Spruch:
Anschaffungsgeschäfte von Ziegelwerken mit eigener Grundstoffreserve fallen nicht unter § 1 Abs. 2 Z. 1 HGB.
Ausschließung und Geschäftsübernahme bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes.
Entscheidung vom 7. Oktober 1958, 6 Ob 206/58.
I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger und der Beklagte betreiben unter der Bezeichnung Rupert E. in S. eine in ihrem Miteigentum stehende Ziegelei. Die Parteien haben außer Streit gestellt, daß zum Ziegeleibetrieb die Grundreserve (Lehm) gehört, daß die Ziegel aus eigenem Lehm gewonnen, im Betriebe geformt und auch gebrannt werden. Eine oHG. zwischen den Streitteilen ist im Handelsregister nicht eingetragen, noch ist etwa der Ziegeleibetrieb in irgend einer anderen Form (Einzelfirma) registriert.
In seiner am 16. November 1957 eingebrachten Klage behauptet der Kläger das Vorliegen wichtiger, im einzelnen näher ausgeführter Gründe, die ihn berechtigten, die Ausschließung des Beklagten aus der Gesellschaft zu verlangen. Er begehrte das Urteil, "der Beklagte werde mit Rechtskraft des Urteils aus der zwischen ihm und dem Kläger gebildeten Gesellschaft, die die Ziegelei in S. betreibt, ausgeschlossen". Diese Klage wurde dem Beklagten zugestellt. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung. In der mündlichen Streitverhandlung vom 20. Jänner 1958 änderte der Kläger das Klagebegehren dahin, daß es zu lauten habe, "das Gericht erkläre den Kläger für berechtigt, das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen", welche Änderung zugelassen wurde.
Das Erstgericht hat dieses Klagebegehren kostenpflichtig mit der Begründung abgewiesen, es liege ein gewerbliches Unternehmen der Urproduktion vor. Mangels Eintragung im Handelsregister (§ 2 HGB.) bestehe kein Handelsgewerbe und sohin keine offene Handelsgesellschaft.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach gemäß § 500 Abs. 2 ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es erachtete die geltend gemachten Berufungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht vorliegend. Die nur auf die Unterlassung der Vernehmung von Sachverständigen aus dem Wirtschaftsprüferfach, dem Buchhaltungs- und dem Ziegeleifach zu der Frage, ob eine Urproduktion vorliege, gegrundete Mängelrüge wurde darauf verwiesen, daß sich ein Sachverständigenbeweis mit Rücksicht auf die vorgenommenen Außerstreitstellungen erübrige. Auch sei der Sachverständigenbeweis im Verfahren vor dem Erstgericht vom Kläger gar nicht darüber, daß keine Urproduktion, sondern zum Nachweis dafür angeboten worden, daß kein Kleinbetrieb vorliege. Im übrigen teilte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Ein geltend gemachter Anspruch nach § 142 HGB. setze das Bestehen einer offenen Handelsgesellschaft voraus. Diese könne vor einer Eintragung im Handelsregister nur dann zustandekommen, wenn ihr Betrieb den gewerbsmäßigen Abschluß von Grundhandelsgeschäften (§ 1 Abs. 2 HGB.) zum Gegenstand habe, als welche hier nur der gewerbsmäßige Abschluß von Umsatzgeschäften (§ 1 Abs. 2 Z. 1 HGB.) in Betracht komme. Von diesen Umsatzgeschäften (Anschaffung und Weiterveräußerung beweglicher Sachen) seien jedoch Betriebe der Urproduktion, so im einzelnen auch Ziegeleien mit eigener Grundstoffreserve, ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile beider Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rechtsrüge ist soweit verfehlt, als die Auffassung der Untergerichte bekämpft wird, die Anwendbarkeit des § 142 HGB. setze den Bestand einer offenen Handelsgesellschaft voraus. Im vorliegenden Falle ist keine Eintragung im Handelsregister erfolgt. Dies hat zur Folge, daß eine offene Handelsgesellschaft nur dann zustandekommen könnte, wenn ihr Betrieb den gewerbsmäßigen Abschluß von Grundhandelsgeschäften (§ 1 Abs. 2 HGB.) zum Gegenstand hätte, weil es sonst an dem Erfordernis eines Handelsgewerbes fehlen würde, das gemäß § 105 Abs. 1 HGB. Voraussetzung für das Bestehen einer offenen Handelsgesellschaft ist. Auch die Rechtsauffassung der Untergerichte, daß der Betrieb einer Ziegelei mit eigener Grundstoffreserve als Gewinnung von Naturprodukten aus den Anschaffungs- und Weiterveräußerungsgeschäften (§ 1 Abs. 2 Z. 1 HGB.) ausscheidet, ist frei von Rechtsirrtum und insbesondere auch mit dem im angefochtenen Urteil hervorgehobenen Schrifttum (Reichsgerichtsräte-Kommentar zum HGB., 2. Aufl. I S. 73 Anm. 21 zu § 1 HGB.; Baumbach - Duden, HGB., 12. Aufl. S. 14) im Einklang. Das Gesetz bestimmt im § 1 Abs. 2 HGB. die eine Art von Handelsgewerben, durch deren Betrieb die Kaufmannseigenschaft begrundet wird. Diese Aufzählung ist erschöpfend (Schlegelberger - Geßler - Hefermehl - Hildebrandt - Schröder, HGB., 3. Aufl. I S. 20). Nach dem gegebenen Sachverhalt kommt hier nur die Z. 1 des § 1 Abs. 2 HGB. in Betracht, welche die Anschaffungs- und Weiterveräußerungsgeschäfte zum Gegenstand hat. Der Begriff der Anschaffungs- und Weiterveräußerungsgeschäfte von Waren ist in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum HGB. dahin festgelegt, daß hieher alle entgeltlichen, auf abgeleiteten Erwerb von Eigentum gerichteten Geschäfte unter Lebenden gehören. Nach dieser Begriffsbestimmung kommen als Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte nicht in Betracht:
