Normen
ABGB §1090
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 2
HGB §110
ABGB §1090
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 2
HGB §110
Spruch:
Zur Einbringung von Mietrechten in eine offene Handelsgesellschaft quod Dominium.
Entscheidung vom 22. Oktober 1958, 6 Ob 232/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Beklagte betrieb in einem von ihr gemieteten Lokal einen Kleinhandel mit Kanditen, Schokolade usw. Dieses Geschäft war von ihrem ersten Gatten arisiert worden. Im Zuge eines gegen sie anhängig gemachten Rückstellungsverfahrens erklärten sich die geschädigten Eigentümer bereit, auf ihre Ansprüche gegen Zahlung von 60.000 S zu verzichten. Da die Beklagte über derartige Barmittel nicht verfügte, wandte sie sich an den Kläger, einen Süßwarengroßhändler, den sie als Lieferanten kannte. Dieser erklärte sich bereit, den Betrag gegen Einräumung einer Hälftebeteiligung am Unternehmen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, was sie annahm. Mit dem vom Kläger durch Verkauf von zwei Geschäftsautos beschafften Betrag zahlte sie den Rückstellungswerbern die bedungene Abstandssumme aus.
Am 26. April 1952 schlossen die Parteien einen in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. R. von dessen Substituten Dr. G. verfaßten, ab 1. April 1952 wirksamen Vertrag ab, wonach sie sich zu einer offenen Handelsgesellschaft Z. & R. zwecks Betriebes des bisher der Beklagten gehörigen Kanditengeschäftes vereinigten. Laut Punkt II des Vertrages brachte die Beklagte die Hauptmietrechte am Geschäftslokal, die Geschäftseinrichtung und ein Warenlager ein, wovon die Mietrechte den wichtigsten Vermögenswert darstellten. Der Kläger brachte eine Bareinlage von 20.000 S ein, wobei einvernehmlich festgestellt wurde, daß jeder der Gesellschafter durch diese Sach- bzw. Bareinlagen einen Hälfteanteil am Unternehmen erworben habe. Laut Punkt IX gewährte der Kläger dem Unternehmen für die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses ein unverzinsliches Darlehen von 40.000 S, als dessen Zweck die Abfindung der Rückstellungsansprüche gegen die Beklagte angeführt wurde. Im Punkt X wurden Vereinbarungen über Dauer und Verlängerung der Gesellschaft getroffen und festgelegt, sie könne (nach der mittlerweile eingetretenen Verlängerung auf unbestimmte Zeit) unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist jeweils zum 31. März oder 30. September aufgekundigt werden. Im Punkt XII wurde für den Fall der Auflösung der Gesellschaft durch Ausscheiden eines der Gesellschafter dem verbleibenden Gesellschafter das Recht eingeräumt, das Unternehmen unter dem bisherigen Firmenwortlaut unter Ausschluß der Liquidation mit allen Aktiven und Passiven zu übernehmen und weiterzuführen; in diesem Vertragspunkt wurde schließlich noch durch Bezugnahme auf Vereinbarungen, die im Punkt XI für den Fall des Ablebens eines Gesellschafters getroffen wurden, festgelegt, wie das Ausscheidungsguthaben zu errechnen und zu berichtigen sei.
Die Beklagte legte in der Folgezeit ihre Gewerbeberechtigung zugunsten der Gesellschaft zurück; zugleich mit der Erteilung des Gewerbescheines an die Gesellschaft wurde auch die Bestellung der Beklagten zur Geschäftsführerin von der Gewerbebehörde zur Kenntnis genommen.
Die Frage der Übertragung der Mietrechte wurde zwischen den Parteien schon im Zuge von Verhandlungen erörtert, die noch vor Inanspruchnahme der Kanzlei des Dr. R. stattfanden. Die Beklagte äußerte sich damals, sie müsse noch mit dem Hausverwalter, dem Rechtsanwalt Dr. B., Rücksprache nehmen, doch werde dieser keine besonderen Schwierigkeiten machen. Weder der Kläger noch die Beklagte haben bei dieser Gelegenheit die Wirksamkeit des abzuschließenden Gesellschaftsvertrages vom Einverständnis des Hausverwalters zur Übertragung der Mietrechte auf die Gesellschaft abhängig gemacht.
