anmeldung ist vielmehr die Umwandlung einer österreichischen GmbH durch Übertragung ihres Unternehmens auf den ausländischen Alleingesellschafter nach den Bestimmungen des österreichischen Umwandlungsgesetzes (§ 2 UmwG) iVm den abgabenrechtlichen Bestimmungen des Art II UmgrStG. Diese Maßnahme ist vom österreichischen Firmenbuchgericht am Sitz der umzuwandelnden GmbH vorzunehmen. Sie unterliegt aus nachstehenden Erwägungen auch hinsichtlich ihrer Voraussetzung, Durchführung und Wirkung materiellem österreichischen Umwandlungsrecht:

Die umzuwandelnde GmbH wurde in Österreich errichtet und hier ins Firmenbuch eingetragen, sie hat sowohl ihren Satzungssitz als auch den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung (§ 10 IPRG) im Inland. Ihre Rechtsfähigkeit bestimmt sich somit nach österreichischem Recht (§ 12 IPRG). Lehre und Rechtsprechung zählen zu der nach Personalstatut zu beurteilenden Rechtsfähigkeit einer juristischen Person auch alle Fragen, die mit der Beendigung der Rechtspersönlichkeit (ihrer Auflösung und Löschung) und des dabei durchzuführenden Verfahrens zusammenhängen, ebenso wie Fragen der inneren und äußeren Organisation, der wirksamen Formwandlung, Verschmelzung und der gesellschaftsrechtlich relevanten Vermögensübertragung bzw Umwandlung (RIS‑Justiz RS0077097 und RS0077060; Schwimann in Rummel ABGB² § 12 IPRG Rz 5, 9; Koppensteiner in FS Hefermehl, Umwandlungen über die deutsch‑österreichische Grenze, 305, 324). Auch die mit Umgründungsmaßnahmen zusammenhängenden Regelungen zum Schutz von Gläubigern unterliegen dem für die Bestimmung der Rechtsfähigkeit maßgeblichen Sachrecht (Koppensteiner in FS Hefermehl 324). Im vorliegenden Fall ist dies die österreichische Rechtsordnung.

In diesem Sinn bejaht auch Lutter (dUmwG § 1 Rz 10) die Zuständigkeit des nationalen Rechts am Sitz des übertragenden Rechtsträgers für die in Bezug auf ihn beschlossene Umgründungsmaßnahme. Sei dieser Vorgang nach seinem nationalen Recht erlaubt, könne ihn das deutsche "aufnehmende" Recht nach Art 43 und 48 EG nicht verhindern.

Der Europäische Gerichtshof hat erst jüngst in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens (EuGH vom 5. 11. 2002, Rs C‑280/00‑Überseering) erkannt, dass die Niederlassungsfreiheit einem Staat innerhalb der Gemeinschaft gebietet, die Verlegung des Verwaltungssitzes einer in einem anderen Mitgliedstaat (und nach dessen Rechtsordnung) wirksam gegründeten Gesellschaft zu akzeptieren und deren Rechtsfähigkeit ungeachtet der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes anzuerkennen, wenn die Rechtsordnung des Gründungsstaates den Wegzug der Gesellschaft gestattet (vgl dazu Hack, Die Sitztheorie nach dem EuGH‑Urteil Überseering, GesRZ 2003, 29; Schindler "Überseering" und Societas Europaea, RdW 2003, 122; Handig, EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften, ecolex 2003, 87). Anlassfall war die Beurteilung der Rechtsfähigkeit und damit der Parteifähigkeit einer nach niederländischem Recht wirksam gegründeten Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hatte, vor deutschen Gerichten. Die Gesellschaft hatte damit eine nach ihrem Gesellschaftsstatut zulässige und von der Niederlassungsfreiheit umfasste Maßnahme gesetzt, die vom Zuzugsstaat akzeptiert werden musste. Insoweit treffen aber die Überlegungen des EuGH auch auf eine nach dem Gesellschaftsstatut der umzuwandelnden Gesellschaft zulässige Übertragung ihres Unternehmens auf den deutschen Alleingesellschafter zu. Die Wirkungen dieser Umwandlung, insbesondere auch die Frage, ob sie eines weiteren Organisationsaktes beim "übernehmenden" deutschen Alleingesellschafter voraussetzt, richtet sich - da es wie oben dargelegt eine der Rechtspersönlichkeit zuzurechnende Frage betrifft ‑ nach dem Gesellschaftsstatut der umzuwandelnden GmbH.

