Spruch:
Rang der rückständigen Pflegegebühren von Krankenanstalten im Konkurs.
Entscheidung vom 28. Juni 1961, 6 Ob 253/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht hat die Verlassenschaft, bestehend aus Aktiven (Einrichtungsgegenständen, Kleidung, Wäsche, Gebrauchsgegenständen) im Wert von 1100 S, dem erblasserischen Sohn Robert V. auf Abschlag seiner Forderung für gezahlte Begräbniskosten in der Höhe von 2057 S an Zahlungsstatt überlassen, hat dagegen eine Überlassung auf Abschlag der von der Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien zum Nachlaß angemeldeten Pflegegebühren im Betrag von 3020 S abgelehnt, da diese Gebühren nicht den gleichen, bevorrechteten Rang der Begräbniskosten genössen, somit im Nachlaß keine Deckung fänden.
Das Rekursgericht hat dein Rekurs des Magistrates der Stadt Wien Folge gegeben, den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neue Entscheidung aufgetragen. Die Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien sei eine Krankenanstalt gemäß §§ 2 Abs. 1 Z. 2 und 4 KAG., BGBl. Nr. 1/1957; ihre rückständigen, im letzten Jahr vor dem Tod der Erblasserin entstandenen Pflegegebühren gehörten gemäß § 47 KAG. in die erste Klasse der Konkursforderungen, hätten den im § 51 Abs. 1 Z. 4 KO. festgesetzten Rang und fielen somit in die Unterklasse I a. Das Erstgericht werde daher bei der Überlassung des Nachlasses neben der Begräbniskostenforderung des erblasserischen Sohnes auch die Verpflegskostenforderung der Heil- und Pflegeanstalt nach Feststellung ihrer den gesetzlichen Vorschriften (§ 148 ASVG.) entsprechenden Höhe zu berücksichtigen haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Robert V. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zulässig, da der Beschwerdegegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, die verhältnismäßige Überlassung eines nicht aus einem Geldbetrag bestehenden Nachlasses an Zahlungsstatt gemäß § 73 AußStrG. ist, dieser Beschwerdegegenstand daher nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht und das Rekursgericht in seinem Beschluß nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 AußStrG. ausgesprochen hat, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 1000 S nicht übersteigt.
Der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht, daß dem § 47 KAG. durch die spätere Abänderung des § 51 KO. mit dem Gesetz vom 18. November 1959, BGBl. Nr. 253, derogiert worden sei, kann nicht beigetreten werden. In den Materialien zu § 47 KAG. wird darauf verwiesen, daß schon im § 45 Abs. 4 und 5 des Krankenanstaltengesetzes 1920 Bestimmungen gleichartigen Inhaltes statuiert waren, daß schon vor dem Inkrafttreten des Krankenanstaltengesetzes 1920) gemäß einem Plenissimarbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 29. April 1919, SZ. I 98, Spitalsverpflegungskosten bezüglich des Teiles, der auf die im § 51 Z. 4 KO. bezeichneten Forderungen entfällt, nach dieser gesetzlichen Bestimmung, im übrigen, soweit sie den Charakter öffentlicher Abgaben tragen, nach § 52 KO. als bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 73 AußStrG. zu behandeln waren, daß im Hinblick auf diesen oberstgerichtlichen Beschluß sowohl im Krankenanstaltengesetz 1920 als auch nunmehr im § 47 KAG. die erforderliche Bestimmung hinsichtlich des Vorranges der Pflegekostenforderungen aufgenommen worden ist, um der durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes geschaffenen Rechtslage auch weiterhin Rechnung tragen zu können, und daß dadurch die Rangordnung rückständiger Pflegegebühren