Auch bei den Verhandlungen in der Kanzlei des Dr. R. kam dieses Thema und auch die Frage zur Erörterung, welche Folgen sich aus einer etwaigen Weigerung des Hausverwalters, der Mietrechtsübertragung zuzustimmen, ergäben. Dr. G. belehrte die Parteien hiezu, daß eine solche Weigerung im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer Kündigung für die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses als gegenstandslos anzusehen sei. Auch bei dieser Gelegenheit machten die Parteien die Zustimmung des Hausverwalters nicht zur Bedingung der Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages. Ebensowenig sprachen sie einen Verzicht auf die Einbringung der Mietrechte für den Fall einer Zustimmungsverweigerung des Hausverwalters aus.
Nachdem schon eine Vorsprache der Parteien beim Hausverwalter erfolglos geblieben war, weil von der Beklagten für die Zustimmung zur Übertragung der Mietrechte zu wenig geboten wurde, brachte die Gesellschaft ihre Gründung mit Schreiben vom 15. Jänner 1953 dem Hausverwalter förmlich zur Kenntnis, doch erklärte dieser in seinem an die Beklagte gerichteten Antwortschreiben vom 19. Jänner 1953, er sei mit der Übertragung der Mietrechte nicht einverstanden und betrachte nach wie vor die Beklagte als Mieterin. Der Zins wurde schon seit 1. April 1952 aus Gesellschaftsmitteln bezahlt, woran sich auch in der Folge nichts änderte.
Differenzen der Parteien über die Kassaführung veranlaßten die Beklagte, die Gesellschaft unter Einhaltung der im Vertrag festgelegten Modalitäten zum 30. September 1957, und zwar unter anwaltlicher Intervention, aufzukundigen. Der Kläger nahm dies nach einer Aussprache mit der Beklagten und nach Vorhalt der Rechtslage zur Kenntnis, wobei er auf ihre noch unerfüllte Verpflichtung zur Einbringung der Mietrechte hinwies. Der Rechtsfreund der Beklagten nahm in der folgenden Korrespondenz mit dem Kläger den Standpunkt ein, die Gesellschaft sei im Hinblick auf die seinerzeitige Weigerung des Hausverwalters, der Übertragung der Mietrechte zuzustimmen, als Untermieterin der Beklagten anzusehen, was der Kläger unter Urgenz der Mietrechtsübertragung ablehnte.
Nach Aufkündigung der Gesellschaft durch die Beklagte sprachen der Kläger und sein Anwalt beim Hausverwalter vor und teilten ihm die Aufkündigung der Gesellschaft und den Übergang des Unternehmens auf den Kläger mit. Der Hausverwalter erklärte nunmehr, mit der Übertragung der Mietrechte allenfalls einverstanden zu sein, dies aber unter der Voraussetzung einer Verzichtserklärung der Beklagten zugunsten der Gesellschaft.
Als der Kläger am 1. und 2. Oktober 1957 die Geschäftsschlüssel verlangte und das Geschäft allein weiterzuführen versuchte, verweigerte die Beklagte die Schlüsselübergabe und verhinderte eine ungestörte Geschäftsführung durch den Kläger.
Im vorliegenden Rechtsstreit stellte der Kläger die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Begehren a) auf Feststellung, daß 1. die Beklagte mit 30. September 1957 aus der oHG. Z. & R. ausgeschieden, der Kläger ab 1. Oktober 1957 Alleininhaber und zur Fortführung des Unternehmens unter der unveränderten Firma allein berechtigt sei, weiters daß er 2. allein berechtigt sei, die Hauptmietrechte an dem Geschäftslokal auszuüben, sowie b) auf Verurteilung der Beklagten 1. zur Abgabe aller Erklärungen und Setzung aller Unterschriften, die zu ihrer Löschung als Gesellschafterin und zur Umwandlung der Firma in eine Einzelfirma nötig seien, 2. zur Unterlassung von Verfügungen über das Firmenvermögen, des Eingehens von Verbindlichkeiten für die Firma, von Störungen der Betriebsführung des Klägers, insbesondere einer Verkaufs- oder sonstigen geschäftlichen Tätigkeit, 3. auf Unterlassung von Verfügungen über die Mietrechte am Geschäftslokal ohne ausdrückliche Weisung des Klägers, insbesondere von Verfügungen zu anderen als zu Gesellschaftszwecken, und 4. auf Abgabe einer Verzichtserklärung bezüglich der Mietrechte dem Hausverwalter egenüber unter der Bedingung der Mietrechtsübertragung auf den Kläger.
