Normen
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1 lite
Notariatszwangsgesetz §1 Abs1 lite
Spruch:
Ist bei einem unteilbaren Schuldverhältnis einer von mehreren auf einer Seite stehenden Vertragspartnern blind, dann hat der Mangel der für ihn vorgeschriebenen Form die Ungültigkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Diese Ungültigkeit kann nur gegenüber dem anderen Vertragsteil, nicht aber gegenüber dem auf derselben Seite stehenden Mitkontrahenten geltend gemacht werden.
Entscheidung vom 16. September 1959, 6 Ob 252/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Nach dem Kaufvertrag vom 22. Dezember 1952 haben der Kläger und die Erstbeklagte als Ehegatten die Liegenschaft EZ. 492 KG. W. gekauft, und es wurden beide je zur Hälfte als Eigentümer grundbücherlich eingetragen. Mit Kaufvertrag vom 19. Juli 1954 hat die Erstbeklagte ihre Liegenschaftshälfte ihrer und des Klägers ehelicher Tochter, der Zweitbeklagten, weiterveräußert, so daß nunmehr der Kläger und die Zweitbeklagte als Eigentümer im Grundbuch aufscheinen.
Der Kläger stellte nun gegen die Erstbeklagte das Begehren auf Ungültigerklärung ihres Eigentumserwerbes an der Hälfte der Liegenschaft, EZ. 492 KG. W. auf Grund des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952, gegen die Zweitbeklagte das Leistungsbegehren auf Übertragung der ihr auf Grund des Kaufvertrages vom 19. Juli 1954 zugeschriebenen Hälfte der vorbezeichneten Liegenschaft an ihn und Ausstellung einer Aufsandungsurkunde zum Zwecke seiner Eigentumseinverleibung an dieser Liegenschaftshälfte. Er begrundete die gegen beide beklagten Parteien gerichteten Begehren wie folgt:
1. Die Erstbeklagte habe ihn insoweit im einen wesentlichen Irrtum geführt, als sie durch den vorzitierten Kaufvertrag das Hälfteeigentum an der Liegenschaft in eigener Person erworben habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß der Kläger die Liegenschaft für sich allein erwerben wolle. Es liege daher listige Irreführung vor, wobei der Kläger auch in der Folge über seinen Irrtum nicht aufgeklärt worden sei.
2. Die Erstbeklagte habe zur Zeit des Kaufvertrages über kein Geld verfügt, so daß ihre Beteiligung am Kaufe der Liegenschaft einer Schenkung gleichkomme, die als Schenkung ohne wirkliche Übergabe einen Notariatsakt nach § 1 Abs. 1 lit. d NotariatszwangsG. erfordert hätte.
3. Zur Zeit des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952 sei der Kläger nach einer Kriegsverletzung aus dem Jahr 1915 blind gewesen. Da der Kaufvertrag somit auch nach § 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG. eines Notariatsaktes bedurft hätte, sei der Eigentumserwerb der Erstbeklagten auch aus diesem Gründe ungültig.
4. Die Zweitbeklagte habe von der listigen Irreführung des Klägers durch die Erstbeklagte gewußt und sei daher bei dem Erwerb der Liegenschaftshälfte von der Erstbeklagten im Jahr 1954 schlechtgläubig gewesen.
Das Erstgericht wies die gegen beide beklagten Parteien gerichteten Begehren mit der Begründung ab, daß nach den Feststellungen die Erstbeklagte dem Kläger gegenüber weder List angewendet habe noch dieser hinsichtlich des Eigentumserwerbes der Erstbeklagten an der Liegenschaftshälfte in einem Irrtum befangen gewesen sei. Geschenkt habe der Kläger der Erstbeklagten nicht die Liegenschaftshälfte, sondern den hiefür erforderlichen Kaufpreis, den sie als Verkaufserlös für eine dem Kläger allein gehörige Liegenschaft in A. mit zumindest stillschweigender Ermächtigung des Klägers in Empfang genommen und als Kaufschilling der Verkäuferin der Liegenschaft EZ. 492 KG, W. zwecks gemeinsamen Eigentumserwerbes beider Ehegatten wieder zugezählt habe. Für diese Schenkung seien keine Formvorschriften zu beachten gewesen. Schließlich sei der Kläger nach den getroffenen Feststellungen zur Zeit des Vertragsabschlusses vom 22. Dezember 1952 nicht blind im Sinne des § 1 NotariatszwangsG. gewesen.
Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Hinsichtlich der noch in der Berufung relevierten anspruchsbegrundenden Tatsachen führte das Berufungsgericht aus, der Kläger begehre bloß die Feststellung, daß der Eigentumserwerb der Erstbeklagten an der Hälfte der Liegenschaft EZ. 492 KG. W. auf Grund des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952 ungültig sei. Es solle also nur der Eigentumserwerb der Erstbeklagten an der Liegenschaftshälfte für ungültig erklärt werden, denn das Eigentum des Klägers an der mit dem Kaufvertrag vom 22. Dezember 1952 erworbenen Liegenschaftshälfte solle gewahrt bleiben. Da der Kläger die Ungültigkeit des Eigentumserwerbes der Erstbeklagten auf die Außerachtlassung der Formerfordernisse nach § 1 Abs. 1 lit. d und e NotariatszwangsG. grunde, eine derartige Außerachtlassung jedoch die Ungültigkeit des gesamten davon betroffenen Vertrages nach sich ziehe, strebe der Kläger gar nicht die Ungültigerklärung des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952 an, sondern die des zwangsläufig dem Kaufvertrag vorangegangenen mündlich geschlossenen Vertrages, nach welchem auf die mit dem Verkaufserlös der dem Kläger allein gehörigen Liegenschaft in A. zu erwerbende klagsgegenständliche Liegenschaft beide Ehegatten als Eigentümer eingetragen werden sollten. Diese vom Erstgericht unbedenklich festgestellte Vereinbarung zwischen den Ehegatten stelle allerdings einen Schenkungsvertrag dar; Gegenstand dieses Schenkungsvertrages sei aber nicht etwa die Hälfte der Liegenschaft EZ.492 KG. W., sondern der von der Ehegattin benötigte Kaufschilling zum Erwerb der Liegenschaftshälfte, die ihr bücherlich zugeschrieben werden sollte. Hierin folge das Berufungsgericht der Auffassung des Erstgerichtes. Der Kläger habe der Erstbeklagten zur Zeit der zustandegekommenen Einigung auch nicht eine Liegenschaftshälfte schenken können, weil diese erst mit Abschluß des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952 von Karoline B. erworben worden sei, der Kläger also vorher über die seiner Gattin überlassene Liegenschaftshälfte gar nicht habe verfügen können, nach Abschluß des Kaufvertrages aber eine weitere schenkungsweise Rechtshandlung des Klägers schon deswegen hinfällig gewesen sei, weil die Erstbeklagte bereits zufolge bücherlicher Durchführung des Kaufvertrages Hälfteeigentümerin der erworbenen Liegenschaft geworden sei. Der in Wirklichkeit angefochtene mündliche Schenkungsvertrag falle daher mit Rücksicht darauf, daß der Schenkungsgegenstand (Kaufschilling) der Erstbeklagten wirklich übergeben war, nicht unter § 1 Abs. 1 lit. d NotariatszwangsG. Er falle aber auch nicht unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG., da Blinde lediglich urkundliche Rechtsgeschäfte in der Form eines Notariatsaktes abschließen müßten. Der Kläger sei daher bei Abschluß des mit seiner Gattin mündlich getroffenen Schenkungsvertrages nicht an die Formvorschrift des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG. gebunden gewesen. Da somit die vom Kläger im Rahmen der Berufungsausführungen noch vorgebrachten Anfechtungsgrunde versagten, sei die Abweisung der Begehren zu Recht erfolgt, wobei darauf zu verweisen sei, daß das Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten nur dann hätte erfolgreich durchgesetzt werden können, wenn das gegen die Erstbeklagte gerichtete Begehren Erfolg gehabt hätte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bemerkt soll werden, daß entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die Ungültigkeit des Eigentumserwerbes der