OGH 6Ob11/79

OGH6Ob11/7931.8.1979

SZ 52/128

Normen

ZPO §102
ZPO §104
ZPO §520
ZPO §102
ZPO §104
ZPO §520

 

Spruch:

In den Fällen des § 7 Z. 4 des Kärntner Erbhofgesetzes ist das Abhandlungsgericht funktionell ein Hilfsorgan des zur Entscheidung in erster Instanz berufenen Gerichtshofes; Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtshofes können daher sowohl beim Abhandlungsgericht als auch beim Gerichtshof selbst eingebracht werden

Eine berufsbedingte und daher zwar regelmäßige, aber die ganze Arbeitswoche und nicht bloß tagsüber währende Abwesenheit aus der Gemeinde des Zustellortes macht eine dort vorgenommene Ersatzzustellung nach § 102 ZPO wirkungslos

OGH 31. August 1979, 6 Ob 11/79 (OLG Graz 6 R 185/78; LG Klagenfurt 5 Nc 20/78).

Text

Das Bezirksgericht Völkermarkt pflegt die Abhandlung über das Vermögen des am 4. Juli 1977 verstorbenen Landwirts Primus K sen. In den Nachlaß fällt ein Erbhof im Sinne des Kärntner Erbhöfegesetzes. Der Übernehmer ist gerichtlich zu bestimmen.

Das Landesgericht Klagenfurt entschied mit Beschluß vom 9. Oktober 1978, 5 Nc 20/78-2, daß der älteste Sohn, Primus K jun., gemäß § 7 Z. 4 lit. b KtnErbhöfeG von der Übernahme des Hofes ausgeschlossen sei. Das Abhandlungsgericht verfügte die Zustellung von Ausfertigungen dieser Gerichtshofentscheidung an die erbserklärten Erben. Diese erhielten daher Beschlußausfertigungen, in denen nicht nur im Kopf, sondern auch am Ende (§ 144 Abs. 4 Geo.) der Gerichtshof bezeichnet war und die mit einem Vermerk des Gerichtshofes im Sinne des § 79 Abs. 1 GOG (§ 149 Abs. 1 Geo.) versehen waren. Die für den ältesten Sohn des Erblassers bestimmte Ausfertigung wurde vom Abhandlungsgericht an die vom Empfänger selbst im Abhandlungsverfahren wiederholt als seinen Wohnort angegebenen Anschrift adressiert und vom Postzusteller dort am 23. Oktober 1978 einer Frau ausgefolgt, die auf dem Rückschein als "Einwohnerin" bezeichnet wurde. Am 7. November 1978 überreichte der älteste Sohn des Erblassers durch seinen Vertreter beim Gerichtshof einen Rekurs gegen dessen Entscheidung. Dieses Rechtsmittel wurde nicht an das Abhandlungsgericht weitergeleitet. Vielmehr ersuchte der Gerichtshof das Abhandlungsgericht um Übersendung der Abhandlungsakten und legte dann den Rekurs dem Oberlandesgericht vor. Das Rekursgericht wies den Rekurs als verspätet zurück. Der Oberste Gerichtshof hob den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die Entscheidung über den Rekurs des Primus K jun. unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Abhandlungsgericht veranlaßte die Zustellung des landesgerichtlichen Beschlusses vom 9. Oktober 1978 an den Rekurswerber im Weg der Post unter Angabe jener Anschrift, die der Empfänger selbst im Verfahren gegenüber dem Gerichtskommissär und gegenüber dem Gericht als Wohnort angegeben hatte. Der Postzusteller hat die Gerichtssendung dort an Luzia A ausgefolgt.

Auf Grund der gepflogenen Erhebungen ist bescheinigt, daß diese Frau seit mehreren Jahren im selben Einfamilienhaus wie der Empfänger wohnt, für diesen das Haus zusammenräumt, an den Wochenenden kocht, seine Wäsche wäscht und auf Wunsch des Empfängers sämtliche an diesen gerichtete Postsendungen übernimmt, die ihr der Postzusteller deshalb auszufolgen pflegt, weil ihm der Empfänger erklärte, er könne die für ihn bestimmten Postsendungen an Luzia A ausfolgen.

