OGH 6Ob2104/96x

OGH6Ob2104/96x12.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz P*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Reinhard D*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1996, GZ 40 R 910/95 (neu: 40 R 1100/95a) - 25, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 13. September 1995, GZ 7 C 1568/94h-19, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Räumungsklage stattgegeben wird. Die beklagte Partei ist schuldig, die Wohnung top Nr 10 im Haus ***** zu räumen und der klagenden Partei geräumt von Fahrnissen binnen vierzehn Tagen zu übergeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 11.083,44 S (darin 1.626,24 S Umsatzsteuer und 1.326 S Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz sowie die Revisionskosten von 4.416,48 S (darin 406,08 S Umsatzsteuer und 1.980 S Barauslagen) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Leopoldine B***** war bücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien mit einem darauf befindlichen Wohnhaus. Sie schloß mit dem Kläger einen Leibrentenvertrag. Die Liegenschaft sollte beim Ableben der Liegenschaftseigentümerin ins Eigentum des Klägers fallen. Die Liegenschaftseigentümerin verstarb am 15.1.1982. Der Kläger erwirkte gegen die Verlassenschaft ein rechtskräftiges Urteil, wonach diese verpflichtet ist, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers einzuwilligen (2 Cg 294/83 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien). Der Kläger hat die Liegenschaft in Besitz und Verwaltung genommen und seine bücherliche Einverleibung beantragt.

Im Verlassenschaftsverfahren nach der Liegenschaftseigentümerin gab der Vater des Beklagten auf Grund eines Testamentes eine vom Verlassenschaftsgericht angenommene bedingte Erbserklärung ab. Ihm wurde mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 18.1.1985 die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen (§ 810 ABGB). Noch vor der Wirksamkeit der in der Folge zugunsten des Klägers verfügten Nachlaßseparation schloß der Kläger als Verwalter des Nachlasses mit seinem Sohn am 3.11.1985 einen Mietvertrag hinsichtlich einer rund 35 m2 großen Wohnung im Haus der auf Grund der bücherlichen Verhältnisse in den Nachlaß fallenden Liegenschaft. Eine verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des Mietvertrages erfolgte nicht. Der Kläger und sein Sohn vereinbarten eine unbefristete Mietdauer und einen Mietzins von lediglich 67 S monatlich. Zuzüglich der damaligen Betriebskosten, des Erhaltungsbeitrages, des Hauswartentgeltes und der Mehrwertsteuer betrug der gesamte vom Mieter zu bezahlende Betrag 936,05 S. Dem Mieter wurde das Recht eingräumt, die Wohnung ganz oder zum Teil unterzuvermieten. Die Wohnung war zunächst in desolatem Zustand. Der Vater des Klägers ließ Investitionen um 400.000 S durchführen (Verlegung von Leitungen, Errichtung eines Bades ua).