Der Erstrichter gab diesem Begehren statt; die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Eine zum Bereich der Sachverhaltsermittlung gehörige, im Revisionsverfahren unüberprüfbare Feststellung, daß sich die Beklagte zur Übertragung der Mietrechte auf die Gesellschaft verpflichtet habe, liegt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht vor. Der Erstrichter hat diese Verpflichtung der Beklagten lediglich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages abgeleitet. Die Richtigkeit seiner Vertragsauslegung kann im Rahmen der Rechtsrüge bekämpft werden.
Die Schlußfolgerungen des Erstrichters erscheinen aber keineswegs unlogisch, wenn man die Vereinbarungen der Parteien, insbesondere die Bestimmungen der Vertragspunkte II, IX, XI und XII, zusammenhält und sie unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Gesellschaftsgrundung beurteilt. Die Parteien spalteten den vom Kläger zur Verfügung gestellten Betrag von 60.000 S rechnungsmäßig auf. Ein Teilbetrag von 40.000 S scheint im Punkt IX als Darlehen an das Gesellschaftsunternehmen mit dem Hinweis auf den Zweck der Abfindung von Rückstellungsansprüchen gegen die Beklagte auf; diese Rückstellungsansprüche hatten naturgemäß auch die Mietrechte bedroht. Im Punkt II ist festgehalten, daß der Kläger durch die Bareinlage der restlichen 20.000 S und die Beklagte durch ihre Sacheinlage je einen Hälfteanteil am Stamm des Gesellschaftsunternehmens erwarben. Für den Fall der Auflösung der Gesellschaft, sei es durch Tod (Punkt XI), sei es durch sonstiges Ausscheiden eines Gesellschafters (Punkt XII), wurde dem verbleibenden Gesellschafter das Recht eingeräumt, das Unternehmen unter Ausschluß der Liquidation mit allen Aktiven und Passiven zu übernehmen und weiterzuführen. In beiden Fällen wurde zur Ermittlung des Ausscheidungsguthabens die Errichtung eines Inventars und einer Handelsbilanz unter Auflösung der stillen Reserven und unter Veranschlagung eines good will vorgesehen. All dies entspricht einer Widmung quoad Dominium. Daß dies auch für die Mietrechte gilt, ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus den von den Unterinstanzen festgestellten Bemühungen um die Zustimmung des Hausverwalters Dr. B. zur Mietrechtsübertragung, an denen sich die Beklagte ebenfalls beteiligte. Es fehlt überdies jeder Anhaltspunkt für eine Absicht der Parteien, auf die Mietrechte am Geschäftslokal nicht Bedacht zu nehmen, falls es doch zu einer Liquidation kommen sollte. Es liegt diesmal also ein Fall vor, der sich von dem der Entscheidung SZ. XXVI 237 zugrunde liegenden Sachverhalt durchaus unterscheidet. Unter diesen Umständen kann auch aus der Bestimmung des Art. 7 Nr. 2 Abs. 2 der 4. EVzHGB. für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen werden. Ihre Verpflichtung, alles zu tun, um die Mietrechtsübertragung zu bewerkstelligen, folgt aus der Widmung quoad dominium.
Die Beklagte versucht, den Folgen der von den Unterinstanzen getroffenen Feststellung, die Parteien hätten bei keiner Gelegenheit die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages von der Zustimmung des Hausverwalters zur Übertragung der Mietrechte auf die Gesellschaft abhängig gemacht, mit dem Argument zu entgehen, sie habe ihre (in diesem Zusammenhang nicht länger bestrittene) Verpflichtung nur unter der stillschweigenden Bedingung der Zustimmung des Hausverwalters übernommen. Sie vermag aber nicht aufzuzeigen, aus welchen Handlungen oder Unterlassungen sich dies unter Berücksichtigung der Gewohnheiten des redlichen Verkehrs zweifelsfrei, und zwar als Absicht beider Parteien, ergeben müßte. Aus der Fortsetzung der Gesellschaft nach dem Ablehnungsbrief des Hausverwalters am 19. Jänner 1953 kann ein Verzicht des Klägers auf die Übertragung der Mietrechte an die Gesellschaft, bzw. auf seine diesbezüglich aus dem Vertrag für den Fall der Gesellschaftsauflösung ableitbaren Ansprüche (Punkt XI und XII), zweifelsfrei (§ 863 ABGB.) nicht erschlossen werden. Zweifelsfrei ergibt sich nur, daß der Kläger vorläufig mit einer Verschiebung der Änderung in den Mietverhältnissen einverstanden war.
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