OGH 6Ob122/12b

OGH6Ob122/12b22.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj L***** V*****, geboren am 17. Oktober 2008, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Kindesmutter T***** V*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 4. Mai 2012, GZ 20 R 140/11d-48, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 16. August 2011, GZ 12 PS 94/11t-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob das Kindeswohl iSd Art 13 Abs 1 lit b HKÜ bei einer Rückgabe gefährdet ist, ist eine von den jeweiligen Umständen abhängige Frage, die im Einzelfall zu entscheiden ist. Diese Frage bedarf daher regelmäßig nur dann einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, wenn die Vorinstanzen bei ihren Entscheidungen in unvertretbarer Weise von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgewichen sind (RIS-Justiz RS0112662 [T1, T5]).

Dem Revisionsrekurs ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Nachteile für das Kind im Fall der von den Vorinstanzen angeordneten Rückgabe befürchtet werden (vgl RIS-Justiz RS0074561). Der Ausnahmetatbestand des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ ist nach der Rechtsprechung eng auszulegen und auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken (RIS-Justiz RS0074568 [T8]). Grundsätzlich ist es dem entführenden Elternteil zumutbar, gemeinsam mit dem Kind in den Herkunftsstaat zurückzukehren, weil es dann nicht zur Trennung kommen muss. Dem entführenden Elternteil ist auch zuzumuten, eigene Nachteile der Rückkehr in Kauf zu nehmen, weil es auf sein Wohl dabei nicht ankommt (RIS-Justiz RS0109515 [T14, T15]).

Soweit die Rechtsmittelwerberin davon ausgeht, dass der Antragsteller finanziell nicht in der Lage wäre, den Minderjährigen ausreichend zu versorgen, entfernt sie sich von den Feststellungen der Vorinstanzen. Insgesamt macht der außerordentliche Revisionsrekurs somit keine drohenden Nachteile für den Minderjährigen geltend, die über die zwangsläufigen Folgen eines erneuten Aufenthaltswechsels hinausgehen (vgl Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht Rz 09.10).

In der Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Minderjährige in Bosnien einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ist in Anbetracht des Umstands, wonach der gesamte Hausrat nach Bosnien übersiedelt wurde und die Kindeseltern dort ein Unternehmen betreiben wollten, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Zusammenfassend bringt die Rechtsmittelwerberin sohin keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte