OGH 6Ob16/94

OGH6Ob16/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Abhandlung des Nachlasses nach dem am 21.November 1990 gestorbenen Thomas S*****, über die einander widerstreitenden Anträge a) des Thomas S*****, vertreten durch Mag.Dr.Friedrich Studentschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, b) des Friedrich S*****, vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwälte in Klagenfurt, und c) der Ursula S*****, vertreten durch Dr.Friedrich Pettauer, öffentlicher Notar in Klagenfurt, zur Bestimmung des Hofübernehmers gemäß §§ 5 ff KrntEHG 1990, infolge Revisionsrekurses des Übernahmswerbers Thomas S*****, gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 7.Dezember 1993, GZ 24 A 5084/92-77, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Februar 1994, AZ 1 R 8/94(ON 84), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Der am 21.November 1990 im 85.Lebensjahr gestorbene Bauernpensionist hinterließ seine am Todestag 75 Jahre alte Ehefrau als Witwe sowie sechs Kinder und zwei Enkelkinder eines vorverstorbenen Sohnes. Die Nachkommen sind unter Beziehung des Lebensalters auf den Todestag des Erblassers der 56 Jahre alte Baumeister Thomas, der 54 Jahre alte Gipser Franz, die beiden Kinder des im Jahre 1989 vorverstorbenen Sohnes Johann, nämlich die 25 Jahre alte Siegrid und der 21 Jahre alte Gerald, weiters der 50 Jahre alte Tankstellenpächter Anton, der 1991 nachverstorben und dessen Alleinerbin seine Witwe Maria ist, der 48 Jahre alte Pensionsinhaber Friedrich, der 45 Jahre alte Verkäufer Egydius und seine Zwillingsschwester Ursula.

Die Söhne Franz und Egydius hatten mit ihrem Vater formgültige Erbverzichtsverträge abgeschlossen.

Eine letztwillige Anordnung des Erblassers ist nicht bekannt.

Nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung sind die Witwe zu einem Drittel, der Sohn Thomas, die Alleinerbin nach dem Sohn Anton, der Sohn Friedrich und die Tochter Ursula zu je 2/15 und die Enkelkinder Siegrid und Gerald zu je 1/15 zur Erbschaft berufen.

Bisher haben nur die drei Kinder Thomas, Friedrich und Ursula Erbserklärungen abgegeben; diese nahm das Gericht auch ausdrücklich entgegen.

Der Erblasser war Alleineigentümer eines seinerzeit ihm von seiner Verwandtenseite zugefallenen landwirtschaftlichen Betriebes mit einem Gutsbestand im Ausmaß von rund 25 2/3 ha.

Die Erbhofeigenschaft dieses Betriebes im Sinne des § 2 KrntEHG 1990 ist unter sämtlichen Beteiligten unbestritten.

Sowohl die Söhne Thomas und Friedrich als auch die Tochter Ursula streben die Hofübernahme als Anerbe an.

Alle drei genossen eine landwirtschaftliche Ausbildung und Erziehung. Friedrich und Ursula wuchsen mit ihren Geschwistern auf dem Erbhof auf. In Ansehung des ältesten Sohnes Thomas ist diese Qualifikation des Aufwachsens auf dem Erbhof strittig.

Dazu stellte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang fest:

Thomas Eltern behielten ihren Erstgeborenen nur bis zu dessen 9. Lebensmonat bei sich auf dem Hof und überließen ihn dann wegen arbeitsmäßiger Überlastung seinen mütterlichen Großeltern, mit denen sie in einem sehr guten Einvernehmen standen und die als Pächter einen Bauernhof bewirtschaften, dessen Gutsbestand an jenen des väterlichen Hofes angrenzt. Ungeachtet dieser großelterlichen Pflege kam Thomas regelmäßig auf den väterlichen Hof, spielte dort mit seinen dort aufwachsenden jüngeren Geschwistern und beaufsichtigte diese auch teilweise als deren älterer Bruder. Seine Eltern behandelten ihn - ungeachtet des großelterlichen Pflegeplatzes - nicht anders als seine jüngeren Geschwister. Er war so in die auf dem väterlichen Hof lebende engere Familie voll aufgenommen. In der Nachbarschaft wurde er "Thomy" teils unter Vorsetzung des Hofnamens des väterlichen Hofes, teils unter Vorsetzung des Hofnamens des vom mütterlichen Großvater als Pächter bewirtschafteten Nachbarhofes genannt. Sobald er altersmäßig dazu imstande war, half Thomas sowohl bei Arbeiten auf dem vom Großvater bewirtschafteten Hof als auch auf dem väterlichen Hof mit. Die beiden benachbarten Höfe wurden zwar als selbständige Betriebe geführt; bei Arbeiten, die den Einsatz einer größeren Anzahl von Arbeitskräften erforderten, halfen die familiär auf das engste miteinander verbundenen Bauersleute aber einander bei gemeinsamer Arbeit auf ihren benachbarten Höfen aus. Dabei wurden auch die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen. Aus Anlaß des Militärdienstes im Zweiten Weltkrieg war der Erblasser vier Jahre nicht auf seinem Hof. In dieser Zeit führte seine Ehefrau und deren Vater den landwirtschaftlichen Betrieb.

