OGH 6Ob1/85

OGH6Ob1/8521.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Registersache der Druckerei und Zeitungshaus J.

A Gesellschaft mbH in Linz infolge Revisionsrekurses des Rudolf Andreas B, Promenade 23, 4020 Linz, als Geschäftsführer dieser Gesellschaft und als persönlich haftender Gesellschafter der J. A Kommanditgesellschaft in Linz, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 3. Jänner 1985, GZ. 3 a R 169/84-146, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 23. November 1984, GZ. HRB 309-139, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Stammkapital der Druckerei und Zeitungshaus J. A Gesellschaft mbH beträgt 15 Mill. S; daran sind die J. A Kommanditgesellschaft mit 11,1 und Dr. Alfred Maleta mit 3,9 Mill. S beteiligt. Die beiden Geschäftsführer, Rudolf Andreas B, der zugleich persönlich haftender Gesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin ist, und Dkfm. Dr. Werner C, sind gesamtvertretungsbefugt; letzterer ist der vom Minderheitsgesellschafter Dr. Alfred D auf Grund des Gesellschafterbeschlusses vom 17. Dezember 1982 bestimmte Geschäftsführer.

Die Gesellschafter haben am 24. bzw. 26. Juli 1984 durch Abstimmung im schriftlichen Wege (gemäß § 34 Abs. 1 GmbHG) mit der Stimme der Mehrheitsgesellschafterin gegen die Stimme des Minderheitsgesellschafters beschlossen, die Geschäftsführer anzuweisen, das Dienstverhältnis mit drei namentlich bezeichneten Dienstnehmern der Gesellschaft zum nächstmöglichen Termin aufzukündigen, weil der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern die Fortsetzung dieser Dienstverhältnisse nicht mehr zugemutet werden könne. Die hiefür erforderliche Stimmrechtsvollmacht hat Dr. Alfred D seinem Rechtsfreund, Rechtsanwalt Dr. Julius E, am 26. September 1984 erteilt.

Der Minderheitsgesellschafter hat am 29. Oktober 1984 beim Landesals Handelsgericht Linz zu 7 Cg 381/84 gegen die Gesellschaft die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Gesellschafterbeschlusses eingebracht; die der beklagten Partei erteilte Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung ist am 3. Dezember 1984 abgelaufen.

Rudolf Andreas B hat den anderen Geschäftsführer, Dkfm. Dr. Werner C, am 13. November 1984 aufgefordert, eine Vollmacht an Rechtsanwalt Dr. Waldemar F zwecks Vertretung der Gesellschaft in diesem Prozeß zu zeichnen; dieses Begehren hat Dkfm. Dr. Werner C mit Schreiben vom 20. November 1984 mit dem Bemerken abgelehnt, der Gesellschafterbeschluß werde zu Recht bekämpft, sodaß es am sinnvollsten erscheine, das Verfahren durch Unterlassung einer Klagebeantwortung zu beenden. Im Zuge späterer Gespräche kündigte er an, er werde sich auch einer von der Generalversammlung auf Grund eines mit einfacher Mehrheit gefaßten Beschlusses erteilten Weisung zur Vollmachtsfertigung nicht beugen.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Geschäftsführers Rudolf Andreas B auf Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. Hans G zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer gemäß § 15 a GmbHG zur Vertretung dieser Gesellschaft im Verfahren 7 Cg 381/84 des Landesals Handelsgerichtes Linz sowie in einem allfälligen weiteren Prozeß statt und führte zur Begründung im wesentlichen aus, setze sich der Geschäftsführer über Weisungen der Gesellschafter hinweg, komme dies einem Vertretungsmangel im Sinne des § 15 a GmbHG gleich. Die Vertretungsbefugnis eines solchen Geschäftsführers könne ohnehin auf bestimmte Vertretungshandlungen eingeschränkt werden, sodaß es sinnvoll erscheine, dem zum Geschäftsführer bestellten Rechtsanwalt im Rahmen seiner begrenzten Agenden Einzelvertretungsbefugnis einzuräumen.

