OGH 6Ob109/05f

OGH6Ob109/05f9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, Niederlassung Salzburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** und L***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 17.244,82 EUR sA, über den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2005, GZ 3 R 15/05d-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. August 2004, GZ 7 Cg 129/03m-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 938,16 EUR (davon 156,36 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Generalunternehmervertrag vom 2. 5. 2000 mit der Erstellung eines schlüsselfertigen Glasfasernetzes im Rahmen des Projektes Daten Highway Austria Abschnitt S*****-W*****. Zur Erfüllung dieses Vertrags bediente sich die Beklagte der Nebenintervenientin als Subunternehmerin. Diese wiederum beauftragte mit den Tiefbauleistungen als weitere Subunternehmerin die Firma M***** und mit den Bohrarbeiten die Firma T*****.

In der Nacht vom 1. auf den 2. 9. 2000 führten Mitarbeiter der Firma T***** im Bereich des Bahnhofs M***** Grabungsarbeiten durch, bei denen zwei 30 kV Stromleitungen beschädigt wurden. Geschädigte war die S***** AG für E***** (künftig: S***** AG). Diese behob unmittelbar darauf den Schaden. Die Tiefbauarbeiten zur Schadensbehebung führte die Firma M***** durch. Am 7. 2. 2001 stellte die S***** AG der Firma M***** für die Schadensbehebung 15.357,17 EUR in Rechnung. Schon im Jänner 2001 hatte die Firma M***** ihrerseits der S***** AG die von ihr durchgeführten Tiefbauarbeiten anlässlich der Schadensbehebung in Rechnung gestellt. So wie die S***** AG die Bezahlung dieser Rechnung ablehnte, lehnten auch die Firma M***** und deren Haftpflichtversicherer die Bezahlung der von der S***** AG gelegten Rechnung ab.