1. die unentgeltlichen, auf Erwerb von Eigentum gerichteten Vertragsgeschäfte, insbesondere Schenkungen,
- 2. der Erwerb von Todes wegen,
- 3. alle Fälle, in denen kein abgeleiteter sondern ein ursprünglicher Eigentumserwerb in Frage steht. Die Geschäfte der sogenannten Urerzeuger, die aus eigenem oder gepachtetem Boden Stoffe gewinnen, sie nach oder ohne Verarbeitung weiterveräußern, fallen nicht unter
Z. 1. Wer also von eigenem oder gepachtetem Grund und Boden Früchte erntet, Ziegel herstellt, Steine bricht, Kohlen abbaut u. dgl., macht keine Anschaffungsgeschäfte (Schlegelberger - Geßler - Hefermehl - Hildebrandt - Schröder a. a. O.). Es scheiden somit aus den Anschaffungsgeschäften alle jene Geschäfte aus, bei denen es am derivativen Eigentumserwerb fehlt, wie dies bei Gewinnung von Naturprodukten aus eigenem oder gepachtetem Grund (vgl. Hämmerle, Grundriß des Handelsrechts, 2. Aufl. S. 37, und die dort angeführte Entscheidung ACI. 3100), sohin auch bei Ziegeleien mit eigener Grundstoffreserve, der Fall ist.
Doch kommt es im vorliegenden Falle gar nicht auf die Anwendbarkeit des § 142 HGB. an. Entgegen der Auffassung der Untergerichte hat der Kläger sein geändertes Klagebegehren nicht etwa ausdrücklich auf § 142 HGB. gegrundet und insbesondere auf diese Gesetzesstelle im Verfahren vor dem Erstgericht auch gar nicht Bezug genommen. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß sich der Kläger im vorliegenden Falle rechtlich lediglich auf § 142 HGB. festgelegt hätte. Er hat vielmehr den Sachverhalt, aus welchem er seinen Anspruch ableitet, in der Klage eingehend dargelegt. Es ist Sache des Gerichtes, aus den den Anspruch begrundenden Tatsachen den zutreffenden Rechtssatz abzuleiten (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 909).
Da aus den vorausgeschickten Erwägungen eine offene Handelsgesellschaft nicht zustandegekommen ist, handelt es sich bei dieser Zweimanngesellschaft um eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes. Es gelangt daher § 1210 ABGB. zur Anwendung, was die Untergerichte offenbar übersehen haben. Unter den Voraussetzungen des § 1210 ABGB. kann auch bei einer Zweimanngesellschaft des bürgerlichen Rechtes ein Gesellschafter den anderen ausschließen; ob er die Mehrheit der Gesellschaftsanteile besitzt, ist dabei ohne Belang (Wahle in Klang 2. Aufl. V 665 und die dort zitierte Rechtsprechung, ferner JBl. 1935 S. 16). Die Ausschließungserklärung ist auch in diesem Fall konstitutiv. Der Ausgeschlossene scheidet aus der Gesellschaft aus, die Gesellschaft löst sich gleichzeitig auf, wenn sie nicht ausnahmsweise als Einmanngesellschaft bestehen bleibt. Das Vermögen geht dann, ohne daß es weiterer Übertragungsakte bedürfte, auf den verbliebenen Gesellschafter über (Wahle a. a. O.). Da die Ausschließung konstitutiver Natur ist, stellt ein etwa ergehendes Gerichtsurteil nur fest, ob die durch Privatakt erfolgte Ausschließung wirksam war. Sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt, unterliegt auch die sachliche Richtigkeit des Ausschließungsgrundes der richterlichen Überprüfung.
Die Ausschließungserklärung kann auch in der Klage abgegeben werden, wodurch die Wirkungen der Erklärung mit Zustellung der Klage eintreten (SZ. XXIV 110). Im vorliegenden Falle enthält die Klage eine klare und eindeutige Ausschließungserklärung, die mit Übernahme der Klage durch den Beklagten ihre Wirkungen zeitigte. Das geänderte Klagebegehren stellt sich daher nur als Konsequenz der konstitutiven Ausschließungserklärung dar und folgt zwar der Diktion des hier nicht anwendbaren § 142 HGB., beinhaltet aber nichts anderes als das zulässige Begehren auf Feststellung, daß infolge wirksamer Ausschließung des Beklagten Aktiven und Passiven der Gesellschaft auf den verbliebenen Gesellschafter übergegangen sind. Im Rahmen dieses Begehrens bedarf es aber einer Überprüfung, ob Ausschließungsgrunde im Sinne des § 1210 ABGB. vorgelegen sind und ob daher die durch Privatakt erfolgte Ausschließung des Beklagten wirksam war.
Mit dieser Frage haben sich die Untergerichte, von ihrer Rechtsauffassung ausgehend, nicht auseinandergesetzt. Es fehlen sohin Feststellungen über den bei der rechtlichen Beurteilung der Sache maßgebenden Sachverhalt, weshalb der Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. vorliegt.
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