OGH 6Ob220/60

OGH6Ob220/603.8.1960

SZ 33/80

Normen

Außerstreitgesetz §2 Abs2 Z7
Außerstreitgesetz §125
Außerstreitgesetz §2 Abs2 Z7
Außerstreitgesetz §125

 

Spruch:

Verteilung der Parteirollen und Setzung einer Frist zur Einbringung der Klage ist bei Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. nur bei Abhängigkeit der Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung von der Entscheidung der auf den Rechtsweg verwiesenen Sache zulässig.

Entscheidung vom 3. August 1960, 6 Ob 220/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Neusiedl am See; II. Instanz:

Landesgericht Eisenstadt.

Text

Josef W. ist am 22. Februar 1958 gestorben. Er war mit Elisabeth W. verheiratet, hatte aber keine Kinder. Der Erblasser hinterließ einen notariellen Erbvertrag und ein wechselseitiges Testament vom 29. April 1931 und eine letztwillige Erklärung vom 30. Juli 1949. In der letzteren, betitelt "gemeinschaftliches gegenseitiges Testament", setzten sich die beiden Ehegatten Josef W. und Elisabeth W. gegenseitig als Alleinerben ein und verfügten weiters, daß nach dem Tod des überlebenden Ehegatten hinsichtlich der Erbschaftsregelung die gleiche Anordnung wie im Fall des gemeinsamen Ablebens der Ehegatten in diesem Testament zu gelten habe. Letztere sieht vor, daß Alleinerbe des gesamten Vermögens der erblasserische Neffe Leo W. ist, an dessen Stelle jedoch für den Fall, als er die Ehegatten Josef W. und Elisabeth W. nicht überleben sollte, der erblasserische Neffe Franz W. jun. unter der auflösenden Bedingung zu treten habe, daß er am Anfallstag der Nacherbschaft bereits die Zimmermeisterprüfung mit Erfolg abgelegt habe und sich ausdrücklich verpflichte, die erblasserische Zimmerei und Holzhandlung weiterzuführen. Nach der erblasserischen Anordnung hat bei Eintritt dieser auflösenden Bedingung an Stelle des Ersatzerben Franz W. jun. der Sohn des Haupterben Leo W., nämlich Josef W. jun., als Nacherbe, schließlich haben aber für den Fall, daß keiner der bisher genannten Erben den zurückgebliebenen Ehegatten überlebt, Otto W. oder dessen gesetzliche Erben als Nacherben einzutreten.

Im Verlassenschaftsverfahren hat lediglich die erblasserische Witwe auf Grund der letztwilligen Erklärung des Erblassers vom 30. Juli 1949 die Erbserklärung ohne die Rechtswohltat des Inventars abgegeben; diese Erklärung wurde auch vom Gericht angenommen. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens wurde das Inventar errichtet.

Die vorgenommene Einsetzung des erblasserischen Neffen Leo W. und der übrigen, allenfalls an seine Stelle tretenden, weiteren Erben in der letztwilligen Erklärung vom 30. Juli 1949 stellt nach der Ansicht der Beteiligten eine fideikommissarische Substitution dar. Während aber die erblasserische Witwe behauptet, daß der Erblasser den fideikommissarischen Substituten nur das zukommen lassen wollte, was im Zeitpunkt des Todes der überlebenden Ehegattin vom Nachlaß noch vorhanden sei, daß also eine Substitution auf den Überrest vorliege, behauptet der fideikommissarische Substitut Leo W. das Vorliegen einer gewöhnlichen fideikommissarischen Substitution.

Das Erstgericht hat die erblasserische Witwe zur Entscheidung der Frage, ob eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest oder eine gewöhnliche fideikommissarische Substitution vorliege, unter Zuteilung der Klägerrolle auf den Rechtsweg verwiesen und ihr gleichzeitig unter Setzung einer Frist von einem Monat den Auftrag erteilt, die Klage gegen den Substitutionserben Leo W. einzubringen, widrigenfalls die Abhandlung unter Annahme einer unbeschränkten Substitution fortgesetzt würde.