Es ist weiters bescheinigt, daß der Rekurswerber seit Jahren als Hilfsarbeiter im Rahmen der Wildbachverbauung beschäftigt ist, sich regelmäßig von Montag bis Freitag an seinem auswärtigen Arbeitsplatz aufhält und erst Freitag Mittag nach Hause kommt. Aus diesen beruflichen Gründen hielt er sich auch zur Zeit des am 23. Oktober 1979 unternommenen Zustellvorganges nicht in Völkermarkt auf.

Es ist nicht bescheinigt, daß Luzia A dem Rekurswerber die Gerichtssendung vor dem 31. Oktober 1978 tatsächlich ausfolgte. Bei diesem Sachverhalt kann unerörtert bleiben, ob die Abgabe der an den Rekurswerber zuzustellenden Gerichtssendung an Luzia A deshalb keine Zustellwirkung auszulösen vermochte, weil die Übernehmerin zum Empfänger in keinem für die Ersatzzustellung nach § 102 ZPO (§ 6 AußStrG) erheblichen Verhältnis gestanden sei. Die Zustellwirkung wird nämlich auch bei Abgabe der zuzustellenden Sendung an eine in § 102 ZPO genannte Person (EvBl. 1966/35) ebenso wie im Fall einer postamtlichen Hinterlegung durch Umstände ausgeschlossen, nach denen es schon abstrakt unmöglich ist, daß der Empfänger vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes Kenntnis nehmen kann. Das ist vor allem darin der Fall, wenn sich der Empfänger wegen Abwesenheit vom Zustellort nicht in den Besitz der Sendung setzen kann. Eine berufsbedingte und daher zwar regelmäßige, aber die gesamte Arbeitswoche und daher nicht bloß tagsüber währende Abwesenheit aus der Gemeinde, in der der Zustellort liegt, macht eine dort vorgenommene Ersatzzustellung wirkungslos.

Die mündliche Ermächtigung des Empfängers gegenüber dem Postzusteller, für ihn bestimmte Poststücke einer bestimmten Person auszufolgen, ist keine gegenüber dem Zustellpostamt in Schriftform zu erklärende Postvollmacht und muß daher bei der Beurteilung, ob die gesetzlichen Zustellvorschriften eingehalten wurden, unbeachtet bleiben.

Die Ausfolgung der Gerichtssendung am 23. Oktober 1978 am Luzia A bewirkte daher keine Zustellung an den Rekurswerber. Daß ihm aber die Sendung noch am selben Tag tatsächlich zugekommen wäre (§ 108 ZPO), ist nicht bescheinigt.

Durch die Überreichung des Rekurses am 7. November 1978 beim Landesgericht Klagenfurt war deshalb die Rekursfrist unter der Voraussetzung gewahrt, daß das Rechtsmittel bei diesem Gerichtshof und nicht beim Verlassenschaftsgericht einzubringen gewesen wäre, bei dem es als Bestandteil der landesgerichtlichen Akten bis heute nicht einlangte.

§ 7 Z. 4 letzter Satz KtnErbhöfeG lautet: "Die Entscheidung, durch welche in den im vorstehenden Absatze gedachten Fällen der Übernehmer des Hofes bestimmt wird, ferner die Entscheidung über die Veräußerung des Hofes oder über das Vorhandensein von Ausschließungsgrunden nach lit. b bis e sind dem Gerichtshofe I. Instanz vorbehalten, welchem das Bezirksgericht in solchen Fällen die Abhandlungsakten mit seinem Gutachten vorzulegen hat (§ 109 JN).

Abs. 2 des § 109 JN ist mit Wirkung vom 1. Jänner 1978 aufgehoben (Art. VIII Z. 5 BG 30. Juni 1977, BGBl. 403). Das läßt aber die Zuständigkeitsregelung des § 7 Z. 4 KtnErbhöfeG selbst unberührt und macht nur die Verweisung gegenstandslos.