Thomas besuchte damals noch die Volkssschule. Im Anschluß an seine Volksschulzeit besuchte Thomas eine dreijährige landwirtschaftliche Berufsschule. Als 1953 die großelterliche Gutspacht endete, begann Thomas mit einer Maurerlehre. Nach Ablegung der Meisterprüfung gründete er ein Bauunternehmen. Neben seiner Berufstätigkeit als Baumeister arbeitete Thomas spätestens ab 1977 wieder regelmäßig auf dem väterlichen Hof. Dieser Betrieb war in den Jahren 1977 bis 1982 - aus pensionsrechtlichen Erwägungen - an die nunmehrige Witwe des Erblassers verpachtet. Im Anschluß daran war Thomas fünf Jahre Pächter des väterlichen Betriebes. In den folgenden Jahren war dieser landwirtschaftliche Betrieb an den gleichnamigen 1965 geborenen Sohn des Thomas verpachtet. Baumeister Thomas, dessen Wohnsitz vom väterlichen Hof nur etwa 1 km entfernt ist, arbeitete auch nach der Pachtung durch seinen Sohn weiter im Betrieb auf dem väterlichen Hof mit.

Das Abhandlungsgericht folgerte aus diesen seinen im zweiten Rechtsgang erweiterten Feststellungen im Widerspruch zu der im rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erfolgten rechtlichen Würdigung des im ersten Rechtsgang festgestellten Sachverhaltes, daß auch Thomas, der erstgeborene Sohn des Erblassers, ungeachtet der großelterlichen Betreuung zufolge seiner Integration in das familiäre Leben und in den Arbeitsablauf auf dem väterlichen Hof die seit dem 1. Januar 1990 ausschlaggebende Auswahlqualifikation des "Aufgewachsenseins auf dem Erbhof" gleich seinen übrigen Geschwistern und Mitbewerbern um die Hofübernahme erfülle, ohne daß er im Sinne des § 8 Abs 1 Z 4 KrntEHG 1990 von der Hofübernahme auszuschließen wäre, weil er bereits durch eineinhalb Jahrzehnte bewiesen habe, daß er neben seiner unternehmerischen Tätigkeit als Baumeister auch die Bewirtschaftung des Erbhofes zumindestens leiten könne.

Das Rekursgericht änderte diese Auswahlentscheidung im Sinne eines vom Sohn Friedrich erhobenen Rekurses durch Bestimmung dieses Sohnes zum Anerben ab.

Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekursvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vorliege.

Zur Begründung seiner abändernden Entscheidung führte das Rekursgericht aus, "auch unter Zugrundelegung der sich aus dem fortgesetzten Verfahren ergebenden Feststellungen an seiner im Aufhebungsbeschluß geäußerten Rechtsansicht festzuhalten" und die erstrichterliche Auffassung über ein Aufwachsen des ältesten Sohnes auf beiden Höfen (nämlich auf dem vom mütterlichen Großvater gepachteten Hof und dem benachbarten väterlichen Hof) nicht zu teilen.

Baumeister Thomas, der Erstgeborene, ficht die abändernde Rekursentscheidung wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Abänderungsantrag im Sinne des erstinstanzlichen Beschlusses und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Auslegung des Auslesekriteriums "Aufwachsen auf dem Erbhof" nach § 6 KrntEHG 1990 zulässig.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Nach den erst weniger als elf Monate vor dem Ableben des im 85. Lebensjahr gestorbenen Bauernpensionisten in Kraft getretenen Auswahlregeln des § 6 KrntEHG 1990 werden unter den zur Land- und Forstwirtschaft erzogenen (oder in Erziehung stehenden) Miterben bei der Anerbenbestimmung diejenigen bevorzugt, "die auf dem Erbhof aufgewachsen sind oder aufwachsen".