Das Rekursgericht änderte auf Rekurs der erblasserischen Witwe den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Beteiligten - also nicht bloß die erblasserische Witwe - zur Klärung der Frage, ob die im Testament vom 30. Juli 1949 angeordnete fideikommissarische Substitution eine Substitution auf den Überrest sei oder nicht, auf den Rechtsweg verwiesen wurden und die weiteren Verfügungen des Erstgerichtes (Zuteilung der Klägerrolle und Fristsetzung) zu entfallen hätten.

Dagegen richten sich die Rekurse des erblasserischen Neffen Leo W. und der erblasserischen Witwe. Der erblasserische Neffe Leo W. beantragt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, die erblasserische Witwe dessen Abänderung dahingehend, daß die Rechtsfrage, ob eine Nacherbschaft auf den Überrest vorliege oder nicht, entschieden werde, allenfalls daß der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung über diese Rechtsfrage aufgetragen werde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Leo W. Folge und änderte den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß hinsichtlich der Zuteilung der Klägerrolle an die erblasserische Witwe und hinsichtlich der Setzung einer Frist zur Einbringung der Klage, somit zur Gänze, wiederhergestellt wurde. Die Witwe wurde mit ihrem Rekurs, dem keine Folge gegeben wurde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß es sich diesfalls um die Auslegung einer letztwilligen Erklärung handle und daß zur Entscheidung der Frage, ob der Erblasser nur eine Nacherbschaft auf den Überrest verfügen wollte, ermittelt werden müsse, was der Erblasser im konkreten Falle gewollt habe. Dem Rekursgericht ist dahin beizustimmen, daß ein unbestrittener Sachverhalt nicht vorliegt und zwischen den Beteiligten keineswegs nur streitig ist, welchen gesetzlichen Bestimmungen ein bereits feststehender Sachverhalt unterstellt werden soll. Es wird im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes auf die besonderen Umstände des Falles Rücksicht zu nehmen sein, wobei es Sache der Beteiligten sein wird, die entsprechenden Beweise zu beantragen. Mit Recht haben die Untergerichte angenommen, daß es sich hier um Tatumstände handelt, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins Klare setzen lassen, so daß hier über die Rechte der Parteien nicht voreilig entschieden werden kann, sondern gemäß § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. auf den Rechtsweg zu verweisen ist.

Somit war dem Rekurs der erblasserischen Witwe der Erfolg zu versagen.

Hingegen kommt dem Rekurs des erblasserischen Neffen Leo W. als Substitutionserben Berechtigung zu. Er beantragt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses auch hinsichtlich der Zuteilung der Klägerrolle an die erblasserische Witwe und hinsichtlich der Setzung einer Frist für die Klagseinbringung.

