OGH 6Ob130/13f

OGH6Ob130/13f9.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen O***** Privatstiftung mit dem Sitz in W*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragung eines Vorstandsmitglieds, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Vorstandsmitglieder 1. E***** K*****, 2. E***** W*****, beide vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Mai 2013, GZ 28 R 83/13a‑17, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. Februar 2013, GZ 74 Fr 2134/13v‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

Text

Begründung

Im Firmenbuch ist zu FN ***** seit 11. 3. 2006 die O***** Privatstiftung (idF: Stiftung) mit Sitz in W***** eingetragen. Die Stifter sind gemäß Punkt 3. der Stiftungsurkunde vom 13. 1. 2006 in dieser Reihenfolge (1.) O***** L***** („Erststifter“) und (2.) J***** L***** („Zweitstifter“).

Die Stiftungsurkunde lautet auszugsweise:

§ 2 Zweck, Begünstigte

1. Die Stiftung hat den Zweck,

‑ vom Stiftungsvorstand zu bestimmende Personen zu unterstützen und zu fördern

‑ sowie Vermögenswerte aller Art, insbesondere auch Beteiligungen und Immobilien, zu verwalten

‑ und betriebliche Unternehmungen zu fördern, an denen die Stiftung oder der Erststifter unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. [...]

§ 5 Vorstand

1. Der Vorstand besteht aus mindestens drei Mitgliedern.

2. Die Stiftung wird jeweils durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten, wobei jedoch auch einzelnen von ihnen selbständige Vertretungsbefugnis erteilt werden kann.

3. a) Der erste Vorstand wird von den Stiftern bestellt. Zu je kollektivvertretungsbefugten Mitgliedern des ersten Stiftungsvorstandes werden bis auf weiteres Mag. F***** H***** [...], Dr. K***** P***** [...], Dr. A***** L***** [...] bestellt.

Scheidet ein Mitglied des Stiftungsvorstandes aus diesem aus, ist der Erststifter, im Falle seines Ablebens der Zweitstifter, sodann ein allfällig eingerichteter Beirat berechtigt, weitere Vorstandsmitglieder zu bestellen.

b) Ist nach den Bestimmungen keine Bestellung möglich, so beschließt der Vorstand bei Ausscheiden eines Mitglieds über dessen Nachfolger. Verbleiben keine Mitglieder des Vorstandes, erfolgt die Entscheidung durch die dann Begünstigten mit einfacher Mehrheit. [...]

6. Die Mitglieder des Vorstandes scheiden aus diesem aus: [...]

b. durch Rücktritt, der jederzeit durch schriftliche Mitteilung an den Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter oder, falls beide verhindert sind oder nicht mehr dem Stiftungsvorstand angehören, durch schriftliche Mitteilung an das zuständige Firmenbuchgericht ohne Angaben von Gründen möglich ist.

[...]

§ 6 Beirat

1. Der Beirat besteht aus mindestens einem, höchstens drei Mitgliedern. Auf Lebzeiten des Erststifters kann dieser den Beirat bestimmen. Nimmt der Erststifter keine Organfunktion wahr, ist er selbst Beirat. In seinem Ablebensfall gehen seine Rechte an den Zweitstifter über.“

Die Funktion des Vorstandsmitglieds Mag. F***** H***** wurde am 20. 7. 2012 gelöscht, jene Dr. K***** P*****s am 26. 5. 2007, jene Dr. A***** L*****s am 30. 6. 2006. Die Funktion H***** J***** K*****s, der seit 23. 5. 2007 vertrat, wurde am 15. 4. 2010 gelöscht. Als Vorstandsmitglieder eingetragen sind nunmehr E***** W***** (vertritt seit 30. 6. 2006) und E***** K***** (vertritt seit 17. 3. 2010).

Seit der Löschung der Funktion des Vorstandsmitglieds Mag. F***** H***** mit Beschluss vom 20. 7. 2012 bestand der Stiftungsvorstand daher ‑ entgegen § 15 Abs 1 PSG und § 5 Abs 1 der Stiftungsurkunde ‑ nur aus den beiden Mitgliedern E***** W***** und E***** K*****.

