OGH 6Ob196/63

OGH6Ob196/6318.9.1963

SZ 36/117

Normen

ABGB §418
ABGB §418

 

Spruch:

Unanwendbarkeit des § 418 ABGB. auf den Miteigentümer, der mit eigenen Materialien auf dem gemeinschaftlichen Gründe baut.

Entscheidung vom 18. September 1963, 6 Ob 196/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Liegenschaft EZ. 762 der Katastralgemeinde F., Haus in der H.- Gasse, Konskr.-Nr. 762, steht zu einem Drittel im bücherlichen Eigentum des Beklagten, welcher diesen Anteil mit Kaufvertrag vom 31. März 1920 erworben hat und zu zwei Dritteln im bücherlichen Eigentum der Klägerin. Letztere hat diesen Liegenschaftsanteil mit dem vormundschaftsbehördlich genehmigten Kaufvertrag vom 7. Juli 1960 von Marie B., der Eigentümerin eines Sechstelanteiles der Liegenschaft, und von deren Sohn, dem am 7. März 1943 geborenen Anton B., Eigentümer eines Hälfteanteiles der Liegenschaft, um den Kaufpreis von 90.400 S gekauft.

Auf der gegenständlichen 678 m2 großen Liegenschaft befindet sich ein über die ganze Straßenfrontlänge sich erstreckendes ebenerdiges Wohngebäude, hinter welchem sich ein länglicher, parallel zur Straße liegender Hof anschließt, hinter dem sich ein gleichfalls längliches und parallel zur Straße liegendes Fabriksgebäude befindet. Letzteres ist vom Beklagten im Jahre 1949 errichtet worden, nachdem im Jahre 1948 seine Tochter die Zustimmung zu dieser Bauführung bei Marie B., welche auch Vormunderin des damals minderjährigen Anton B. gewesen ist, eingeholt hat. Keiner der Beteiligten hat sich Gedanken hinsichtlich einer vormundschaftsbehördlichen Genehmigung dieser Zustimmung bezüglich des minderjährigen Miteigentümers Anton B. gemacht, und es auch eine derartige Genehmigung nicht erteilt worden. Bei der genannten Unterredung wegen der Einwilligung der Miteigentümer B. zu der vom Beklagten beabsichtigten Bauführung war keine Rede davon, für welche Zeitdauer das Fabriksgebäude errichtet werden solle und ob allenfalls die Rechtsnachfolger der Miteigentümer der Liegenschaft verpflichtet werden sollten, den Weiterbestand des Gebäudes zu dulden. Weder in dem von den Miteigentümern B. mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrag vom 7. Juli 1960 noch in den darauf bezüglichen Eingaben der Marie B. an das Vormundschaftsgericht bzw. in den hiezu ergangenen Beschlüssen ist davon die Rede gewesen, daß der Beklagte das Fabriksgebäude aus eigenen Mitteln aufgebaut habe und daß ihm daran irgendwelche besonderen Rechte zustunden. Im Grundbuch ist ein Vorkaufsrecht des Beklagten hinsichtlich der zwei Drittel seinerzeit im Eigentum von Marie und Anton B. gestandenen Liegenschaftsanteile nicht eingetragen.

Eine Naturalteilung der Liegenschaft ist mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 16 der Wiener Bauordnung, wonach bei Grundabteilungen die Bauplätze unmittelbar an die öffentliche Verkehrsfläche angrenzen müssen und ein Mindestmaß von 500 m2 haben sollen, nicht möglich.

Der Beklagte hat gegen die von der Klagerin begehrte Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung eingewendet, er habe im Jahre 1947 (richtig 1949) einen einstöckigen Hoftrakt errichtet, bei welchem es sich um ein Fabriksgebäude mit zehn in die Erde einbetonierten Maschinen handle und in welchem er das Feilenhauergewerbe betreibe. Es sei zwar nicht eine Änderung der Benützungsverhältnisse, wohl aber die Naturalteilung der gesamten Liegenschaft möglich. Überdies werde die Zivilteilung zur Unzeit und zum Nachteil des Beklagten begehrt, weil einerseits das Herabsinken des inneren Wertes des Geldes befürchten lasse, daß der Feilbietungserlös in kürzester Zeit entwertet sei (jedoch könne erwartet werden, daß sich diese Tendenz in absehbarer Zeit bei Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse ändern werde) und anderseits die Lebensexistenz des Beklagten zerstört werden würde, der trotz seines Alters von 70 Jahren noch rüstig sei und die Absicht habe, solange es seine Leistungsfähigkeit zulasse, das Gewerbe weiter auszuüben und es später dann seiner Tochter zu übertragen. Zu all dem komme, daß er an dem Grund, auf welchem das Fabriksgebäude stehe, Eigentum nach § 418, letzter Satz, ABGB. erworben habe, weil er als redlicher Bauführer das Fabriksgebäude mit seinen Mitteln und mit Zustimmung der damaligen Miteigentümerin und Rechtsvorgängerin der Klägerin errichtet habe. Dieser Umstand sei der Klägerin beim Erwerb ihres Liegenschaftsanteiles bekannt gewesen, weshalb sie nicht gutgläubig sei und sich nicht auf den Grundbuchsstand berufen könne.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Zivilteilung statt. Es lehnte einen Gründerwerb des Beklagten als redlichen Bauführers gemäß § 418, letzter Satz, ABGB. ab, und zwar einerseits deshalb, weil hinsichtlich des minderjährigen Miteigentümers Anton B. keine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung vorliege, anderseits deshalb, weil diese Art des Gründerwerbes bei Vorliegen eines Übereinkommens zwischen den Miteigentümern nicht in Betracht komme und weil schließlich dem Beklagten die Eigenschaft eines redlichen Bauführers nicht zugebilligt werden könne. Es könne aber auch der Beklagte dem Teilungsanspruch der Klägerin gegenüber nicht geltend machen, daß die Teilung zur Unzeit oder zu seinem Nachteil begehrt werde, weil die Ausübung des Feilenhauergewerbes nicht ein bloß vorübergehender Zustand sei, der einen Aufschub der Teilung bis zum Wegfall des Hindernisses rechtfertigen würde. Der angeblichen Unsicherheit der künftigen Geldentwicklung könne der Beklagte durch Verwendung des auf ihn entfallenden Teiles des Erlöses zur Anschaffung von Sachwerten begegnen.

