Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Pkw der Erlagsgegnerin wurde im Zuge eines Strafverfahrens von der Polizei sichergestellt. Mit Beschluss vom 31. 10. 2007 sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien aus, dass in der Strafsache gegen Ingrid J***** ua wegen §§ 146 ff StGB der bei der MA 48 „erliegende" Pkw Rolls Royce Eight ZS Bentley mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Josefstadt zu hinterlegen ist (§ 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl 1963/281). Als Erlagsgegner wurde die Eigentümerin des Fahrzeugs, die A*****GmbH bezeichnet. Diese GmbH war am 17. 6. 2006 im Firmenbuch von Amts wegen gelöscht worden, weil sie die Jahresabschlüsse von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vorgelegt hatte, weshalb gemäß § 40 Abs 1 FBG eine Vermögenslosigkeit der Gesellschaft angenommen wurde.
Das Erstgericht als Verwahrschaftsgericht lehnte die Hinterlegung des Fahrzeugs ab. Der Erlagsantrag sei nicht schlüssig. Der Erleger behaupte als Hinterlegungsgrund, das im Strafverfahren gegen eine ehemalige Geschäftsführerin der Erlagsgegnerin sichergestellte Fahrzeug verursache laufend Stellkosten, die Staatsanwaltschaft habe einen Antrag auf Nachtragsliquidation gestellt. Die dargelegten Hinterlegungsgründe seien nicht schlüssig. Es stehe zweifelsfrei fest, dass der Pkw im Eigentum der GmbH stehe, die ungeachtet ihrer Löschung weiter bestehe, solange sie noch Vermögen besitze. Eine allfällige vorübergehende Handlungsunfähigkeit sei kein Erlagsgrund im Sinn des § 1425 ABGB.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Handlungsunfähigkeit einer gelöschten Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen Erlagsgrund im Sinn des § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse iVm § 1425 ABGB darstelle. Das Erstgericht als Hinterlegungsgericht habe die Tauglichkeit des im Antrag angegebenen Hinterlegungsgrunds zutreffend auf seine Schlüssigkeit geprüft; eine derartige Prüfung habe auch im Zusammenhang mit dem nach § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse angestrebten Erlag stattzufinden. Dem dem Hinterlegungsantrag angeschlossenen Schriftverkehr sei zu entnehmen, dass der sichergestellte Pkw der Eigentümerin nicht ausgefolgt werden könne, weil diese infolge amtswegiger Löschung handlungsunfähig sei. Der geltend gemachte Erlagsgrund sei nicht ausreichend. Die vorübergehende Handlungsunfähigkeit der GmbH sei mit einer Abwesenheit des Gläubigers vergleichbar. In einem solchen Fall könne sich der Schuldner durch Leistung an einen Kurator befreien oder - sollte dieser nicht annahmebereit sein - nach § 1425 ABGB hinterlegen. Voraussetzung für die Bestellung eines Abwesenheitskurators sei allerdings der erfolglose Versuch, den Aufenthalt zu ermitteln, wozu gewisse Nachforschungen erforderlich wären. Auch im Fall einer gelöschten GmbH könnte erst nach Nachtragsliquidation und Verweigerung der Annahme der Leistung bzw nach Misslingen einer Nachtragsliquidation mit der gerichtlichen Hinterlegung vorgegangen werden. Der Bund, dem laufend Stellkosten entstünden, wäre zur Antragstellung auf Bestellung eines Nachtragsliquidators auch berechtigt und verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der auf eine GmbH zugelassene Pkw war im Strafverfahren gegen deren frühere Geschäftsführerin beschlagnahmt worden. Er ist nach Einstellung des Strafverfahrens (mangels Einleitung eines Bedenklichkeitsverfahrens) an seine Eigentümerin, gegen die sich die Beschlagnahme richtete, zurückzustellen (1 Ob 178/01k = SZ 2002/5; Maleczky, Das Schicksal beschlagnahmter Gegenstände im Strafprozess, ÖJZ 1997, 456).
2. Die von der Beschlagnahme betroffene GmbH war wegen Nichtvorlage der Jahresabschlüsse zweier Geschäftsjahre von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden. Mit Rücksicht auf das noch vorhandene Vermögen (der sichergestellte Pkw stellt ein bei kaufmännischer und wirtschaftlicher Betrachtungsweise verwertbares Vermögen dar) wirkte ihre Löschung nur deklarativ, die Gesellschaft besteht daher solange fort, als dieses Aktivvermögen noch vorhanden ist (stRsp 6 Ob 19/01i = SZ 74/28; 4 Ob 57/03s; RIS-Justiz RS0050186).
