OGH 6Ob214/98h

OGH6Ob214/98h10.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 53860g eingetragenen S***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 29. Mai 1998, GZ 28 R 105/98m-9, womit der Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27. März 1998, GZ 72 Fr 1115/98f-5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die rekurrierende Gesellschaft war bis 6. 2. 1997 im Firmenbuch unter der Firma M***** Gesellschaft mbH eingetragen. Sie änderte ihre Firma auf S***** Gesellschaft mbH und ist seit 6. 2. 1997 unter dieser Firma im Firmenbuch eingetragen. Am 5. 8. 1997 wurde im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 160.751a die neu gegründete S*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien eingetragen. Gegen diese Eintragung hatte die angeführte ältere Firmenrechtsträgerin Rekurs aus dem Grund des § 30 HGB erhoben, dem das Rekursgericht mit Beschluß vom 2. 12. 1997 stattgab. Der Eintragungsbeschluß wurde aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des amtswegigen Löschungsverfahrens aufgetragen.

Am 30. 1. 1998 stellte die S*****gesellschaft mbH beim Firmenbuchgericht den Antrag auf amtswegige Löschung der älteren Firmenrechtsträgerin gemäß § 10 Abs 2 FBG aus dem Grund des § 18 Abs 2 HGB, weil die Gesellschaft keinen Bezug zur Schweiz habe. Ihr Firmenbestandteil S***** sei zur Irreführung geeignet. Das Firmenbuchgericht gab der betroffenen Gesellschaft Gelegenheit zur Äußerung. Eine solche wurde auch erstattet.

Das Erstgericht faßte daraufhin den Beschluß auf Unterbrechung des Verfahrens über die Löschungsanregung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 2. 12. 1997 im anhängigen Eintragungsverfahren erhobenen Revisionsrekurs der älteren Firmenrechtsträgerin zur Erreichung der Löschung der jüngeren Firmenrechtsträgerin im Firmenbuch.

Den gegen den Unterbrechungsbeschluß erhobenen Rekurs der älteren Firmenrechtsträgerin wies das Rekursgericht aus dem Grund fehlender Beschwer zurück, weil der Unterbrechungsgrund und damit auch die bekämpfte Unterbrechung weggefallen seien. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Dagegen wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der vom Löschungsantrag betroffenen älteren Firmenrechtsträgerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Löschungsantrag der jüngeren Firmenrechtsträgerin zurückgewiesen und das Amtslöschungsverfahren eingestellt werden.

Der Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist auf die relevierte Rechtsfrage einzugehen, ob eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) erfolgen hätte müssen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Qualifikation des Revisionsrekurses bei rein vermögensrechtlichen Entscheidungsgegenständen von der Bewertung abhängt. Bei Ansprüchen nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist der außerordentliche Revisionsrekurs uneingeschränkt zulässig (RV 898 BlgNR 20. GP 29 zu § 13 AußStrG in der hier anzuwendenden Fassung der WGN 1997). Bei rein vermögensrechtlichen Ansprüchen, die vom Gericht zweiter Instanz unter 260.000 S bewertet werden, wäre ein Revisionsrekurs unzulässig, wenn dies vom Rekursgericht - wie hier - ausgesprochen wurde. In diesem Fall hätte die Partei aber die Möglichkeit, eine Änderung des Zulässigkeitsausspruchs des Gerichts zweiter Instanz zu erreichen (§ 14a Abs 1 AußStrG). Was unter dem Gesetzesbegriff eines "rein vermögensrechtlichen" Entscheidungsgegenstandes zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Bei strittigen Fragen über die Firmenbildung, die vom Firmenbuchgericht im Rahmen seiner formellen und materiellen Prüfungspflicht zu untersuchen sind, kommt es nicht nur auf die individuellen Interessen der Parteien, hier also der beiden beteiligten Firmenrechtsträger, an. Es sind vielmehr auch und teilweise sogar vorrangig öffentliche Interessen zu wahren, was vor allem für den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit (Firmenausschließlichkeit) nach § 30 HGB gilt (Schuhmacher in Straube, HGB2 Rz 1 mwN aus der Lehre und Rechtsprechung). Das im § 18 Abs 2 HGB für Einzelkaufleute normierte Täuschungsverbot gilt nach hM auch für Gesellschaftsfirmen (Schuhmacher aaO Rz 7 zu § 18 mwN). Auch der Grundsatz der Firmenwahrheit dient dem Schutz des Geschäftsverkehrs, also dem öffentlichen Interesse. Bei Streitigkeiten zwischen Firmenrechtsinhabern, über die das Firmenbuchgericht im Eintragungsverfahren oder im Löschungsverfahren nach § 10 Abs 2 FBG zu entscheiden hat, geht es daher nicht ausschließlich um die wirtschaftlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten, also um allenfalls in Geld quantifizierbare Ansprüche, sondern auch um die nicht in Geld meßbaren öffentlichen Interessen, sodaß der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Gericht zweiter Instanz ist daher nicht erforderlich. Die Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses ist zulässig, seine meritorische Behandlung setzt jedoch das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen voraus, die hier jedoch fehlen.

Der Aktenlage entsprechend und unstrittig ist davon auszugehen, daß der Unterbrechungsgrund weggefallen und die angeordnete Unterbrechung des Verfahrens bereits beendet ist. Diese Sachlage bestand bereits zum Zeitpunkt der bekämpften Rekursentscheidung. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits über den Revisionsrekurs im anhängigen Eintragungsverfahren entschieden (6 Ob 38/98a). Diese Entscheidung war den Parteien auch schon zugestellt worden. Mit ihrem Revisionsrekursantrag bekämpft die Rekurswerberin auch nicht die schon weggefallene Unterbrechung des amtswegigen Löschungsverfahrens nach § 10 Abs 2 FBG, sondern strebt die Zurückweisung der Löschungsanregung der Gegnerin und die Einstellung des Löschungsverfahrens an. Eine derartige Entscheidung kann aber im Rechtsmittelverfahren über die Unterbrechung des Verfahrens (§ 19 FGB) nicht herbeigeführt werden, weil der Entscheidungsgegenstand nur in der Unterbrechungsfrage liegt und über den weiteren Fortgang des Verfahrens noch keine anfechtbare Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt. Zur Erledigung der außerhalb des Streitgegenstands des Rekursverfahrens liegenden Streitpunkte und zur amtswegigen Einstellung des Löschungsverfahrens ist der Oberste Gerichtshof derzeit funktionell nicht zuständig. Eine Entscheidung würde den Wegfall zweier Instanzen bewirken, was mit den gesetzlichen Bestimmungen des Rechtsmittelverfahrens nicht in Einklang zu bringen ist. Zu dieser Frage bedarf es keiner weitergehenden oberstgerichtlichen Stellungnahme. Der Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig.

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