Dass die im vorliegenden Fall angemeldete Umwandlung durch Übertragung des Unternehmens auf den deutschen Alleingesellschafter nach materiellem österreichischen Umwandlungsrecht zulässig ist, unterliegt keinem Zweifel. Mag auch die Umwandlung nach § 2 UmwG die gleiche Funktion erfüllen wie eine Verschmelzung (nämlich eine Gesamtrechtsnachfolge der deutschen Muttergesellschaft bei gleichzeitiger Löschung der österreichischen Tochter herbeizuführen), so unterscheidet sich die Umwandlung doch in einem ganz wesentlichen Punkt von einer Verschmelzung. Anders als jene greift die Umwandlung nicht in die gesellschaftsrechtliche Organisation des "übernehmenden" Haupt‑ (oder Allein‑)gesellschafters ein. Sie verwirklicht lediglich einen Organisationsakt bei der umzuwandelnden und damit zu löschenden Kapitalgesellschaft, während die Organisationsstruktur des Haupt‑(Allein‑)gesellschafters unberührt bleibt (Hügel, Verschmelzung und Einbringung 537). Es bedarf daher auch keiner Beschlussfassung durch die Gesellschafter des "übernehmenden" Rechtsträgers. Die Eintragung der Umwandlung bei der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft bewirkt den Vermögenserwerb des Haupt‑(Allein‑)gesellschafters durch Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar einer Anwachsung nach § 142 HGB (siehe auch Karollus in Lutter, dUmwG § 120 Rz 12), ohne dass sich dieser Vorgang in irgendeiner Weise auf dessen gesellschaftsrechtliche Organisation auswirkt (ähnlich auch Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung, vor § 1 UmwG Rz 10, die von einer "Vereinigung von zwei Vermögensmassen" spricht). Das Fehlen eines Organisationsaktes beim "übernehmenden" Haupt‑(Allein‑)gesellschafter und seine durch die Umwandlung unverändert bleibende Eigentümerstruktur war auch schon bisher tragendes Argument des Schrifttums für die Zulässigkeit der Umwandlung einer österreichischen Kapitalgesellschaft auf einen ausländischen Hauptgesellschafter nach § 2 UmwG 1954, ohne dass eine Prüfung und Eintragung des Umwandlungsvorganges durch das Gericht am Sitz des Hauptgesellschafters nach dem für diesen geltenden Gesellschaftsrechtsstatut als Voraussetzung für die Eintragung der Umwandlung im österreichischen Firmenbuch (davor Handelsregister) verlangt worden wäre (Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 334; Torggler GesRZ 1975, 45; Koppensteiner in FS Hefermehl 322; Helbich, Umgründungen³ 259 [320]; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 537; Staringer, Die Anpassung des Umgründungssteuergesetzes an die EU‑Fusionsrichtlinie, SWK 1994, 472; Harrer, Internationale Verschmelzung, GesRZ 1995, 141; siehe auch Kalss aaO vor § 1 UmwG Rz 13 mwN; Koppensteiner, GmbHG § 96 Rz 5 und Anh § 101 Rz 22).

