OGH 6Ob2092/96g

OGH6Ob2092/96g4.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Benjamin Raffael G*****, geboren am 18.11.1989, derzeit beim Vater, Oliver L*****, Krankenpfleger, vertreten durch Dr. Franz Span, Rechtsanwalt in Hall, infolge Revisionsrekurses der Mutter, Sabine G***** Arbeiterin, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 27. Februar 1996, GZ 51 R 29/96f-163, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall vom 20.Dezember 1995, GZ 2 P 1250/95h-157, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Der mj. Benjamin ist der am 18.11.1989 außer der Ehe geborene Sohn der Sabine G***** und des Oliver L*****, die bis Mitte November 1993 eine Lebensgemeinschaft führten und seit etwa Weihnachten 1992 in einer vom Vater im Haus seiner Eltern großzügig ausgebauten Wohnung lebten. Beide Elternteile bemühten sich zunächst, die Auswirkungen ihrer Trennung auf Benjamin möglichst gering zu halten, indem sie beide einen ausgedehnten Kontakt zum gemeinsamen Kind unterhielten. Da die Mutter allerdings seit etwa November 1993 einen intensiven Kontakt zu dem gerichtsbekannten, drogenabhängigen Stefan M*****, und zwar auch in Anwesenheit des Kindes unterhielt, aufgrund ihres an den Tag gelegten, mehrfach von verschiedenen Personen beobachteten Zustandes darauf zu schließen war, daß sie selbst Drogen und übermäßig Alkohol konsumiert und überdies mit dem Vater getroffene Vereinbarungen über die Betreuung des Minderjährigen nicht einhielt, beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge zu entziehen und ihm zu übertragen. Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 18.3.1994 und (erweitertem) Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.4.1994 wurde der Mutter die Obsorge für Benjamin vorläufig entzogen und diese für die Dauer des Verfahrens über den Obsorgeentziehungs- und -übertragungsantrag des Vaters diesem vorläufig übertragen. Obwohl die Mutter Kenntnis von dieser vorläufigen Obsorgeentziehung erlangt hatte, fuhr sie mit dem Kind nach Rosenheim, wo ihr jedoch nach Ausforschung durch Interpol der Minderjährige abgenommen und dem Vater übergeben wurde. Seither befindet sich Benjamin in vorläufiger Obsorge des Vaters, der der Mutter einen ausgedehnten persönlichen Kontakt zum Kind ermöglicht, dies insbesondere dann, wenn er sich aufgrund seines Schichtdienstes als Krankenpfleger nicht persönlich um das Kind kümmern kann.

Mit Beschluß vom 11.1.1995 entzog das Erstgericht der Mutter die Obsorge über den Minderjährigen und übertrug diese dem Vater. Gleichzeitig traf es eine Besuchsrechtsregelung zugunsten der Mutter in der Weise, daß diese Benjamin an jedem zweiten Wochenende von Samstag 8.00 Uhr durchgehend bis Sonntag 18.30 Uhr zu sich nehmen kann, sowie an zwei weiteren Tagen während der Woche, und zwar dann, wenn die Mutter Frühschicht hat von 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr, und dann, wenn sie Spätschicht hat, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr.

Mit Beschluß vom 21.2.1995 gab das Rekursgericht dem gegen die Obsorgeentscheidung und Besuchsrechtsregelung erhobenen Rekurs der Mutter Folge und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzungen an das Erstgericht zurück.