Am 28. 1. 2013 meldete die Stiftung, vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder E***** K*****, E***** W***** und Dr. M***** D*****, diese vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, (1.) die neue Geschäftsadresse *****, und (2.) unter Vorlage der Beurkundung des Vorstandsbeschlusses vom 28. 1. 2013 (./1) sowie der Musterzeichnung des dritten Vorstandsmitglieds Dr. M***** D***** (./2) dessen Eintragung als neues Vorstandsmitglied an. Zur zweitgenannten Anmeldung brachte sie im Wesentlichen vor, in der letzten Vorstandssitzung habe der Vorstand der Stiftung beschlossen, Dr. M***** D*****, mit sofortiger Wirkung als drittes Vorstandsmitglied zu bestellen.

Das Erstgericht bewilligte die begehrten Eintragungen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Stifters Folge und trug dem Erstgericht auf, das Verfahren gemäß § 10 Abs 2 FBG zur Löschung der mit dem angefochtenen Beschluss bewilligten Eintragung des Dr. M***** D***** als neues Vorstandsmitglied einzuleiten. Dem Stiftungsvorstand, bestehend aus dem verbliebenen beiden Mitgliedern, komme die Kompetenz zur Bestellung des fehlenden Vorstandsmitglieds gemäß § 5 Z 3 lit b der Stiftungsurkunde erst dann zu, wenn die Bestellung nach den Bestimmungen der Z 3 lit a „nicht möglich“ ist. Darunter sei zwar zwanglos auch der Fall zu verstehen, dass der primär kompetente Erststifter mit der Bestellung säumig ist, eine solche Säumigkeit des Rekurswerbers habe die Stiftung in erster Instanz aber nicht behauptet. Dem Rekurs sei daher Folge zu geben und dem Erstgericht das Löschungsverfahren gemäß § 10 Abs 2 FBG zur Löschung der Eintragung des Dr. M***** D***** als neues Vorstandsmitglied aufzutragen.

Dem Erstgericht obliege aber auch ein weiteres Vorgehen nach § 27 Abs 1 PSG: Nach dieser Bestimmung habe das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die nach Gesetz oder Stiftungserklärung vorgeschriebenen Mitglieder, soweit diese fehlen, zu bestellen. Von diesem „Fehlen“ sei dann auszugehen, wenn die gesetzliche oder in der Stiftungserklärung angeordnete Anzahl an Organmitgliedern nicht erreicht werde. Dies sei hier hinsichtlich des Stiftungsvorstands seit der Löschung der Funktion des Vorstandsmitglieds Mag. F***** H***** der Fall, weil sowohl nach § 15 Abs 1 PSG als auch nach § 5 Abs 1 der Stiftungsurkunde der Stiftungsvorstand aus wenigstens drei Mitgliedern bestehen müsse.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Bedeutung der vorliegenden Entscheidung über den Einzelfall nicht hinausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1. Auf die Frage, ob den Revisionsrekurswerbern trotz ihrer mittlerweile erfolgten Löschung im Firmenbuch Rechtsmittellegitimation zukommt, braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Entscheidung jedenfalls nicht von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt:

2.1. Nach dem klaren Wortlaut der Stiftungsurkunde besteht eine Kompetenz des Vorstands zur Kooptierung eines Nachfolgers für ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied nur dann, wenn eine Bestellung durch den Erststifter bzw im Fall seines Ablebens durch den Zweitstifter und sodann durch einen allenfalls eingerichteten Beirat nicht möglich ist. Diese Voraussetzung ist, da der Erststifter noch am Leben und nicht verhindert ist, unzweifelhaft nicht gegeben. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass das Vorgehen des Erststifters (bzw nach dessen Ableben des Zweitstifters oder eines Beirats) durch ein anderes Stiftungsorgan überprüft werden könnte und die primär vorgesehene Kompetenz der Stifter dadurch unterlaufen würde.

2.2. Vielmehr ist bei Säumigkeit des Stifters oder des sonst für die Bestellung des Vorstands zuständigen Organs nach § 27 PSG vorzugehen (vgl Arnold, PSG3 § 27 Rz 8).

2.3. Gerade der vorliegende Fall zeigt auch anschaulich, dass im Fall der Säumnis des Stifters nur die sofortige Befassung des Gerichts zu einem sachgerechten Ergebnis führt, liegen doch dahinter in der Regel massive Auffassungsunterschiede zwischen dem Restvorstand und dem Stifter, sodass nicht angenommen werden kann, dass durch die Tätigkeit des Restvorstands der Konflikt nachhaltig bereinigt wird.

2.4. Schon aus dieser Überlegung bestand für eine Bestellung von Dr. M***** D***** durch die beiden übrigen Vorstandsmitglieder kein Raum.