Das damit neu aufgestellte Auswahlkriterium des Aufgewachsenseins (oder Aufwachsens) auf dem Erbhof stellt einerseits eine Korrektiv zum Entfall des bis dahin gegoltenen Vorranges von leiblichen Kindern gegenüber Adoptivkindern sowie von ehelichen gegenüber unehelichen Kindern, andererseits aber eine Verfeinerung der Auswahlmerkmale dar, die zum typischerweise geeigneteren Hofübernehmer führen sollen.

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 462 BeilNR XVII.GP 11 f, soll das Kriterium des Aufgewachsenseins oder Aufwachsens auf dem Erbhof durch das Verbringen der Kindheit oder wenigstens eines Teiles der Jugend auf dem Hof durch den Übernahmswerber erfüllt sein. Dem fügen die EB ausdrücklich bei, daß im jeweiligen Einzelfall der Zweck der Bestimmung, einen zur Landwirtschaft geeigneten Anerben zu erhalten, zu beachten sein werde und die Eignung darin gesehen wird, daß der Übernehmer "in einer Nahebeziehung zum Hof steht und mit dem Betrieb vertraut ist".

Wenn danach das "Aufwachsen auf dem Erbhof" als Auswahlkriterium gemäß § 6 KrntEHG 1990 als Kürzel dafür stehen soll, daß der Hofübernehmer durch seine familiäre Einbindung in das Alltagsleben und in die Arbeitsabläufe der auf dem Hof lebenden Familie während seiner Kindheit oder Jugendzeit Gelegenheit zum nachhaltigen Erlebnis der das bäuerliche Leben kennzeichnenden Werte und Anschauungen sowie zur Erfassung der konkreten Betriebsbedingungen des betreffenden Hofes hatte, dann wäre nach den vom Abhandlungsgericht im

2. Rechtsgang festgestellten persönlichen Verhältnissen des erstgeborenen Sohnes Thomas, der zwar schon in seinem ersten Lebensjahr zu seinen mütterlichen Großeltern auf den dem väterlichen Hof benachbarten, in Pacht geführten Bauernhof gekommen ist, trotzdem aber wie seine später geborenen Geschwister regelmäßig auf dem väterlichen Hof zunächst gespielt habe, später dem Alter entsprechend bei den jeweils erforderlichen landwirtschaftlichen Arbeiten mitgeholfen habe und von seinen Eltern nicht anders behandelt worden sei als seine jüngeren Geschwister, im Gegensatz zur rekursgerichtlichen auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellenden Auffassung der erstrichterlichen Beurteilung beizutreten, daß Thomas das Auswahlkriterium des Aufgewachsenseins auf dem Erbhof erfülle. Er wäre eben unter den besonderen Umständen seiner Lebensverhältnisse nicht nur in das Familienleben, sondern auch in die Betriebsvorgänge auf dem Hof so weit miteinbezogen gewesen, daß er als Kind des Bauern im familiären Alltagsleben nicht anders als seine Geschwister während der prägenden Kindes- und Jugendjahre die Anforderungen an die konkreten Betriebserfordernisse kennenlernen und die bäuerliche Lebenseinstellung im Rahmen des konkreten Betriebes erleben hätte können.

Thomas hätte dann hinter seinen beiden jüngeren Mitbewerbern um die Hofübernahme nicht mangels Aufgewachsenseins auf dem Erbhof zurückzustehen.

Das Gericht erster Instanz hat hinreichend begründet, daß in Ansehung des ältesten Sohnes des Erblassers auch kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 8 KrntEHG 1990 vorliegt. Das haben seine beiden Mitbewerber um die Hofübernahme in ihren Rekursen gegen die erstinstanzliche Entscheidung auch nicht einmal zu widerlegen versucht.

Deshalb ist es entscheidend, ob die erstrichterlichen Feststellungen zugrunde zu legen sind. Beide Mitbewerber des ältesten Sohnes des Erblassers um die Hofübernahme bekämpften mit ihren Rekursen gegen die erstinstanzliche Bestimmung des Thomas zum Anerben die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen wegen unrichtiger Beweiswürdigung der unmittelbar vor dem erkennenden Richter abgelegten Aussagen. Das Rekursgericht hat sich einer Erledigung dieser Beweisrügen aus der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Erwägung enthalten, daß selbst nach den bekämpften erstrichterlichen Feststellungen der älteste Sohn hinter seinen beiden jüngeren Geschwistern zurückzustehen hätte. Das Rekursgericht wird sich aber der Erledigung der Beweisrügen zu unterziehen haben. Aus diesem Grunde war die Rekursentscheidung aufzuheben und demRekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

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