Im zweiten Rechtsgang entzog das Erstgericht mit Beschluß vom 20.12.1995 der Mutter neuerlich die Obsorge und übertrug diese dem Vater. Gleichzeitig wurde die für diesen Fall von den Eltern einvernehmlich getroffene Besuchsrechtsregelung, die jener des aufgehobenen Beschlusses entspricht, pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Das Erstgericht traf folgende zusammengefaßten Feststellungen:

Die Eltern führten eine ca. siebenjährige Lebensgemeinschaft, die die Mutter durch Verlassen des gemeinsamen Haushaltes im November/Dezember 1993 beendete. Benjamin war ein Wunschkind. Die Eltern bewohnten zunächst ein Dachgeschoß im elterlichen Wohnhaus des Vaters in der S*****gasse in H*****. Nach großzügigem Ausbau zogen sie in eine 125 m2 große Wohnung in diesem Haus, wobei der Minderjährige dort über eine eigenes Zimmer verfügt. Während des Umbaues hielt sich die Mutter mit dem Kind bei der mütterlichen Großmutter in der nur rund 50 m2 großen Wohnung in der R*****gasse auf, die sich ganz in der Nähe der S*****gasse befindet. Nicht zuletzt aufgrund gewisser Spannungen zwischen der Mutter und den väterlichen Großeltern unterhielt die Mutter stets regen Kontakt zu ihrer eigenen Mutter, wo sie Ausgleich suchte und fand.

Die Mutter hat eine Lehrausbildung zur Glasmalerei und Bleiverglasung absolviert, diesen Beruf jedoch nicht ausgeübt. Während dieser Lehrzeit hatte sie Kontakt zu Haschisch und nahm wiederholt übermäßig alkoholische Getränke zu sich. Auch während der aufrechten Lebensgemeinschaft rauchte sie Joints und verheimlichte nicht, Rohypnol- und Dominaltabletten genommen zu haben. Dieser Mißbrauch führte schließlich zu einer Wesensveränderung der Mutter, die Ursache für die Beendigung der Lebensgemeinschaft war. Aus Rücksicht auf Benjamin verblieb die Mutter zunächst aber noch in der umgebauten Wohnung, glitt jedoch zusehends in die Rauschgiftszene in H***** ab und zog schließlich Ende des Jahres 1993 aus der Wohnung aus. Anfang 1994 lernte sie über eine Bekannte den aus der Haft entlassenen Stefan M***** kennen, beide Personen gehören der Rauschgiftsszene an. Die Mutter war schließlich ab Jänner bis etwa März 1994 M***** Freundin, mit dem sie auch intim verkehrte. Während im Jänner 1994 Stefan M***** und die Mutter praktisch täglich Heroin spritzten, reduzierte die Mutter den Suchtgiftmißbrauch in der Folge, nicht zuletzt aufgrund des vom Vater deswegen gestellten Obsorgeentziehungsantrages. In der Folge wurde nur noch zwei- bis dreimal in der Woche Heroin gespritzt oder auf Folie geraucht. Erst ab der mit vorläufiger Maßnahme vom 18.3.1994 vom Erstgericht angeordneten Obsorgeentziehung und Übertragung an den Vater distanzierte sich die Mutter zusehends vom Suchtgift- und Alkoholmißbrauch. Ihr damaliger Kontakt zu Stefan M***** führte jedoch zu ihrer Verurteilung wegen des Vergehens der Hehlerei, begangen am 19.1.1994. Die Mutter war damals nicht in der Lage, emotionalen Bedürfnissen des Kindes nachzukommen, sie war unverläßlich, hielt eine mit Hilfe der Sozialarbeiterin am 9.2.1994 zugunsten des Kindes ausgehandelte Vereinbarung bereits am 4.3.1994 ohne Gründe nicht ein und war nicht in der Lage, eine Kontinuität in der Erziehung des Kindes zu gewährleisten. Sie arbeitete von Jänner bis Oktober 1994 bei der Firma R*****, sohin auch während des ersten Quartals des Jahres 1994 zur Zufriedenheit des Arbeitgebers. Seit Oktober 1994 ist sie bei der Firma S***** tätig und wurde nach Ablauf einer halbjährigen Probezeit in ein unbefristetes Dienstverhältnis übernommen, da ihr Arbeitgeber mit ihrer Arbeitsleistung zufrieden war und ist.