Mit der am 2.9.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Räumung der Wohnung. Der Beklagte benütze die Wohnung titellos. Dem Vater des Klägers sei die Verwaltung und Besorgung der Verlassenschaft rechtskräftig übertragen worden. Der abgeschlossene Mietvertrag weise einen außergewöhnlichen Inhalt wegen der extrem niedrigen Miete und des uneingeschränkten Untervermietrechtes auf und hätte der verlassenschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er verfüge über einen gültigen Mietvertrag. Der Mietzins sei deshalb so niedrig vereinbart worden, weil sich die Wohnung in einem katastrophalen Zustand befunden habe. Zur Instandsetzung der Wohnung habe der Beklagte erhebliche Aufwendungen getragen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Kläger gegenüber der Verlassenschaft nach der verstorbenen Liegenschaftseigentümerin einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Übertragung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft habe. Zum Erwerb des Eigentums sei die bücherliche Einverleibung erforderlich. Die Liegenschaft sei Teil der Verlassenschaft gewesen. Der Beschluß, womit das Abhandlungsgericht dem Vater des Beklagten die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen habe sei mit der Zustellung des Beschlusses rechtswirksam geworden. Der Gerichtsbeschluß, womit die Nachlaßseparation zugunsten des Klägers bewilligt worden sei, sei dem Vater des Beklagten erst nach Abschluß des Mietvertrages zugestellt worden. Vor diesem Zeitpunkt sei er zur Verwaltung des Hauses und zum Abschluß von Mietverträgen berechtigt gewesen. Eine Genehmigung des Abhandlungsgerichtes sei nur für die im § 145 Abs 1 AußStrG angeführten Geschäfte erforderlich. Mietverträge gehörten nicht dazu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht statt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte in rechtlicher Hinsicht die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger nur einen Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft gegenüber der Verlassenschaft gehabt habe, die Liegenschaft aber in die Verlassenschaft gefallen sei. Bis zur Bewilligung der Nachlaßseparation sei der Vater des Beklagten, dem die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen worden sei, berechtigt gewesen, die Verlassenschaft zu vertreten und Mietverträge abzuschließen. Eine abhandlungsbehördliche Genehmigung sei nicht erforderlich gewesen. Von einem ungewöhnlichen Mietvertragsinhalt könne nicht ausgegangen werden. Die niedrige Mietzinsvereinbarung sei im Hinblick auf den desolaten Zustand der Wohnung nicht ungewöhnlich. Gleiches gelte für das zugestandene Untervermietrecht. Ein Scheingeschäft liege nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, daß der Räumungsklage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Rechtsfrage über den Umfang der Verwaltungsrechte eines Erben einer Liegenschaft, welche die Verlassenschaft auf Grund eines obligatorischen Vertrages einem Dritten ins Eigentum zu übertragen hat, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Zur Frage, ob der Abschluß eines Mietvertrages (hier durch den verwaltenden Erben) zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört oder nicht, liegt zwar zu § 833 ABGB nicht aber zu § 145 AußStrG eine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Die Revision ist auch berechtigt.

Dem Erben, dessen Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist, hat das Gericht die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen. Wichtige Verfügungen des verwaltenden Erben bedürfen allerdings der Genehmigung des Gerichtes, wie die im § 145 Abs 1 AußStrG angeführte Veräußerung oder Verpfändung von Gütern und Fahrnissen oder die Abtretung von Forderungen. Der Erbe kann grundsätzlich alle Rechte des Erblassers ohne gerichtliche Genehmigung ausüben, also alle Maßnahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes setzen. Dem Erben, dem nach der Einantwortung ein Vollrecht zusteht, soll bereits vorher ein Teil der künftig einzuräumenden Rechte, also das Verwaltungsrecht eingeräumt werden. Niemals kann aber dieses vorläufige Recht weitergehend sein, als das mit der Einantwortung Erreichbare (SZ 56/123). Zu den Aufgaben des Verlassenschaftsgerichts gehört u.a. auch die Wahrung der Interessen der Gläubiger (Rintelen Grundriß des Verfahrens Außer Streitsachen 69; vgl GlUNF 1236). Der Nachlaß soll bis zur Einantwortung ungeschmälert erhalten bleiben. Grundsätzlich gehört der Abschluß von Mietverträgen zwar zur nicht genehmigungspflichtigen ordentlichen Verwaltung (Welser in Rummel ABGB2 Rz 13 zu § 810; MietSlg 6.917), eine Einschränkung ist jedoch dort zu machen, wo mit dem Mietvertrag eine Entwertung des Nachlasses zu besorgen ist, also im Fall von für die Verlassenschaft ungünstigen Vertragsbedingungen. Ein Mietvertrag, der sich nicht im ortsüblichen Rahmen hält, gehört nicht zur ordentlichen Verwaltung und bedarf daher der gerichtlichen Genehmigung, die auch erteilt werden kann, wenn keine Benachteiligung von Beteiligten zu erwarten ist und daher die Ausübung des erst mit der Einantwortung zustehenden Vollrechtes vorweggenommen werden kann. Zur entscheidungswesentlichen Frage, was zur ordentlichen Verwaltung gehört, kann wegen des gleichgelagerten Schutzzweckes auf die Judikatur zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache mehrerer Teilhaber (§ 833 f ABGB) verwiesen werden. Zur ordentlichen Verwaltung zählen dort alle der Erhaltung und Verwaltung der Sache dienenden Maßnahmen, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im wesentlichen den Interessen aller Miteigentümer dienen und keinen besonderen Kostenaufwand erfordern. Der Abgrenzung zur außerordentlichen Verwaltung sind wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Der Abschluß von Bestandverträgen mit Dritten auf ortsübliche Zeit zu ortsüblichen Bedingungen ist demnach eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, unübliche Bedingungen gehören aber zur außerordentlichen Verwaltung (SZ 59/203; 1 Ob 600/94 mwN; Gamerith in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 833 mwN). Diese Grundsätze sind auch für die Verwaltung des Erben nach § 145 AußStrG maßgeblich. Auch hier sind wie im Fall der Verwaltung einer im Miteigentum mehrerer stehender Sache, die Interessen von anderen als den vertragsschließenden Personen zu wahren.

