OGH 6Ob180/61

OGH6Ob180/6110.5.1961

SZ 34/73

Normen

ABGB §579
ABGB §677
ABGB §579
ABGB §677

 

Spruch:

Die Testamentszeugen müssen den Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft nicht eigenhändig schreiben.

Unter das Vermächtnis der Wohnung mit allem darin befindlichen Inventar im Sinne des § 677 ABGB. fällt auch der Schmuck.

Entscheidung vom 10. Mai 1961, 6 Ob 180/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin brachte vor, daß der am 8. September 1946 verstorbene Ladislaus W. ihr als seiner langjährigen Wirtschafterin in einem Kodizill die erblasserische Wohnung samt allen darin befindlichen Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Wäsche und Kleidern vermacht habe. Er habe ihr ferner das unentgeltliche Wohnrecht in der in seinem Haus befindlichen Wohnung auf Lebenszeit zugesagt. Gemäß § 677 ABGB. gehöre zu dem Vermächtnis der Wohnung samt Möbeln usw. auch der in der Wohnung befindliche Schmuck. Dies habe auch dem Willen des Erblassers entsprochen. Das Erstgericht stellte fest, daß das vom Erblasser errichtete Kodizill vom 8. August 1945 mit Maschine geschrieben und von Robert A., Guido B. und Franz C. als Zeugen unterschrieben sei. Bei den Unterschriften der drei Zeugen befinde sich jeweils das Beiwort "Zeuge". Das Kodizill sei von Guido B. entsprechend den Wünschen des Erblassers mit Schreibmaschine geschrieben und sodann in Abwesenheit des B. von A. und C. als Zeugen unterfertigt worden, die beide gleichzeitig anwesend gewesen seien. Guido B. habe später in Abwesenheit der übrigen beiden Zeugen unterschrieben. Auch der Erblasser habe das Kodizill unterfertigt. Er sei bei dessen Errichtung bei vollem Bewußtsein und im Besitz seiner Geisteskräfte gewesen.

Das Erstgericht verurteilte auf Grund des festgestellten Sachverhaltes die beklagte Verlassenschaft nach Ladislaus W. zur Herausgabe mehrerer Schmuckstücke, die sich in der Wohnung des Erblassers befunden hatten - insbesondere eines Goldringes mit Brillanten - an die Klägerin.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst wird von der Revision in längeren Ausführungen darzutun versucht, daß die denn Verfahren zugrunde liegende letztwillige Verfügung vom 8. August 1945 nicht als ein gültiges schriftliches Kodizill angesehen werden könne; denn keiner der drei Zeugen habe sich mit einem auf die Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz selbst unterschrieben, sondern es seien die in der Urkunde enthaltenen Worte "als Zeuge" bereits vorher mit der Schreibmaschine vorgeschrieben gewesen.

Diesen Ausführungen kann nicht beigestimmt werden. Gemäß § 579 ABGB. ist entscheidend, daß sich die Zeugen "mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz" unterschrieben haben. Nun befindet sich bei der Unterschrift aller drei Zeugen jeweils das Wort "Zeuge". Daß diese Worte, als die Zeugen ihre Unterschrift abgaben, an den entsprechenden vorgesehenen Stellen bereits mit der Maschine vorgeschrieben waren, ändert nichts daran, daß die Zeugen die Unterschrift doch ausdrücklich unter Anführung ihrer Eigenschaft als Zeugen beigesetzt haben. Nur dies wird gemäß § 579 ABGB. verlangt. Ob die Zeugen erst nach Abgabe ihrer Unterschriften noch die Bezeichnung "als Zeuge" beigefügt haben oder ob sie ihre Unterschrift an der Stelle abgaben, an welcher bereits das Wort "Zeuge" mit der Schreibmaschine vorgeschrieben war, ist entgegen der in der Revision vorgetragenen Ansicht nicht entscheidungswesentlich; es ist nicht erforderlich, daß die Zeugen den Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft eigenhändig schreiben, er kann auch von fremder Hand - und daher auch mittels einer Schreibmaschine, die heute immer mehr die Handschrift ersetzt - beigesetzt werden (s. die in der Manzschen Ausgabe des ABGB. von Kapfer, 26. Aufl., zu § 579 ABGB. unter Nr. 24 zitierten Entscheidungen; auch Weiss in Klang 2. Aufl. III 314). Auch wenn das Wort "Zeuge" bereits vorgeschrieben war, haben die Zeugen dadurch, daß sie an der entsprechenden Stelle ihre Unterschrift beisetzten, zu erkennen gegeben, daß sie die letztwillige Verfügung in ihrer Eigenschaft als Zeugen unterfertigten. Sie haben damit das bereits vorgeschriebene Wort "Zeuge" als einen auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz durch ihre Unterschrift gedeckt; wenn dieses Wort auch bereits vorgeschrieben war, so wurde es doch erst durch die Beisetzung ihrer Unterschriften rechtswirksam und daher erst in diesem Augenblick ein auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisender Zusatz zu ihrer Unterschrift. Vorher war es rechtlich bedeutungslos. Ein anderer Sinn kann der betreffenden Bestimmung des § 579 ABGB. nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und der daraus hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers (§ 6 ABGB.) nicht unterlegt werden. Die in der Revision vertretene Ansicht, daß der Hinweis auf die Zeugeneigenschaft nicht schon vor Abgabe der Unterschrift vorbereitet, sondern nach Abgabe der Unterschrift überhaupt erst geschrieben werden dürfe, ist als überspitzt abzulehnen. Die Untergerichte haben daher ohne Rechtsirrtum die Gültigkeit des schriftlichen Kodizills vom 8. August 1945 nicht deshalb verneint, weil der Hinweis auf die Zeugeneigenschaft bereits vor der Unterfertigung des Kodizills durch die drei Zeugen vorbereitet war.

Die Untergerichte haben aber auch ohne Rechtsirrtum angenommen, daß unter das Vermächtnis der Wohnung mit allem darin befindlichen Inventar im Sinne des § 677 ABGB. grundsätzlich auch der Schmuck - und daher auch der Brillantring - fällt (vgl. die bei Kapfer a. a. O. zu § 677 ABGB. unter Nr. 1 zitierte Entscheidung GlU. 1341).

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