Die S***** AG wandte sich über ihren Rechtsanwalt an den Bauherrn, die Firma M***** AG. In einem E-Mail eines Angestellten der Klägerin vom 5. 2. 2002 an den für den Fall bei der S***** AG zuständigen Sachbearbeiter wurde angefragt, warum die S***** AG rechtliche Schritte gegen die M***** AG einleite und nicht gegen die Firma M*****, die eigentliche Schadensverursacherin. Daraufhin teilte der Rechtsanwalt der S***** AG der Klägerin mit Schreiben vom 20. 2. 2002 mit, dass er bereits eine Klage verfasst habe, von der Klagseinbringung jedoch absehe, wenn ein Gesamtbetrag von 17.244,82 EUR (Rechnung vom 7. 2. 2001 zzgl Zinsen und Kosten) bis 27. 2. 2002 bezahlt werde. Diesem Schreiben war ein Kostenverzeichnis des Rechtsanwalts angeschlossen, in dem als Klägerin die S***** AG und die Firma M***** als beklagte Partei aufschienen. Am 21. 2. 2002 wandte sich der Angestellte der Klägerin an den zuständigen Sachbearbeiter der S***** AG mit der Mitteilung, dass der Vorstand sich einverstanden erklärt habe, die Kosten im Voraus zu bezahlen und der Rechtsanwalt der S***** AG bereits telefonisch informiert sei. Die Rechnung sollte die Firmenanschrift der Klägerin tragen und sämtliche Kosten einschließlich der Anwaltskosten enthalten. Das Erstgericht wies das auf Zahlung von 17.244,82 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich - soweit im Rekursverfahren von Interesse - aus, das Klagebegehren könne nicht auf einen Übergang der Schadenersatzforderung der geschädigten S***** AG gemäß § 1422 ABGB auf die Klägerin gestützt werden. Die Geschädigte habe nämlich den Ersatz von der Firma M***** verlangt, sodass nur diese Forderung hätte übergehen können. Die Klägerin könne sich deshalb lediglich an die Firma M***** wenden, unabhängig davon, ob die Geschädigte auch andere Personen in Anspruch hätte nehmen können.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es erachtete die Feststellung des Erstgerichts betreffend die Firma M***** AG als überschießend und deshalb unbeachtlich. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, die Klägerin könne sich auf die Einlösung der Schadenersatzforderung der S***** AG nach § 1422 ABGB stützen. Sie habe der Geschädigten Schadenersatz nicht geschuldet. Für den Kabelschaden habe die Beklagte aufgrund der Schutzwirkung ihres Vertrags mit der Klägerin zugunsten Dritter als zum verantwortlichen Bauführer bestellte Generalunternehmerin dem Einbautenträger bei Verletzung der Schutzpflichten für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen (Subunternehmer) einzustehen. Sie hafte dem geschädigten Dritten solidarisch mit dem deliktisch haftenden (unmittelbaren) Schädiger aus Vertrag. Zwischengeschaltete Subunternehmer hafteten dem Einbautenträger nur aus Delikt. Die Klägerin habe die Schadenersatzforderung der geschädigten S***** AG nicht in Tilgungsabsicht, sondern mit schlüssig der Geschädigten gegenüber geäußertem Einlösungswillen bezahlt. Bei Zahlung und Einlösung einer Solidarschuld gehe die Forderung im Rahmen der notwendigen Zession auf den einlösenden Neugläubiger über, solle sie doch dadurch inhaltlich keine Änderung erfahren und der Einlösende sie so übernehmen, wie sie dem Altgläubiger zugestanden sei. Dass die Forderung bis zu der mit dem Einlösungsbegehren verbundenen Zahlung (nur) gegen einen in Betracht kommenden Solidarschuldner geltend gemacht oder betrieben worden sei, ändere am Vorliegen einer Solidarschuld nichts. Bei Zahlung einer Schadenersatzforderung, für die mehrere solidarisch hafteten, könne ein Einlösungsbegehren nicht von vornherein dahin verstanden werden, dass der Einlösende einen Solidarschuldner aus der Haftung entlasse. Das im vorliegenden Fall bisher ein (allenfalls) nicht solidarisch Haftender in Anspruch genommen worden sei, ändere am objektiven Erklärungswert einer schlüssig erklärten Einlösung nichts, solange auch auf den die mögliche Haftung mehrerer einschließenden - wenngleich auf verschiedenen Rechtsgründen beruhenden - Ursprung der Forderung abgestellt bleibe.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil - soweit ersichtlich - höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 1422 ABGB bei Bestehen einer Solidarschuld fehle, insbesondere zur Frage, inwieweit die erfolgte Geltendmachung gegen einen (tatsächlich nicht) haftenden Schuldner der Einlösung der Forderung gegen den oder die tatsächlich Haftenden entgegen gehalten werden könnte.

Der Rekurs der Nebenintervenientin gegen diese Entscheidung ist unzulässig.

Die Rekurswerberin führt im Wesentlichen aus, die Geltendmachung der Forderung durch die geschädigte S***** AG gegen die Firma M***** stehe - mangels einer anders lautenden Vereinbarung zwischen der S***** AG und der Klägerin oder eines festgestellten Sachverhalts, der auf einen entsprechenden konkludenten Forderungsübergang gegen die Beklagte hindeutete, - der Einlösung der Forderung gegen die Beklagte als allenfalls solidarisch Haftender entgegen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts widerspreche den Grundsätzen des § 1422 ABGB. Der Nebenintervenientin gelingt es mit diesen Ausführungen nicht, eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358 ABGB), bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung (§ 1422 ABGB). Die „notwendige" Zession nach dieser Gesetzesstelle setzt nur voraus, dass der Gläubiger bereit ist, die (ohne Einverständnis mit dem Schuldner angebotene [§ 1423 ABGB]) Zahlung des (für die Forderung nicht haftenden) Dritten anzunehmen, und der Zahler spätestens bei der Zahlung ein Abtretungsbegehren stellt. Sie hat dann die selben Wirkungen wie die Legalzession nach § 1358 ABGB (SZ 64/178; RIS-Justiz RS0033405). Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum bewirkt die Schuldeinlösung automatisch mit der Zahlung und dem Begehren auf Abtretung den Übergang der Forderung des Gläubigers (SZ 69/100 mwN ua). Einer besonderen Abtretungserklärung durch den Gläubiger bedarf es daher nicht. Die Einwilligung des Schuldners ist zur Einlösung nicht erforderlich, solange der Gläubiger die Zahlung des Dritten annimmt; der Schuldner muss von der Einlösung nicht einmal Kenntnis haben (6 Ob 616/92 mwN). Der Schutz des § 1422 ABGB soll gerade dann einsetzen, wenn es im Rahmen der Einlösung zu keiner Abtretungsvereinbarung kommt (SZ 64/178).