Der österreichische Gesetzgeber hat die teilweise Parallelregelung ("Doppelgleisigkeit", siehe Kalss vor § 1 UmwG Rz 8) von Verschmelzung und Umwandlung auch im Umwandlungsgesetz 1996 beibehalten. Das EU‑GesRÄG 1996, BGBl 1996/304 (Art XIV) formulierte sowohl die Bestimmungen über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§§ 219 ff AktG und §§ 96 bis 101 GmbHG) als auch jene über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften (§§ 1 ff UmwG) neu und beließ die Parallelregelung. Diese "Doppelgleisigkeit" der Regelungen ist vor allem in jenen Fällen sinnvoll, in denen die Möglichkeit einer Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung nach den gesellschaftsrechtlichen Normen nicht bestünde. So etwa zur Aufnahme des Unternehmens einer Aktiengesellschaft durch eine GmbH oder eine Genossenschaft oder durch Übernahme des Unternehmens einer österreichischen Kapitalgesellschaft durch ihre ausländische Muttergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (siehe dazu Hügel, Verschmelzung und Einbringung 536; Kalss aaO vor § 1 UmwG Rz 6 und 7; vgl auch Karollus in Lutter, dUmwG § 120 Rz 19).

Die Zulässigkeit der sogenannten "verschmelzenden" Umwandlung auf einen ausländischen Haupt‑(Allein‑)gesellschafter nach § 2 UmwG ergibt sich aber auch aus dem Abgabenrecht. Die dabei anzuwendenden Bestimmungen finden sich in Art II UmgrStG, insbesondere dessen § 7 Abs 1 Z 2 (vgl Staringer, Grenzüberschreitende Umwandlung nach dem Umgründungssteuergesetz SWI 1994, 118; zu Beispielen der steuerlichen Durchführung siehe Schwarzinger/Wieser, Umgründungssteuerleitfaden I² 356 ff). Auch das neuere Schrifttum bejaht die Zulässigkeit der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf ihren ausländischen Hauptgesellschafter unter der Voraussetzung, dass die Gesellschafter‑ und Gläubigerschutzbestimmungen auch im Ausland durchsetzbar sind (Kalss aaO vor § 1 UmwG Rz 13; Kalss, Die Umwandlung nach dem UmwG idF der RV zum EU‑GesRÄG 1996, ecolex 1996, 264; Roth, Die Rechtsstellung ausländischer Gesellschaften in der EU, GesRZ 1995, 1 ff [8]).

Die Einschreiter haben die im Umwandlungsgesetz 1996 bestimmte Vorgangsweise eingehalten und die Umwandlung unter Beachtung der Anmeldebestimmungen (§ 3 UmwG) zur Eintragung ins österreichische Firmenbuch angemeldet. Dass dieser Vorgang (seine Eintragung im österreichischen Firmenbuch) (nur) einen Vermögenszuwachs beim deutschen Alleingesellschafter vergleichbar einer Anwachsung nach § 142 HGB bewirkt und - anders als eine Verschmelzung - keinen Organisationsakt des "übernehmenden" Gesellschafters voraussetzt, wurde bereits dargetan. Mit anderen Worten, der deutsche Gesellschafter erwirbt österreichisches Vermögen, ohne dass dadurch in seine gesellschaftsrechtliche Organisationsstruktur eingegriffen wird. Mangels eines derartigen Eingriffs bedarf es aber auch keiner Anmeldung oder Eintragung der Umwandlung im deutschen Handelsregister als Voraussetzung für die nach dem Gesellschaftsstatut der umzuwandelnden Gesellschaft im Inland vorzunehmende Firmenbucheintragung.