Der vom verwaltenden Erben mit seinem Sohn abgeschlossene Mietvertrag ist zunächst schon aus dem Grund genehmigungspflichtig, weil die Liegenschaft zwar wegen des noch im Grundbuch eingetragenen Eigentumsrechtes der Verstorbenen in die Verlassenschaft fiel, diese aber mit der Eigentumsverschaffungspflicht auf Grund des Leibrentenvertrages mit dem Kläger belastet war, sodaß der Erbe, der in die gesamte Rechtsposition des Erblassers eintritt, mit der Einantwortung kein unbeschränktes Vollrecht mit freier Verfügungsmacht über die Liegenschaft sondern nur das jeden realen Vermögenswertes entkleidete nackte Eigentumsrecht mit gleichzeitiger Herausgabeverpflichtung zu erwarten hatte. Daß das Verwaltungsrecht nicht weitergehend sein darf als das mit der Einantwortung erreichbare Recht wurde schon ausgeführt (SZ 56/123). Eine entgegen der sofortigen Eigentumsverschaffungsverpflichtung der Verlassenschaft getroffene Verfügung des verwaltenden Erben, der über die Liegenschaft durch Abschluß eines Mietvertrages verfügte, muß daher als außerordentliche Verwaltung angesehen werden, weil eine ordentliche Verwaltung nur in der Erfüllung der Herausgabeverpflichtung liegen konnte.

Im übrigen ist aber auch der Ansicht der Vorinstanzen entgegenzutreten, der vom Erben mit seinem Sohn abgeschlossene Mietvertrag weise keinen ungewöhnlichen Vertragsinhalt auf. Der niedrige Mietzins bei der vereinbarten unbefristeten Mietdauer ist ohne Zweifel als unüblich zu qualifizieren. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichtes kann auch nicht mit dem desolaten Zustand der Wohnung begründet werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat nicht der Beklagte selbst sondern sein Vater (also der Vermieter) Investitionen von 400.000 S für das Mietobjekt getätigt (S 3 in ON 19), sodaß der niedrige Mietzins sich auch nicht mit einer Vorausmiete gleichzuhaltenden Aufwendungen des beklagten Mieters erklären läßt. Der Beklagte hatte eine vom Vermieter renovierte Wohnung zu einem extrem niedrigen, nicht ortsüblichen Mietzins gemietet und überdies das Recht zur Untervermietung erhalten. Wegen der außergewöhnlichen Vertragsbedingungen hätte der Mietvertrag daher der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 145 AußStrG bedurft. Die fehlende Genehmigung führt zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes (Welser in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 810 mwN; Rintelen aaO 69), sodaß der Beklagte das Mietobjekt ohne wirksamen Titel benützt. Der Revision des Klägers ist daher Folge zu geben und der Räumungsklage stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Für die Rechtsvertretungskosten betrug die Bemessungsgrundlage in allen Instanzen gemäß § 10 Z 2 lit c RATG 6.000 S.

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