Der Einlösende übernimmt die Forderung so, wie sie dem Altgläubiger zustand, das heißt mit allen Vorzügen; durch die Einlösung erfährt die Forderung inhaltlich keine Änderung (SZ 61/81 ua; Reischauer in Rummel³, ABGB § 1422 Rz 8).

Der Oberste Gerichtshof hob schon in der Entscheidung SZ 14/61 hervor, dass der Gesetzgeber der dritten Teilnovelle die Fassung des § 1422 ABGB jener des § 1358 ABGB nachbilden wollte, um die Gleichheit der Rechtsfolgen zu kennzeichnen (vgl die Zitierung des § 1358 ABGB in § 1422 ABGB). Hat der Nichthaftende das Einlösungsbegehren gestellt, so sollen die selben Rechtswirkungen eintreten wie nach § 1358 ABGB (Reischauer aaO § 1422 Rz 9 mwN). Da die Forderung im Fall des § 1422 ABGB ebenso wie im Fall des § 1358 ABGB (EvBl 2000/105 mwN; SZ 64/178) auf den Neugläubiger so übergeht, wie sie beim Altgläubiger bestand, haften mehrere dem Altgläubiger gegenüberstehende Solidarschuldner auch dem Neugläubiger zur ungeteilten Hand, wie dies zu § 1358 ABGB vom Obersten Gerichtshof schon ausgesprochen wurde (EvBl 2000/105).

Haften dem Gläubiger mehrere Schuldner solidarisch (als Gesamtschuldner), so steht es im Belieben des Gläubigers, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis er die einzelnen Mitschuldner in Anspruch nimmt (§ 891 ABGB; 10 Ob 58/05k; RIS-Justiz RS0017435). Nach § 891 ABGB kann der Gläubiger selbst nach erhobener Klage von der Rechtsdurchsetzung abstehen und das Ganze vom anderen solidarisch haftenden Mitschuldner fordern (3 Ob 566/89 = ÖBA 1990, 224, 395). Da für eine notwendige Zession die Zustimmung des Gläubigers zu einem (schlüssigen) Einlösungsbegehren des nichthaftenden Zahlenden nicht erforderlich ist, die Forderung durch die Einlösung inhaltlich nicht geändert wird und es schließlich im Belieben des Gläubigers steht, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt, ist der Standpunkt der Rekurswerberin nach der referierten Rechtslage unzutreffend. Für den automatischen Übergang der Forderung gegen alle Gesamtschuldner waren weder eine Vereinbarung zwischen der Geschädigten und der zahlenden Klägerin noch „spezifische Umstände" notwendig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO auch bei Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nicht an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gebunden. Ein mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässiger Rekurs ist nach § 526 Abs 2 ZPO zurückzuweisen. Bei der Zurückweisungsentscheidung kann sich der Oberste Gerichtshof zufolge des auch auf einen Rekurs nach § 519 Abs 2 ZPO anwendbaren § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO (1 Ob 172/00a ua) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits gelöst. Die Rekurswerberin konnte eine erhebliche Rechtsfrage in ihrem Rechtsmittel nicht aufzeigen. Das Rechtsmittel der Nebenintervenientin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Nebenintervenientin hingewiesen; ihre Rekursbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Nach herrschender Meinung kann ein einfacher Nebenintervenient (um einen solchen handelt es sich im vorliegenden Fall, machen doch weder drohende Regressansprüche noch die Solidarhaftung den Beigetretenen zu einem streitgenössischen Nebenintervenienten [JBl 1957, 594 ua]) in der Hauptsache niemals Kostenschuldner sein (M. Bydlinski in Fasching² § 41 ZPO Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0036057 [T 5 und T 6]); die durch ein Rechtsmittel ihres Streithelfers verursachten Kosten des Gegners sind daher von der Hauptpartei (hier der Beklagten) zu ersetzen.

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