Die von Lutter (dUmwG § 1 Rz 11 ff) im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umgründungsmaßnahmen vertretene Auffassung steht dem nicht entgegen. Er meint, die Regelungen der jeweiligen fremden Rechtsordnung seien mit den Anforderungen des deutschen Rechts zu kumulieren. Die "Hereinumwandlung" sei auch für den betroffenen deutschen Rechtsträger materiell eine Satzungsänderung, sodass die Anteilseigner des deutschen Rechtsträgers der "Hereinumwandlung" mit satzungsändernder Mehrheit zustimmen müssten. Es bedürfe auch einer Eintragung im deutschen Handelsregister (Rz 14). Abgesehen davon, dass der von Lutter verwendete Begriff "Hereinumwandlung" alle in § 1 Abs 1 Z 1 bis 4 dUmwG angeführten Fälle umfasst (somit auch Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel), bauen seine Überlegungen darauf auf, dass die nach ausländischem Recht beschlossene Umgründungsmaßnahme - wie etwa eine Verschmelzung oder ein Rechtsformwechsel - auch in das Organisationsrecht der deutschen Gesellschaft (ihre Satzung) eingreift. Dass es in derartigen Fällen einer entsprechenden Beschlussfassung der Gesellschafter der deutschen Gesellschaft und einer Eintragung auch im deutschen Handelsregister bedarf, ist nicht zweifelhaft. Dies bedeutet aber nicht, dass die nach österreichischem Recht zulässige Umwandlung durch Übertragung von Vermögen, die nur einen Vermögenszuwachs bei der deutschen Muttergesellschaft mit sich bringt, ohne sich auch auf deren Satzung auswirken, einer vorangehenden Eintragung ins deutsche Handelsregister bedürfte.

Dass das deutsche Umwandlungsgesetz die Gesamtrechtsnachfolge des Alleingesellschafters einer Kapitalgesellschaft durch Umwandlung nur nach verschmelzungsrechtlichen Grundsätzen ermöglicht (durch Aufnahme in ihren Alleingesellschafter, der eine natürliche Person sein muss, nach § 120 dUmwG oder durch Aufnahme nach § 2 Z 1 dUmwG) und dementsprechend auch von einem Organisationsakt sowohl beim übertragenden als auch beim übernehmenden Rechtsträger ausgeht, hindert die Eintragung der beim österreichischen Firmenbuchgericht angemeldete Umwandlung nicht. Zum einen findet das deutsche Umwandlungsgesetz nur auf Umgründungsvorgänge von Gesellschaften mit statutarischem Sitz in Deutschland Anwendung (§ 1 Abs 2 UmwG) und erfasst Umstrukturierungen außerhalb seines Anwendungsbereiches nicht (Lutter, dUmwG § 1 Rz 2 und 7). Zum anderen verwirklicht der nach dem Gesellschaftsstatut der österreichischen Gesellschaft zulässige und wirksame Vorgang keinen Organisationsakt bei dem dadurch bloß einen Vermögenszuwachs lukrierenden deutschen Alleingesellschafter.

Gegen die Eintragung der hier angemeldeten Umwandlung ins Firmenbuch bestehen auch aus Gesellschafter‑ und Gläubigerschutzerwägungen keine Bedenken. Abzufindende Minderheitsgesellschafter sind nicht vorhanden. Dem Gläubigerschutz dient die sinngemäß anzuwendende (§ 2 Abs 3 UmwG) Bestimmung des § 226 AktG, die den Gläubigern der umgewandelten wie auch jenen ihres Rechtsnachfolgers einen Sicherstellungsanspruch verschafft. Entscheidungen österreichischer Gerichte zugunsten inländischer Gläubiger sind in Deutschland vollstreckbar. Die Gläubiger der Alleingesellschafterin sind überdies insofern geschützt, als ein positiver Vermögenswert übertragen wird. Überdies hat die Muttergesellschaft des Alleingesellschafters eine Patronatserklärung zur Sicherung der Gläubigerforderungen abgegeben. Eine allfällige Verfolgung von Gläubigeransprüchen scheint daher nach Durchführung der Umwandlung auch in Deutschland gesichert.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen begegnet die Eintragung der hier angemeldeten Umwandlung keinen Bedenken. Den Revisionsrekursen der Einschreiter wird daher Folge gegeben und die begehrte Eintragung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes bewilligt. Der Vollzug der Eintragung hat durch das Erstgericht zu erfolgen, das auch über die Eintragung der Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung des deutschen Alleingesellschafters zu entscheiden haben wird.

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