OGH 6Ob23/94

OGH6Ob23/947.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der H***** Gesellschaft mbH in Liquidation mit dem Sitz in S*****, infolge Revisionsrekurses des Notliquidators Dr.Helmut E*****, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24.6.1994, GZ 6 R 105/94, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 29.April 1994, FN 44691-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Gesellschaft befindet sich in Liquidation und verfügte nach Löschung des bisherigen Geschäftsführers und Liquidators über kein vertretungsbefugtes Organ. Am 18.1.1994 beantragte die M***** GesmbH die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft in Liquidation, weil die Zustellung einer eingebrachten Klage gegen die Gesellschaft mangels eines Zustellungsbevollmächtigten gescheitert war. Über Anfrage des Erstgerichtes, ob einer der Salzburger Rechtsanwälte zur Übernahme der Funktion eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG bereit sei, teilte die Rechtsanwaltskammer Salzburg mit, Rechtsanwalt Dr.Helmut E***** habe sich bereit erklärt, die Funktion eines Notgeschäftsführers zu übernehmen. Mit rechtskräftig gewordenem Beschluß vom 14.2.1994 bestellte das Erstgericht diesen Anwalt zum selbständigen vertretungsbefugten Notgeschäftsführer (richtig Notliquidator) gemäß § 15a GmbHG, begründete seine Entscheidung mit dem Mangel eines vertretungsbefugten Organes und trug dem Notgeschäftsführer auf, binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Beschlusses seine Eintragung in das Firmenbuch zu beantragen und eine Musterzeichnung vorzulegen. Diesem Auftrag kam der bestellte Rechtsanwalt nach und wurde im Firmenbuch eingetragen.

Mit Schriftsatz vom 21.4.1994 beantragte der Notliquidator, ihn abzuberufen und ihn im Firmenbuch zu löschen. Zweck seiner Bestellung sei es "vor allem" gewesen, die Zustellung einer Klage zu ermöglichen. Dies sei geschehen; der Zweck und die Dringlichkeit seiner Bestellung sei damit weggefallen. Er habe keinen Zugang zu Geschäftsunterlagen und erhalte Bescheide des Finanzamtes zugestellt, deren Überprüfung ihm nicht möglich sei. Die Aufrechterhaltung seiner Funktion sei ihm nicht zumutbar.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dem vom Gericht bestellten Notliquidator sei ein Enthebungsanspruch nur aus triftigen Gründen zuzubilligen. Die Bestellung sei ohne Einschränkung auf ein bestimmtes Geschäft erfolgt. Der Bestellungsgrund, das Fehlen eines vertretungsbefugten Organes der Gesellschaft, sei nicht weggefallen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Notliquidators keine Folge. Die Rechtsprechung gestatte zwar die Bestellung eines Notgeschäftsführers nur für einzelne Handlungen, die Bestellung des Rekurswerbers sei jedoch ohne Einschränkung erfolgt. Er habe den Bestellungsbeschluß, ohne ein Rechtsmittel gegen die umfassende Bestellung zu erheben, in Rechtskraft erwachsen lassen und seine Eintragung im Firmenbuch beantragt. Eine Enthebung sei nur aus triftigen Gründen möglich, die bei der Bestellung nicht vorhersehbar gewesen seien. Ein solcher triftiger Grund sei nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Möglichkeit der Abberufung eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators noch fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 22.2.1994, 6 Ob 3/94, unter Darlegung der in der Literatur vertretenen Meinungen zur Abberufung eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators Stellung genommen und ausgeführt, daß es, solange der Vertretungsnotstand der Gesellschaft, zu dessen Behebung die Bestellung eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators erfolgte, nicht behoben ist, zur Beendigung von dessen Funktion eines entsprechenden Enthebungsbeschlusses bedarf, der Grundlage für die - bloß deklarative - Löschungseintragung im Firmenbuch ist. Dem grundsätzlich nicht bloß im Interesse des Antragstellers, sondern auch im Interesse der sonstigen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Partner der Gesellschaft zur Behebung des sich aus einer konkreten Lage ergebenden Vertretungsmangels gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer (Notliquidator) ist nur aus triftigen Gründen ein Enthebungsanspruch zuzubilligen. Er hat nämlich die Funktion in einer bestimmten Notlage (bis zu deren Behebung) übernommen und ist deshalb nur aus besonderen, bei seiner Bestellung nicht vorhersehbaren Gründen vorzeitig zu entheben.

Solche nicht vorhersehbare besondere Enthebungsgründe liegen hier nicht vor. Sowohl die Anfrage des Erstgerichtes an die Rechtsanwaltskammer S***** als auch der nach der Erklärung des Rechtsmittelwerbers, "zur Übernahme der Funktion eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG bereit zu sein", gefaßte Bestellungsbeschluß enthielten keine Einschränkung der Funktion auf nur eine ganz bestimmte Rechtshandlung. Es ist lediglich in der Entscheidungsbegründung der Anlaß, der die Bestellung über Antrag eines Gläubigers der Gesellschaft notwendig machte, angeführt. Schon aus der Aufforderung des Firmenbuchgerichtes an den bestellten Notliquidator, seine Eintragung in das Firmenbuch zu beantragen und eine Musterzeichnungserklärung vorzulegen (der der Rechtmittelwerber auch nachgekommen ist), war klar ersichtlich, daß die Bestellung für die Dauer des Vertretungsnotstandes erfolgte. Sie ist, sich aus dem eigenen Vorbringen des Rechtsmittelwerbers über Zustellungen von Bescheiden des Finanzamtes und aus einem Antrag eines weiteren Gläubigers ergibt, auch weiterhin erforderlich. Solche Agenden eines Notliquidators aber waren ebenso vorhersehbar wie die Tatsache, daß ein nur gegenüber der Gesellschaft bestehender Entlohnungsanspruch wohl nur schwer durchsetzbar sein werde, wenn die Auflösung der Gesellschaft wegen Abweisung eines Konkurseröffnungsantrages mangels kostendeckenden Vermögens erfolgt ist. Auch eine gesellschaftsfremde Person, die sich zur Übernahme der Funktion eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators bereit gefunden hat, kann sich nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses daher nicht mehr auf die Unzumutbarkeit der Wahrnehmung gerade jener Funktionen berufen, deren Ausübung zur Behebung des Notstandes aller Voraussicht nach erforderlich wird. Im Hinblick auf das bereits vor der Beendigung stehende Amtslöschungsverfahren kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die Tätigkeit noch einen bei Übernahme des Amtes nicht absehbaren unverhältnismäßigen weiteren Aufwand erfordern könnte.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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