Der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung blieb ein Erfolg versagt. Das Berufungsgericht fand die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung zutreffend.

Da die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb des Beklagten nach § 418, letzter Satz, ABGB. nicht gegeben seien, so sei es auch nicht notwendig gewesen, die vom Beklagten beantragten Beweise darüber, daß die Klägerin ihren Liegenschaftsanteil in Kenntnis davon erworben habe, daß das Fabriksgebäude vom Beklagten mit eigenen Mitteln aufgebaut worden sei, durchzuführen, weshalb die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliege. Es habe aber auch das Erstgericht zutreffend erkannt, daß die vom Beklagten dafür geltend gemachten Umstände, daß die Zivilteilung zur Unzeit und zu seinem Nachteil begehrt werde, nicht geeignet seien, die Abweisung des Teilungsbegehrens zu rechtfertigen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Schwerpunkt der Rechtsrüge liegt in der Bekämpfung der Rechtsauffassung der Untergerichte, daß der Beklagte durch die Bauführung kein Eigentum an der verbauten, im Miteigentum des Beklagten sowie der Marie und des minderjährigen Anton B. gestandenen Grundfläche erworben habe (§ 418, letzter Satz, ABGB.). Das Grundstück, von welchem der Beklagte einen Teil für die Errichtung des Fabriksgebäudes benützte, stand nicht im Alleineigentum des Beklagten, sondern im bücherlichen Miteigentum von mehreren Personen, wobei der Beklagte zu einem Drittelanteil, Marie B. zu einem Sechstelanteil und der damals minderjährige Anton B. zu einem Hälfteanteil Miteigentümer der Liegenschaft waren. Daraus allein schon folgt die Unanwendbarkeit des § 418 ABGB., da die Vorschriften dieser Gesetzesstelle über den redlichen Bauführer auf den Miteigentümer, der mit eigenen Materialien auf dem gemeinschaftlichen Gründe baut, keine Anwendung finden (Klang[2], II S. 290; Wandel, GH. 1911 S. 230; Mendes, GH. 1911 S. 244; Löw, GH. 1913 S. 294). Das folgt schon daraus, daß im § 418 ABGB. vom Bauen auf fremdem Grund die Rede ist, sowie daraus, daß dem Miteigentümer, der weiß, daß er nicht Alleineigentümer ist, niemals der gute Glaube zugesprochen werden kann, es wäre denn, er hätte die Zustimmung der anderen Teilhaber zum Bau eingeholt. Aber auch im letztgenannten Falle erwirbt er nicht Eigentum an den anderen Anteilen, da doch eine solche Zustimmung als nichts anderes angesehen werden kann als eine einverständliche Benützungsregelung an der gemeinsamen Sache. Nur wenn die anderen Teilhaber gleichzeitig mit der Zustimmung zum Bau auch ihre Zustimmung zur Eigentumsübertragung an dem verbauten Gründe gegeben hätten, würde er Eigentum erwerben. In diesem Falle, der hier nicht vorliegt, wäre aber der Titel der Eigentumsübertragung nicht die Bestimmung des § 418 ABGB., sondern der Vertrag auf Übertragung des Eigentumsrechtes an dem verbauten Gründe.

Wenn schließlich in der Revision noch gerügt wird, daß trotz der aus der Zivilteilung sich für den Beklagten ergebenden katastrophalen Folgen von den Untergerichten verneint worden sei, daß die Zivilteilung zur Unzeit bzw. zum Nachteil des Beklagten begehrt werde, so ist dem entgegenzuhalten, daß sämtliche vom Beklagten zur Bekämpfung des Teilungsbegehrens geltend gemachten Umstände Dauercharakter haben, weshalb sie nicht geeignet sind, einen den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub der Teilung zu rechtfertigen.

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