Das Gericht zweiter Instanz wies diesen Antrag in Stattgebung der Rekurse des Minderheitsgesellschafters und des Geschäftsführers Dkfm. Dr. Werner C ab. Es bejahte deren Rechtsmittellegitimation und führte des weiteren aus, die Bestellung eines Notgeschäftsführers setze voraus, daß die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlten. Darunter könne auch die tatsächliche oder rechtliche Behinderung der bestellten Geschäftsführer verstanden werden, wenn sie also etwa von einer Interessenkollision betroffen seien oder sich weigerten, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. Diese Voraussetzungen träfen aber hier nicht zu, weil die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Geschäftsführer ohnehin bestellt und tätig seien; der eine von ihnen, Dkfm. Dr. Werner C, verweigere keineswegs die Amtsführung, sondern lehne bloß die Erteilung einer Vollmacht an einen Rechtsanwalt zur Vertretung der Gesellschaft in einem gegen diese geführten Prozeß ab. Darin sei aber lediglich eine Meinungsverschiedenheit der beiden Geschäftsführer zu erkennen. In diesem Falle sei aber nicht das Registergericht zur Abhilfe berufen, weil es damit in die konkrete Willensbildung der Gesellschaft eingreife.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß vom Antragsteller Rudolf Andreas B ergriffene Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil der Rechtsmittelwerber sowohl als Geschäftsführer der Gesellschaft wie auch als persönlich haftender Gesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin J. A Kommanditgesellschaft als Beteiligter im Sinne des § 15 a GmbHG anzusehen ist (Kastner-Doralt, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts 4 , 285 und FN 13; vgl. auch Scholz-Winter, GmbHG 6 § 6 Anm. 14); das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 15 a Abs. 1 GmbHG, der dem § 76 AktG nachgebildet ist, hat das Registergericht, soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen, sie in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels zu bestellen. Die gerichtliche Bestellung eines oder mehrerer 'Notgeschäftsführer' setzt voraus, daß entweder überhaupt keine Geschäftsführer vorhanden sind oder vorhandene ganz allgemein oder im Einzelfall (zB zur Aufstellung des Jahresabschlusses) nicht handeln können (Meyer-Landrut in Großkomm. AktG 3 § 85 Anm. 1); Voraussetzung ist also, daß die Gesellschaft durch ihre Geschäftsführer weder für sich noch in Gemeinschaft mit Prokuristen vertreten werden kann; dabei genügt, daß die aktive Vertretungsmacht fehlt. Dem ist gleichzuhalten, daß das zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organ zwar ausreichend besetzt ist, die Vertretung der Gesellschaft jedoch infolge Weigerung einzelner oder aller Geschäftsführer, ihr Amt zu erfüllen, lahmgelegt ist (Schiemer, AktG § 76 Anm. 2.1; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 99). Das kann aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - nur dahin verstanden werden, daß das Registergericht bloß dann zur Bestellung von Notgeschäftsführern berufen ist, wenn ein oder mehrere Geschäftsführer die Geschäftsführertätigkeit grundsätzlich verweigern. Lehnt ein Geschäftsführer dagegen bloß einzelne (konkrete) Geschäftsführungsakte ab, weil er - wie hier - der Auffassung ist, es würde damit der Gesellschaft Schaden zugefügt, liegt es an der Gesellschafterversammlung, die ihr notwendig erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen (die bis zur Abberufung des Geschäftsführers gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG und Bestellung eines anderen Geschäftsführers reichen können). Daß das Gericht Geschäftsführer vor allem zur überwindung von Differenzen zwischen mehreren Geschäftsführern oder zwischen den Geschäftsführern und der Gesellschafterversammlung durch Notgeschäftsführer nicht ersetzen darf, folgt schon aus der Erwägung, daß das Gericht keineswegs zur Entscheidung gesellschaftsinterner Meinungsverschiedenheiten über den 'richtigen Kurs' des Unternehmens berufen ist; das Gericht kann auch nicht im Umweg über die Antragstellung im Sinne des § 15 a GmbHG zu dem Zweck angegangen werden, in die allein den Gesellschaftsorganen vorbehaltene Willensbildung (nach den Intentionen des Antragstellers) einzugreifen (so das deutsche Schrifttum zu den inhaltsgleichen Bestimmungen des § 29 BGB, der nach einhelliger Auffassung auch auf die Gesellschaft mbH anzuwenden ist, und des § 85 dAktG: MünchKomm-Reuter § 29 RdNR. 7; BGB-RGRK 11 -Steffen § 29 RdNR. 2; Soergel-Schultze-v.Lasaulx 11 § 29 Rz. 8 und 9;

Staudinger-Coing 12 § 29 Rz 7; Palandt-Heinrichs BGB 44 § 29 Anm.

2;

Baumbach-Hueck, GmbHG 13 47; Mertens in Großkomm. GmbHG 7 § 35

RdNR. 64;

Scholz-Winter aaO; Meyer-Landrut aaO). Demnach darf das Registergericht weder auf Antrag eines der beiden gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer noch dessen Mehrheitsgesellschafters einen Notgeschäftsführer bestellen, nur weil sich der andere Geschäftsführer mit der Begründung, er sei der Ansicht, daß die Prozeßführung der Gesellschaft schade, weigert, eine Vollmacht an einen Rechtsanwalt zur Vertretung der Gesellschaft im Prozeß über die Klage des Minderheitsgesellschafters auf Feststellung der Nichtigkeit eines Generalversammlungsbeschlusses zu zeichnen. Allein deshalb kann noch keineswegs von einem faktisch nicht vorhandenen Geschäftsführungsorgan oder einer Interessenkollision gesprochen werden. Die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Rechtsprechung trifft - wie schon das Rekursgericht richtig ausführte - allesamt Sachverhalte, in welchen entweder die aktive Vertretungsmacht überhaupt fehlte oder der Geschäftsführer in eine Interessenkollision verstrickt und deshalb faktisch nicht als vorhanden anzusehen war. Ein Interessenwiderstreit, der den Geschäftsführer Dkfm. Dr. Werner C an der vom Antragsteller angestrebten Geschäftsführungshandlung hindern würde, liegt deshalb nicht vor, weil er hievon nicht selbst in seiner Rechtssphäre betroffen ist; daran kann auch nichts ändern, daß die Bestellung dieses Geschäftsführers auf Vorschlag des Minderheitsgesellschafters geschehen ist.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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