Entscheidungen im Sinne des § 7 Z. 4 letzter Satz KtnErbhöfeG sind erstinstanzliche Entscheidungen des Gerichtshofes. Danach richtet sich auch der Rechtsmittelzug (JBl. 1950, 36). Daran ändert auch nichts, daß das Abhandlungsgericht in Abweichung von der Ansicht, wie sie in Punkt 3 zu § 109 JN in der Fragenbeantwortung JMVBl. 1897/44 niedergelegt wurde, seine Beurteilung als "Gutachten" vor Einholung der dem Gerichtshof vorbehaltenen Entscheidung den Beteiligten mitteilte. Der Rekurs gegen eine im Sinne des § 109 Abs. 2 JN dem Gerichtshof vorbehaltene Entscheidung war nach der in der Fragenbeantwortung niedergelegten Auffassung beim Bezirksgericht einzubringen. Dies lehrt auch Fasching I, 529 in Anm. 14 zu § 109 JN, und I, 530 in Anm. 15 zu § 109 JN. Zwischen der verfahrensrechtlichen Regelung im Sinne des ehemaligen § 109 Abs. 2 JN und jener nach § 7 Z. 4 letzter Satz KtnErbhöfeG besteht - ungeachtet des Klammerzitates - ein wesentlicher Unterschied. Die Gleichstellung ist in Wahrheit nicht gegeben, so daß die zitierte Kommentarmeinung nicht übernommen werden kann. Während nämlich die genannte Bestimmung der Jurisdiktionsnorm ausdrücklich von Beschlüssen der Bezirksgerichte und der Ausfertigung des bezirksgerichtlichen Beschlusses handelt, wobei dem Gerichtshof "die Entscheidung über die Beschlüsse der Bezirksgerichte" vorbehalten bleiben sollte, gebraucht das KtnErbhöfeG die Formulierung, daß "die Entscheidung ..... dem Gerichtshofe erster Instanz vorbehalten" sei. Diese Wendung stellt nach dem natürlichen Wortsinn unmißverständlich klar, daß die aus der Entscheidungsbefugnis des Abhandlungsgerichtes ausgenommene Entscheidung eine Entscheidung des Gerichtshofes ist. Es fehlt jede Anordnung, daß die bezirksgerichtliche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß auch einen formellen Ausdruck in den Ausfertigungen zu finden hätte. Die Mitwirkung des Abhandlungsgerichtes bleibt eben auf rein technische (Aktenvorlage) und vorbereitende (gutächtlicher Entscheidungsvorschlag) Tätigkeiten beschränkt. Die Eigenart der im KtnErbhöfeG bestimmten Zuständigkeitsverteilung liegt darin, daß zwar die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zur Gerichtsentscheidung in einem bezirksgerichtlichen Abhandlungsverfahren, den dort abgegebenen Parteienerklärungen und auch den dort gepflogenen Erhebungen gelegen sind, dennoch aber die bestimmende richterliche Willensbildung in Form einer erstinstanzlichen Entscheidung dem Gerichtshof zugewiesen ist. Es ist zweifelsfrei ein Beschluß des Gerichtshofes zu fassen. Richtigerweise ist das auch in den Ausfertigungen der Entscheidung entsprechend darzustellen. Der Mitwirkung des Abhandlungsgerichtes bei der Zustellung der Entscheidungsausfertigungen kann nur die Bedeutung einer technischen Hilfstätigkeit beigemessen werden. Diese Tätigkeit weist das Abhandlungsgericht aber in diesem speziellen Fall funktionell als Hilfsorgan des Gerichtshofes aus, das ebenso wie der Gerichtshof selbst (kraft seines erstinstanzlichen Einschreitens) zur fristwahrenden Annahme eines Rekurses gegen den Gerichtshofbeschluß berufen sein, muß.

Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtshofes erster Instanz in den Fällen des § 7 KtnErbhöfeG können sowohl beim Abhandlungsgericht als beim Gerichtshof selbst eingebracht werden. Aus diesen Erwägungen wahrte der Rekurswerber im vorliegenden Fall durch die Einbringung des Rekurses beim Landesgericht Klagenfurt die Rekursfrist.

Der angefochtene Zurückweisungsbeschluß war daher aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme von dem als unzutreffend erkannten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

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