Erstbeklagten sinngemäß auch aus der Ungültigkeit des Kaufvertrages in seiner Gesamtheit mit Rücksicht auf die behauptete Blindheit des Klägers bei Vertragserrichtung abgeleitet wird, wenngleich der Kläger erklärt, den Kaufvertrag vom 22. Dezember 1952 "nur insoweit anzufechten", als die Erstbeklagte Eigentum erworben habe. Nun wäre die Wirkung der nach Behauptung des Klägers in seiner Person bei Vertragserrichtung bestandenen Blindheit (§ 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG.) auf die Gültigkeit des am 22. Dezember 1952 errichteten Kaufvertrages eine verschiedene, je nachdem von einer Unteilbarkeit oder Teilbarkeit des durch den Kaufvertragsabschluß entstandenen Schuldverhältnisses ausgegangen wird. Wird angenommen, daß der beiderseitige Parteiwille nicht auf eine Teilung des Schuldverhältnisses in der Weise gerichtet war, daß bei Wegfall eines der beiden Vertragsgenossen auf der Käuferseite der noch verbleibende Käufer gegen Zahlung des halben Restkaufschillings eine Liegenschaftshälfte erwerben solle, das Schuldverhältnis sohin, wie dies auch der Regel entspricht, als ein unteilbares anzusehen wäre, so hätte die Formungültigkeit der Vertragsurkunde, soweit der Kläger das Rechtsgeschäft in eigener Person geschlossen hat (§ 1 Abs. 1 lit. e letzter Halbsatz NotariatszwangsG.), allerdings auch die Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes in seiner Gesamtheit zur Folge. Da jedoch durch den Nichteintritt der beabsichtigten Vertragswirkungen in ihrer Gesamtheit lediglich die aus dem Schuldverhältnis entspringenden wechselseitigen Rechte und Pflichten berührt würden, als deren Träger die Vertragspartner auf der Verkäuferseite einerseits und auf der Käuferseite andererseits einander gegenüberstehen, so könnte der Kläger die aus der Unteilbarkeit des Schuldverhältnisses abgeleitete Ungültigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes nur gegenüber dem anderen Vertragsteil, somit der Verkäuferin Karoline B., geltend machen, nicht aber gegenüber der gleichfalls auf der Käuferseite stehenden Mitkontrahentin, der Erstbeklagten, mit welcher er im Falle der Unteilbarkeit des Schuldverhältnisses eine einheitliche Vertragspartei bildet. Wird jedoch von der Annahme ausgegangen, daß im Hinblick auf die Teilbarkeit der aus dem Schuldverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der beiderseitige Parteiwille auch auf eine Teilung des Schuldverhältnisses bei Wegfall eines Vertragsgenossen auf der Käuferseite gerichtet war, so könnte im Falle einer tatsächlich bestandenen Blindheit des Klägers bei Vertragserrichtung die Kaufvertragsurkunde der Vorschrift des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG. nur insoweit unterfallen, als der Kläger das Rechtsgeschäft in eigener Person geschlossen hat, insoweit also die aus dem Vertrag entspringenden Rechte und Pflichten die Person des Klägers betreffen. Keineswegs aber könnte eine Formungültigkeit des Eigentumserweibes der Erstbeklagten daraus abgeleitet werden, daß eine der im § 1 Abs. 1 lit. e NotariatszwangsG. genannten, allerdings auch von Amts wegen wahrzunehmenden, Voraussetzungen lediglich in der Person des Klägers vorgelegen war. Es fällt daher schon aus rechtlichen Gründen die Frage, ob der Kläger im Zeitpunkt der Vertragserrichtung blind im Sinne des Notariatszwangsgesetzes war, nicht in den Rahmen der gegenständlichen Entscheidung.