Die Mutter hat nun zum Vater das Kind betreffend eine gute Gesprächsbasis und übt ihr mit diesem einvernehmlich geregeltes Besuchsrecht kontinuierlich aus, wobei sich diese Regelung nunmehr gut bewährt hat. Die Mutter ist auch bemüht, eine eigene Wohnung zu beziehen und ist bei der Stadt H***** als wohnungsuchend gemeldet. (In der Zwischenzeit ist diese Wohnungsuche erfolgreich gewesen).

Aufgrund des von der Mutter in den angeführten Zeiträumen praktizierten Drogenkonsums und dessen Intensität ist bei ihr eine nachhaltige Wesensveränderung eingetreten, die Ende 1993/Anfang 1994 kraß durchbrach und nach wie vor latent vorhanden ist. Statistisch betrachtet sind Rückfallsquoten nach Rauschmittel- und Haschischmißbrauch sehr hoch. Eine auf diesen Mißbrauch zurückzuführende Wesensveränderung hat mannigfaltige Auswirkungen auf die Erziehungstüchtigkeit eines Elternteils. Dieser ist wesentlich stimmungslabiler als sonst, in der Kindererziehung inkonsequenter und weniger fähig, pädagogisch notwendige Maßnahmen zu setzen. Schädlich sind in diesem Zusammenhang situationsbedingte Überreaktionen in der Kindererziehung. All dies führt zu einer Unsicherheit im Hinblick auf eine Konstanz in der Erziehung durch die Mutter für die Zukunft.

Auf die geänderte Situation Anfang 1994 reagierte der Vater durch den Antrag, der Mutter die Obsorge für Benjamin zu entziehen und diese auf ihn zu übertragen, andererseits aber auch dadurch, daß er die Erziehung und Betreuung des Kindes übernahm und nach der angeordneten vorläufigen Maßnahme alleinverantwortlich ausübte. Benjamin wurde es dadurch ermöglicht, in der für ihn gewohnten Umgebung zu bleiben. Dies führte zusammen mit dem Engagement des Vaters letztlich dazu, daß Benjamin die Trennung von seiner Mutter unerwartet gut verkraftete und die für ein Kind gefährliche Trennung von einem Elternteil störungsfrei verlief. Der Verbleib des Kindes in der gewohnten Umgebung ist für Benjamin heute wichtiger als die derzeitige Trennung von der Mutter. Durch eine allfällige Änderung dieser Situation, wie sie bei einer Rückkehr des Kindes zu seiner Mutter eintreten würde, wäre ein gravierender Eingriff in die Sozialsituation des Kindes die Folge.