Im § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. wird zwar nur gesagt, daß "die Beteiligten auf den Rechtsweg zu verweisen sind". Wenn es sich aber, wie diesfalls, um widerstreitende Standpunkte der in Betracht kommenden Beteiligten handelt, von deren Lösung die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens abhängt, sind entsprechend dem Aufbau und Sinn des Außerstreitgesetzes die Bestimmungen der §§ 125 ff. AußStrG. analog heranzuziehen (vgl. 7 Ob 239/57, auch Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, S. 78 f.). Der Bezugnahme des Rekursgerichtes auf die dem entgegenstehende Rechtsprechung ist entgegenzuhalten, daß die von ihm herangezogenen Entscheidungen nicht solche Fälle betreffen, deren Lösung zur Durchführung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens von Bedeutung war. So behandelt die Entscheidung SZ. IV 140 die Frage, ob eine offene Handelsgesellschaft durch den Tod des Erblassers erloschen ist oder mit den Erben fortgesetzt werden soll. Die Entscheidung SZ. XIV 158 betrifft streitig gebliebene Fragen der Erbteilung, die aber die Einantwortung nicht hindern. Der Entscheidung SZ. XXI 52 liegt ein Streit zwischen den gesetzlichen Erben und den Legataren über die Gültigkeit eines Kodizills zugrunde, wodurch gleichfalls die Einantwortung des Nachlasses nicht gehemmt wird. Die Entscheidung RiZ. 1937 S. 345 betrifft den Streit der Erben darüber, was in das Inventar als Aktivum oder als Passivum aufzunehmen ist; was in das Inventar aufzunehmen ist, hat aber jedenfalls der Abhandungsrichter nach den Bestimmungen des Außerstreitgesetzes zu verfügen, wobei der Entscheidung über das strittige Eigentum an einzelnen Sachen die im Rechtswege zu erfolgen hat, nicht vorgegriffen wird. Die Errichtung des Inventars und damit auch der Fortgang des Verlassenschaftsverfahrens werden dadurch nicht aufgehalten, eine Unterbrechung des Verlassenschaftsverfahrens zum Zweck der Austragung eines solchen Rechtsstreites kommt nicht in Betracht und daher auch in einem solchen Fall nicht die Zuteilung der Klägerrolle und die Bestimmung einer Frist. Einen ähnlichen Fall hat die Entscheidung ZBl. 1917 Nr. 98 zum Gegenstand. In allen diesen Fällen wird der Gang des Abhandlungsverfahrens durch die Lösung der in Betracht kommenden Fragen nicht aufgehalten; in solchen Fällen besteht daher auch für den Abhandlungsrichter keine Veranlassung, der Austragung solcher Differenzen im Rechtsweg dadurch vorzugreifen, daß er die Parteirollen verteilt und Fristen zur Einbringung der Klage bestimmt. Die Lösung der vorliegendenfalls strittigen Frage, ob nach dem festzustellenden Willen des Erblassers nur eine Nacherbschaft auf den Überrest anzunehmen ist oder nicht, ist aber für die Fortführung des Verlassenschaftsverfahrens von wesentlicher Bedeutung; deshalb hat der Abhandlungsrichter hier auch darauf zu sehen, daß die Fortführung des Verfahrens nicht aus diesem runde ungebührlich verzögert werde; dies kann er aber nur dadurch, daß er in sinngemäßer Anwendung der §§ 125 ff. AußStrG. die Parteirollen im Rechtsstreit verteilt.

Es ist auch durchaus gerechtfertigt, die Klägerrolle der erblasserischen Witwe zuzuteilen, weil sich im Testament selbst kein Hinweis auf die Beschränkung der Nacherbschaft auf den Überrest vorfindet und auch die Angaben des Testamentsvollstreckers zumindest prima facie eher dagegen sprechen, daß der Erblasser eine solche Beschränkung verfügen wollte.

Da im vorliegenden Fall die Bestimmungen der §§ 125 ff. AußStrG. über die Verteilung der Parteirollen sinngemäß anzuwenden sind, bestehen schließlich auch keine Bedenken gegen die Bestimmung einer angemessenen, unter Umständen erstreckbaren Frist zur Klagseinbringung im Sinne des § 125 AußstrG., zumal dies auch aus der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 9 AußStrG. abgeleitet werden kann. Denn wenn auch diese Bestimmung wohl nur auf die im außerstreitigen Verfahren erteilten Aufträge Bezug hat, nicht aber auf den Fall des § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG., in welchem sich das Abhandlungsgericht selbst infolge Verweisung der Beteiligten auf den Rechtsweg für unzuständig erklärt, so bestehen doch keine Bedenken, diese Bestimmung auch dann sinngemäß anzuwenden, wenn durch die Nichteinbringung der Klage durch denjenigen, dem die Klägerrolle zugewiesen wurde, die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens selbst ungebührlich verzögert würde. Dies wäre aber im vorliegenden Fall, falls der erblasserischen Witwe nicht eine Frist zur Einbringung der Klage gesetzt würde, zu besorgen.

Die vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung SZ. VIII 342 betrifft ebenso wie die Entscheidung NotZ. 1928 S. 121 solche Fälle, in denen infolge von Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten der Gang des Abhandlungsverfahrens nicht gehindert wurde, in denen also aus den bereits angeführten Gründen ohnehin weder eine Verteilung der Parteirollen durch den Außerstreitrichter noch eine Fristsetzung in Betracht kam.

Dem Rekurs des Leo W. als Substitutionserben war somit Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Rekursgerichtes der erstgerichtliche Beschluß auch hinsichtlich der Zuweisung der Klägerrolle an die erblasserische Witwe und hinsichtlich der Setzung einer Frist zur Einbringung der Klage wiederherzustellen.

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