3.1. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts führt jedoch zum selben Ergebnis, sodass die Entscheidung nicht von der entsprechenden Wahl des Begründungswegs abhängt.

3.2. Das Rekursgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass eine Säumigkeit des Erststifters in erster Instanz nicht behauptet worden sei.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf zu verweisen, dass die Kompetenz des Vorstands zur Kooptierung eines weiteren Mitglieds und damit die Wirksamkeit einer solcherart vorgenommenen Bestellung nicht vom entsprechenden Vorbringen im Firmenbuchverfahren abhängt. Vielmehr hätte das Rekursgericht, wenn es zur Auffassung gelangte, dass eine Zuständigkeit des Vorstands für die Bestellung eines weiteren Mitglieds eine entsprechende Säumigkeit des Erststifters voraussetzt, diesen Umstand mit der Privatstiftung erörtern müssen und diese zu entsprechenden Klarstellungen auffordern müssen. Dass dies im vorliegenden Fall unterblieb, ist jedoch deshalb unschädlich, weil nach dem Gesagten eine derartige Kompetenz des Restvorstands ohnedies nicht besteht.

3.4. Im Ergebnis hat daher das Rekursgericht zu Recht dem gegen die Eintragung von Dr. M***** D***** als Vorstandsmitglied erhobenen Rekurs Folge gegeben.

4. Die weitere Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass das Erstgericht im Fall der Säumnis der für die Bestellung zuständigen Stiftungsorgane das Erstgericht nach § 27 Abs 1 PSG vorzugehen hat, entspricht der herrschenden Lehre (Arnold, PSG3 § 27 Rz 8) und Rechtsprechung (vgl nur 6 Ob 178/05b).

5. Was die Befugnis des Stifters zur Bestellung des Vorstands anlangt, so hat der erkennende Senat in der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 195/10k (JBl 2011/321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi] = ZFS 2011, 68 [Kalss] = GesRZ 2011, 239 [H. Torggler]; vgl dazu auch Zollner/Paulsen, PSR 2012, 66; Hartlieb, PSR 2012, 100) im Anschluss an die Auffassungen von Kalss und H. Torggler ausgesprochen, dass sich daraus, dass der Stifter, auch wenn er selbst Begünstigter ist, den ersten Vorstand bestellen kann, ergibt, dass auch gegen die weitere Bestellung des Vorstands durch den Stifter, sofern sich dieser ein entsprechendes Recht in der Stiftungserklärung vorbehält, keine Bedenken bestehen. Voraussetzung ist freilich eine entsprechende Mindestfunktionsdauer, die im Regelfall drei Jahre beträgt (vgl 6 Ob 195/10k).

6.1. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, bei Stattgebung eines Rekurses gegen einen Eintragungsbeschluss sei nicht sofort dem Erstgericht die Löschung aufzutragen, sondern nur die Einleitung des Verfahrens zur Löschung gemäß § 10 Abs 2 FBG aufzutragen, wird im Revisionsrekurs nicht bekämpft.

6.2. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf zu verweisen, dass nach neuerer Auffassung ein Amtslöschungsverfahren bei Anfechtung einer Firmenbucheintragung grundsätzlich nicht zwischenzuschalten ist (vgl G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 20 Rz 21). Vielmehr sollen im Firmenbuchverfahren abändernde Entscheidungen der Rechtsmittelinstanzen grundsätzlich sofort ihren Niederschlag im Firmenbuch finden, und zwar in der Weise, dass die vom Erstgericht verweigerte Eintragung durchgeführt oder die vom Erstgericht bewilligte Eintragung gelöscht oder abgeändert wird (G. Kodek aaO mwN). Ein eigenes Löschungsverfahren mit vollem Rechtsschutz ist daher nicht durchzuführen. Eine sofortige Löschung käme hingegen dann nicht in Betracht, wenn zum Schutz Dritter noch eine Liquidation (§§ 205 ff AktG, §§ 89 ff GmbHG, § 36 PSG) vorzuschalten ist (23 BlgNR 18. GP 16; G. Kodek aaO § 20 FBG Rz 23). In diesem Sinne bezog sich der vom Rekursgericht zitierte Leitsatz RIS‑Justiz RS0109582 auch auf die Löschung einer Kapitalgesellschaft, nicht die Löschung einzelner Organmitglieder.

7. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass dieser spruchgemäß zurückzuweisen war.

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