Das Erstgericht kam rechtlich zu der Auffassung, daß es sich bei der Lebensführung der Mutter Ende 1993 bis März 1994 wegen ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht um eine einmalige Fehlleistung gehandelt habe, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hin wohl verhalten könne. Die Ausübung der Obsorge durch die Mutter würde daher für die Zukunft eine konkrete und ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes mit sich bringen. Die Persönlichkeit, der Charakter, die pädagogischen Fähigkeiten und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters könnten demgegenüber aller Voraussicht nach zu einer beachtlichen Verbesserung der Lage des Kindes und seiner Zukunftserwartungen führen, weshalb die Obsorge für Benjamin der Mutter zu entziehen und dem Vater zu übertragen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter keine Folge. Es zitierte in seiner Entscheidung zwar die umfangreiche Beweis- und Tatsachenrüge über den Heroinkonsum und die vom Gutachter nicht nach der tatsächlichen Persönlichkeitsstruktur der Mutter, sondern nach allgemeinen Erfahrungswerten und aus der Statistik gezogenen Schlüsse, kam aber zu dem Ergebnis, diese Feststellungen seien nicht entscheidend. Unbekämpft sei, daß durch die faktische Veränderung der nunmehr seit der Übertragung der vorläufigen Obsorge an den Vater gegebenen positiven Situation (die gute Überwindung der Trennung von der Mutter, Förderung des Kindes in Betreuung und Erziehung des Vaters, in welcher sich das Kind, das ausreichende Kontakte zur Mutter habe, äußerst wohl fühle) eine für das Kind gefährliche Trennung von jenem Elternteil herbeiführen würde, zu dem nunmehr die überwiegende und tiefere Beziehung bestehe. Eine solche Änderung stelle zweifellos eine Gefährdung des Kindeswohles dar, zumal für die Entwicklung des Kindes nicht maßgeblich sei, wer formell obsorgeberechtigt sei, sondern von wem tatsächlich die Erziehung und Betreuung ausgeübt werde. Auch wenn die Mutter nunmehr ihr Leben positiv gestalte und sich um das Kind kümmere und wegen ihrer nun gegebenen Lebenseinstellung für das Kindeswohl unmittelbar keine Gefährdung bestehe, sei darauf abzustellen, inwieweit eine Änderung der faktischen Betreuungssituation eine Gefährdung des Kindeswohles bewirke. Eine solche Gefährdung sei gegeben, wenn das Kind zu seiner Mutter zurückkehre. Der Rekurs der Mutter sei daher schon allein deshalb nicht berechtigt.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich die Lösung des Einzelfalles auf eine einheitliche Rechtsprechung stützen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig, weil das Rekursgericht bei seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 176 ABGB abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Bereits in seinem Aufhebungsbeschluß vom 21.2.1995 hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, daß die Obsorge für ein uneheliches Kind nach § 166 ABGB der Mutter allein zukommt (ein Antrag auf gemeinsame Obsorge während der aufrechten Lebensgemeinschaft haben die Eltern nicht gestellt). Zu einer endgültigen Entziehung oder Einschränkung dieser Obsorge der Mutter kann es nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB kommen. Eine solche Entziehung stellt nur die äußerste Notmaßnahme dar. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Entziehung der Obsorge dringend geboten erscheint, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Sie kommt nur in Betracht, wenn eine konkrete ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes besteht. Dabei ist die Gesamtsituation zu beurteilen und auch eine Zukunftsprognose anzustellen. Aber nur eine gefestigte sichere Prognose, daß das Kindeswohl aus wichtigen Gründen künftig ernsthaft gefährdet wäre, rechtfertigt eine Entziehung der Obsorge. Dabei können die vom Erstgericht angeführten Argumente, wie eine größere Wohnung mit eigenem Kinderzimmer, in welchem das Kind bisher (überwiegend) gelebt hat, ebensowenig ausschlaggebend sein, wie daß der uneheliche Vater mehr Erziehungskompetenz hat, solange eine Erziehung durch die Mutter keine ernsthafte Gefährdung nach sich zieht, ebensowenig ein notwendig werdender Wechsel des Kindergartens. Auch das Argument einer nicht überprüfbaren gesünderen Ernährung des Kindes fällt bei einer Obsorgeentziehungsentscheidung nicht ins Gewicht.