sowohl der öffentlichen als auch der nichtöffentlichen gemeinnützigen Krankenanstalten im Konkursverfahren geregelt ist (Nr.431 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP., und Nr. 164 dieser Beilagen, VIII. GP.). Daß die rückständigen Pflegegebühren von Krankenanstalten in die erste Klasse der Konkursforderungen gehören, wurde demnach vom Gesetzgeber nicht in der Konkursordnung durch eine Novellierung des § 51 KO., sondern im Krankenanstaltengesetz statuiert. Die Materialien zum Gesetz BGBl. Nr. 253/1959 heben hervor, daß dieses Gesetz in erster Linie nur eine Besserstellung der Dienstnehmer des insolvente Dienstgebers bezweckt, und nur nebenbei einige andere vordringliche Ergänzungen des Insolvenzrechtes (Nr. 641 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VIII. GP., und Nr. 51 dieser Beilagen, IX. GP.). Dafür, daß entgegen seinen - aus den erwähnten Materialien zu dem kurze Zeit vorher beschlossenen Krankenanstaltengesetz hervorgehenden - Absichten der Gesetzgeber unter Abgehen von einem lange bestehenden Rechtszustand nunmehr eine Schlechterstellung der Krankenanstalten als solche vordringliche Ergänzung der Konkursordnung angesehen hätte, ergibt sich aus den Materialien zum Gesetz BGBl. Nr. 253/1959 nicht der geringste Anhaltspunkt. Der Vergleich des Wortlautes des § 51 KO. in der Fassung vor diesem Gesetz mit der späteren Fassung läßt erkennen, daß diese Vorschrift mit Ausnahme ihrer auf die Dienstnehmer- und Handelsvertreterforderungen und auf die Sozialversicherungsbeiträge bezüglichen Teile unverändert gelassen wurde, daß insbesondere auch die Bestimmungen der Z. 4 der alten Fassung (des Abs. 1 Z. 4 der neuen Fassung) bezüglich der den Pflegegebührenforderungen von Krankenanstalten am nächsten verwandten Forderungen von Ärzten, Hebammen, Krankenwärtern und Apothekern unverändert geblieben sind. Es ist also anzunehmen, daß § 47 KAG. durch das Gesetz BGBl. Nr. 253/1959 nicht berührt werden sollte, vielmehr § 47 KAG. weiterhin - wie schon früher - neben § 51 KO. gelten soll, demnach die rückständigen Pflegegebühren der Krankenanstalten nach wie vor in die erste Klasse der Konkursforderungen gehören.
Die Frage, in welche der durch das Gesetz BGBl. Nr. 253/1959 gemäß dem Abs. 2 der neuen Fassung des § 51 KO. geschaffenen Unterklassen der Pflegegebührenrückstand gehört, läßt sich auf Grund der erwähnten Materialien des Gesetzes BGBl. Nr. 253/1959 dahin beantworten, daß die rückständigen Pflegegebühren von Krankenanstalten nunmehr in die Unterklasse I a zu verweisen sind, in der auch die ihnen nahestehenden Forderungen von Ärzten, Hebammen, Krankenwärtern und Apothekern aus ihren berufsmäßigen Leistungen oder Lieferungen deshalb mit Recht aufscheinen, weil solche Leistungen einem ihrer Bedürftigen wegen dessen befürchteter Zahlungsunfähigkeit nicht vorenthalten werden sollen. Wie sich aus den erwähnten Materialien ergibt, wurde die Unterklasse I b nur geschaffen, um die auf einem ganz anderen Rechtsgrund als die Pflegegebühren der Krankenanstalten beruhenden Beiträge zur Sozialversicherung nach der nunmehrigen Bestimmung des § 51 Abs. 1 Z. 5 KO. hinter die sonst in der ersten Klasse der Konkursforderungen zum Zuge kommenden Forderungen, aber doch vor die zweite Klasse zu reihen.
Es ist schließlich auf den Wortlaut des § 73 AußStrG. zu verweisen, in welcher Gesetzesstelle die Krankheits- und Leichenkosten als mit besonderem Vorrecht ausgestattete Forderungen ohne Rangunterschied nebeneinander angeführt werden.
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