Stellt sich nachträglich heraus, dass die Gesellschaft noch vertretbares bzw verwertbares Vermögen hat, so hat eine Nachtragsliquidation stattzufinden (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 93 Rz 12). Das Firmenbuchgericht hat auf Antrag eines Beteiligten die bisherigen Liquidatoren wieder zu berufen oder andere Liquidatoren zu bestellen. Zur Antragstellung ist jeder berechtigt, der ein Interesse an der Verwertung, Befriedigung oder Verteilung von noch vorhandenem Gesellschaftsvermögen hat (Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 14; SZ 74/28; RIS-Justiz RS0114803).
3.1. Das Strafgericht hat in seinem Erlagsgesuch einen tauglichen Hinterlegungsgrund im Sinn des § 1425 ABGB darzutun (5 Ob 32/00t = SZ 73/48; Maleczky aaO; Danzl, Geo § 613 FN 9a, S 681). Das Erlagsgericht hat den Antrag auf seine Schlüssigkeit zu prüfen, um zu verhindern, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1425 Rz 17; 5 Ob 32/00t = SZ 73/48).
3.2. Zur Zulässigkeit des begehrten Gerichtserlags beruft sich die Revisionsrekurswerberin auf § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl 1963/281. Danach hat das Strafgericht strafgerichtliche Verwahrnisse, die nach Wegfall des Rechtsgrunds für die gerichtliche Verwahrung nicht ausgefolgt werden können, nach § 1425 ABGB zu hinterlegen; für solche Verwahrnisse gelten dann die Vorschriften dieses Bundesgesetzes.
3.3. Auf den Erlag durch das Strafgericht ist § 1425 ABGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Erleger nicht der Schuldner, sondern das Strafgericht auftritt (5 Ob 32/00t = SZ 73/48). § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl 1963/281, normiert somit keinen eigenständigen Verwahrungsgrund, sondern lediglich einen Anwendungsfall des § 1425 ABGB. Seine Voraussetzungen müssen daher - von der Person des Erlegers abgesehen - auch im Fall strafgerichtlicher Verwahrnisse vorliegen.
Sachen, die sich - wie das hier betroffene Fahrzeug - nicht für einen Gerichtserlag eignen, können (nur) durch Übergabe an einen vom Gericht zu bestellenden Verwahrer in gerichtliche Verwahrung genommen werden (§ 284 Abs 4 Geo; Heidinger in Schwimann, ABGB³ § 1425 Rz 5). Der Verwahrer ist kein Organ des Gerichts. Selbst im Fall einer gerechtfertigten Hinterlegung hat der Erleger gegenüber dem Verwahrer für die Kosten der Verwahrung aufzukommen (Heidinger aaO).
3.4. Nach § 1425 ABGB muss der Gläubiger unbekannt oder abwesend sein oder es müssen andere wichtige Gründe dafür vorliegen, dass die Leistung nicht an den Berechtigten erfolgen kann. Als wichtiger Grund wird es etwa angesehen, wenn mehrere Personen Ansprüche auf den Erlag erheben oder die Berechtigung eines einzelnen Eigentumsansprechers nach den Umständen zweifelhaft ist.
3.5. Die Frage, ob im Fall der Abwesenheit oder Unbekanntheit des Gläubigers sofort mit Hinterlegung vorgegangen werden kann oder zunächst ein Kurator zu bestellen ist, wird im Schrifttum kontroversiell diskutiert. Heidinger (in Schwimann, ABGB³ § 1425 Rz 7) vertritt die Auffassung, der Umstand, dass § 1425 Satz 2 ABGB eine Verständigung des Gläubigers von der Hinterlegung anordnet, spreche dafür, dass in einem derartigen Fall vor der gerichtlichen Hinterlegung zunächst ein Antrag auf Bestellung eines Kurators erforderlich sei. Der Schuldner könne sich dann durch Leistung an den Kurator befreien oder - sollte dieser nicht annahmebereit sein - nach § 1425 ABGB hinterlegen.