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß durch die vorläufige Entziehung der Obsorge der endgültigen Entscheidung nicht vorgegriffen werden darf, sodaß der sonst gültige Grundsatz der Kontinuität der Erziehung gesondert zu beurteilen ist. Durch eine vorläufige Übertragung der Obsorge soll die endgültige Entscheidung über eine Entziehung des allein nach dem Gesetz Obsorgeberechtigten nicht dadurch verhindert werden, daß durch eine lange Verfahrensdauer eine Kontinuität der Erziehung beim nur vorläufig Berechtigten entstanden ist. In solchen Fällen muß ein Wechsel der Wohnung und der Hauptbezugsperson des Kindes, das wie hier bereits den Kindergarten besucht und vor dem Schuleintritt steht, in Kauf genommen werden. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß die Mutter seit Mitte 1994 ohne aufgetretene Probleme ein ausgedehntes Besuchsrecht ausgeübt hat, das Kind den Kontakt zur Mutter nicht verloren hat, sondern im Gegenteil, auch nach seinen eigenen Äußerungen sich über die Besuche bei der Mutter freut und sich kein Anhaltspunkt ergeben hat, daß das vom Kind als "hin und her" bezeichnete Wechseln vom Vater zur Mutter anläßlich des ausgedehnten Besuchsrechtes eine psychische Beeinträchtigung ergeben hätte. Der vom Rekursgericht allein herangezogene Grund für die Entziehung der Obsorge, durch die faktische Änderung des nunmehr seit langem gegebenen Zustandes werde so gravierend in die Sozialsituation des Kindes eingegriffen, daß damit eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohles gegeben wäre, reicht daher nicht aus, der Mutter die Obsorge zu entziehen. Eine lange Verfahrensdauer widerstreitet dem Zweck jeder Sorgerechtsentscheidung, die auf eine tunlichst rasche Anpassung der Pflege und Erziehungsverhältnisse an die konkreten Gegebenheiten ausgerichtet sein muß. Hat aber nun einmal das Verfahren eine lange Zeitspanne beansprucht, dann müssen auch alle innerhalb dieses Zeitraumes eingetretenen Entwicklungen voll berücksichtigt werden. Dies ist auch im zweiten Rechtsgang nicht geschehen. Die Ergänzung des Gutachtens hat keinerlei weiteren Aufschluß darüber gebracht, worin die vom Erstgericht als für das Kindeswohl so gefährdende "Wesensveränderung" der Mutter nun tatsächlich bestehen soll. Der Gutachter hat vorwiegend auf die kurze Zeit von November 1993 bis März 1994 Bezug genommen, in der die Mutter, die den Konsum von Heroin jedenfalls in dem doch sehr gravierend festgestellten Umfang immer entschieden in Abrede gestellt und auf die Fragwürdigkeit einzelner Zeugenaussagen hingewiesen hat, in der Drogenszene verkehrt hat, auf die konkrete Situation der Mutter bis zum Schluß des Verfahrens erster Instanz aber nicht Bezug genommen. Er hat lediglich (in vorweggenommener Beweiswürdigung) aus dem Haschischkonsum der Mutter während ihrer Ausbildungszeit und unter der Annahme, daß kurzfristig auch harte Drogen im Spiel waren, eine "nachhaltige Wesensveränderung" konstatiert, die zwar im Pflegschaftsverfahren nicht beweisbar sei, weil in der Zukunft liege, was geschehen werde und lediglich anhand von Erfahrungs- und statistischen Werten über Rückfallsquoten einen Unsicherheitsfaktor aus kinderpädagogischer Sicht aufgezeigt, der sich in Stimmung, Labilität, Inkonsequenz, geringerer Fähigkeit, pädagogische Maßnahmen zu setzen, als im "Normalfall" und situationsbedingten Überreaktionen äußert, aber keinerlei Bezug darauf genommen, ob solche Reaktionen bei der Mutter auch seit Mitte des Jahres 1994 konkret tatsächlich aufgetreten sind. Trotz der langen Verfahrensdauer wurde dies von keiner der vernommenen Personen behauptet. Eine bloß abgestuft kompetentere Erziehungseignung des Vaters reicht nicht aus, der nach dem Gesetz hiezu alleinberechtigten unehelichen Mutter die Obsorge zu entziehen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren allenfalls einen anderen Sachverständigen zu bestellen haben, der auf Grund der Entwicklung der Lebenssituation der Mutter seit der vorläufigen Entziehung der Obsorge und ihrer psychischen Verfassung zum Beurteilungszeitpunkt ein Gutachten zu erstellen haben wird. Es ist zu klären, ob die Mutter zum Entscheidungszeitpunkt so schwere Beeinträchtigungen aufweist oder doch in Zukunft mit größter Wahrscheinlichkeit erwarten läßt, daß sie zur Pflege und Erziehung des Kindes in einem Ausmaß unfähig ist, das eine ernsthafte ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Kindeswohles befürchten läßt.

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