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist von der Feststellung auszugehen, daß die Erstbeklagte vom Kläger zumindest stillschweigend ermächtigt war, den Verkaufserlös für die ihm gehörige Liegenschaft EZ. 231 KG. A. in Empfang zu nehmen und zur Zuzählung des Kaufschillings für die klagsgegenständliche Liegenschaft, welche nach dem Willen beider Ehegatten gemeinsam erworben werden sollte, zu verwenden. Es kann dahingestellt bleiben, ob hierin schon eine Schenkung mit wirklicher Übergabe zu erblicken ist, deren Gegenstand der von der Erstbeklagten zum Erwerb der Liegenschaftshälfte benötigte und vom Kläger übergebene Kaufschilling bildete, da auch die Auffassung, daß als Gegenstand der Vermögenszuwendung nur die von beiden Ehegatten beabsichtigte, im Zweifel gleichteilige Beteiligung der Erstbeklagten am Liegenschaftserwerb anzusehen wäre, zum gleichen rechtlichen Ergebnis führt. Die der Erstbeklagten erteilte Ermächtigung, die Liegenschaft gemeinsam, sohin auch im eigenen Namen, zu erwerben, läßt jedenfalls auch die rechtliche Beurteilung als Auftrag zum Ankauf für den Beauftragten (mandatum tua gratia) zu. In einem solchen Auftrag wäre ein allerdings der Notariatsaktform bedürftiges Schenkungsversprechen zu erblicken, da der auf die Erstbeklagte entfallende Liegenschaftsanteil erst mit Abschluß und Durchführung des Kaufvertrages erworben und daher auch nicht bei Abgabe des Schenkungsversprechens wirklich übergeben werden konnte (vgl. GlU. 15.123). Die zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten zustandegekommene Einigung, die letztere am Liegenschaftserwerb zu beteiligen, hätte daher nach dieser Auffassung zwar nicht nach § 1 Abs. 1 lit. e, wohl aber nach § 1 Abs. 1 lit. d NotariatszwangsG. zu ihrer Gültigkeit der Notariatsaktsform bedurft, jedoch nur insolange, als der Formmangel nicht durch spätere wirkliche Übergabe nach Zustandekommen der Einigung geheilt war. Dies folgt schon aus der Bestimmung des § 1432 ABGB., wonach allgemein die Rückforderung einer geschuldeten Leistung dann versagt wird, wenn die Schuld nur aus Mangel der Förmlichkeit ungültig ist. Voraussetzung ist allerdings, daß noch im Zeitpunkt der wirklichen Übergabe der einverständlich auf Geben und Nehmen der Sache gerichtete Parteiwille der Vertragsteile bestanden hat. Hiezu steht fest, daß das Eigentumsrecht der Erstbeklagten an der Liegenschaft EZ. 492 KG. W. auf Grund des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1952 am 11. Februar 1953 zur Hälfte einverleibt wurde, nachdem der Kläger am 2. Jänner 1953 das mit der Erstbeklagten gemeinsam gerichtete Ansuchen um Genehmigung des Kaufvertrages mitgefertigt hat. Weiter steht fest, daß die Erstbeklagte von der geänderten Stellungnahme des Klägers, wie sie bei seiner Vorsprache beim Beklagtenvertreter am 26. Dezember 1952 zum Ausdruck kam, erst im Zuge dieses Prozesses erfahren hat. Der der Erstbeklagten erkennbar zum Ausdruck gebrachte Parteiwille des Klägers ging daher auch am 11. Februar 1953, dem Tag ihrer Eigentumseinverleibung, welcher als der Zeitpunkt der wirklichen Übergabe der schenkungsweise versprochenen Liegenschaftshälfte anzusehen wäre, nach wie vor auf Erfüllung des Schenkungsvertrages. Das in dem Auftrag zum Ankauf einer Liegenschaftshälfte für die Erstbeklagte zu erblickende, zuerst formlos abgegebene Schenkungsversprechen ist daher jedenfalls später durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Erstbeklagten erfüllt worden, was im Ergebnis die gleiche Wirkung hätte, wie wenn die geschenkte Sache schon bei zustandegekommener Einigung wirklich übergeben worden wäre. Es erweist sich somit die Abweisung der Klagebegehren schon aus den dargelegten Gründen als gerechtfertigt.
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