Demgegenüber meint Koziol (in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1425 Rz 3), der Schuldner könne sofort hinterlegen, wenn die Identität des (unbekannten) Gläubigers nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden könne. Der Schuldner müsse in einem solchen Fall nicht zunächst einen Antrag auf Bestellung eines Kurators stellen. Für die Verständigung von der Hinterlegung sei allerdings ein Kurator zu bestellen.
Reischauer (in Rummel, ABGB³ § 1425 Rz 1) meint, die Unbekanntheit des Gläubigers sei Hinterlegungsgrund, eine Kuratorbestellung allerdings zur Wahrung der Rechte aus dem Erlag erforderlich. Es gebe keinen Grund, etwa einem Rechtsanwalt, der nur wegen des Erlagsfalles zum Kurator bestellt worden sei, einen Geldbetrag auszufolgen, über den er ohnehin nicht verfügen dürfe. Sei für einen abwesenden Gläubiger unbekannten Aufenthalts ein Kurator zwecks Vermögensverwaltung bestellt, so sei diesem (in seiner Funktion als Vertreter) die Leistung anzubieten (Reischauer aaO Rz 1a).
3.6. Die zur gerichtlichen Hinterlegung bei Unbekanntheit oder Abwesenheit des Gläubigers vertretenen Auffassungen können auf den vorliegenden Fall zwar nicht ohne weiteres übertragen werden, sie zeigen aber auf, dass auch Zumutbarkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen eine Rolle spielen. Ist nämlich ein Übernahmsberechtigter leicht auffindbar, so liegt auch kein Grund vor, der einen Gerichtserlag im Sinn des § 2 Abs 2 des BG über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl 1963/281, iVm § 1425 ABGB rechtfertigen könnte. Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn durch Bestellung eines Nachtragsliquidators Abhilfe geschaffen werden kann. Die Bestellung eines Nachtragsliquidators hat daher gegenüber einer gerichtlich angeordneten Verwahrung des Fahrzeugs aus nachstehenden Überlegungen Vorrang:
Die im Gesetz angeordnete Verständigung des Gläubigers von der Hinterlegung spricht jedenfalls dann gegen eine sofortige gerichtliche Verwahrung, wenn die Bestellung eines zur Entgegennahme des (zu verwahrenden) Gegenstands befugten Vertreters (etwa eines Nachtragsliquidators) ein Vorgehen nach § 1425 ABGB von Vornherein vermieden hätte und keine besonderen Umstände vorliegen, die seine Bestellung unzumutbar machen.
Der Erlagsantrag macht keine Umstände geltend, die einen Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators zum Zweck der Ausfolgung des Pkws und dessen Verwertung unzumutbar machen könnten. Aus ökonomischer Sicht ist die Bestellung des Nachtragsliquidators gegenüber einer gerichtlichen Verwahrung vorzuziehen. Der Nachtragsliquidator verursacht zwar Kosten, diese sind jedoch von der Gesellschaft (aus den Erlösen der Verwertung des Fahrzeugs) und nicht von demjenigen zu tragen, der die Bestellung des Nachtragsliquidators veranlasst hat. Demgegenüber laufen auch bei einer Verwahrung nach § 1425 ABGB weitere Verwahrungskosten auf, deren Höhe nicht abschätzbar ist. Die Dauer der Verwahrung - und damit auch deren Kosten - hängt wiederum davon ab, ob schließlich doch noch ein Nachtragsliquidator bestellt und das Fahrzeug an diesen ausgefolgt wird.
Kann daher der Schuldner - wie hier - durch einen Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators für die Vertretung des Gläubigers sorgen, ohne dass ihm dadurch selbst Kosten erwachsen, so liegt kein wichtiger Grund im Sinn des § 1425 ABGB für eine sofortige Hinterlegung bei Gericht (für eine gerichtliche Verwahrung) vor. In einem solchen Fall hat der Schuldner zunächst die Bestellung eines Nachtragsliquidators in die Wege zu leiten. Er darf erst nach Ergebnislosigkeit seines Antrags - sei es, dass das Firmenbuchgericht einen Nachtragsliquidator nicht bestellt oder dieser nicht entsprechend tätig wird und das Fahrzeug übernimmt - mit gerichtlicher Hinterlegung vorgehen.
4. Die Vorinstanzen haben somit zutreffend die Annahme der Hinterlegung verweigert.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs der Erlegerin musste ein Erfolg versagt bleiben.
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