OGH 6Nc3/06b

OGH6Nc3/06b20.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Firmenbuchsache der Einschreiterin A***** K***** GmbH mit dem Sitz in S*****, FN *****, vertreten durch Dr. Günther Fuchs und Dr. Andreas Reim, öffentliche Notare in Purkersdorf, wegen Ordination (§ 28 JN), folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Anregung, ein für die Bewilligung der beabsichtigten Verschmelzung örtlich zuständiges inländisches Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die einschreitende Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist in dem beim Landesgericht Korneuburg geführten Firmenbuch unter FN ***** mit dem Sitz in S***** eingetragen.

Die Einschreiterin bringt vor, sie solle im Weg der Verschmelzung durch Aufnahme nach den §§ 96 ff GmbHG in Verbindung mit §§ 220 ff AktG und nach §§ 5 ff des deutschen Umwandlungsgesetzes auf ihre Alleingesellschafterin, die im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg eingetragene A***** GmbH mit dem Sitz in B*****, verschmolzen werden. Hinsichtlich der übertragenden Gesellschaft sei die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, weil diese die Verschmelzung beim Firmenbuchgericht anmelden müsse und selbst bei Gesellschaften mit dem Sitz im Ausland für die Führung des Firmenbuchs hinsichtlich einer inländischen Zweigniederlassung inländische Gerichtsbarkeit bestehe. Es fehle jedoch an einer örtlichen Zuständigkeit für die Bewilligung der Verschmelzung durch ein österreichisches Gericht. Daher werde angeregt, ein für die Bewilligung der beabsichtigten Verschmelzung örtlich zuständiges inländisches Gericht zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Anregung ist nicht stattzugeben:

Eingangs ist festzuhalten, dass die am 15. 12. 2005 in Kraft getretene Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 10. 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl Nr L 310 vom 25. 11. 2005, 1, noch nicht in österreichisches Recht umgesetzt wurde. Die Umsetzungsfrist endet am 15. 12. 2007 (Art 19 der Richtlinie). Ein Durchgriff auf Bestimmungen einer Richtlinie während des Laufs der Umsetzungsfrist ist ausgeschlossen (Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union Art 249 EG Rz 158). Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN setzt unter anderem voraus, dass die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (SZ 69/227; Matscher in Fasching² I § 28 JN Rz 11, 16). Gesellschaften mit beschränkter Haftung können unter Ausschluss der Abwicklung durch Übertragung des Vermögens einer oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) verschmolzen werden (Verschmelzung durch Aufnahme; § 96 Abs 1 Z 1 GmbHG). Die §§ 220 bis 233 AktG sind sinngemäß anzuwenden, soweit die §§ 97 bis 101 GmbHG nichts Abweichendes bestimmen (§ 96 Abs 3 GmbHG).

§ 225 Abs 1 Satz 1 AktG bestimmt, dass der Vorstand jeder Gesellschaft die Verschmelzung beim Gericht, in dessen Sprengel seine Gesellschaft ihren Sitz hat, anzumelden hat. Wenn die übertragende und die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz nicht im selben Sprengel haben, hat das Gericht, in dessen Sprengel die übertragende Gesellschaft ihren Sitz hat, die Beendigung seiner Zuständigkeit auszusprechen, dies dem Gericht, in dessen Sprengel die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat, mitzuteilen und diesem von Amts wegen die bei ihm aufbewahrten Urkunden und sonstigen Schriftstücke zu übersenden (§ 225 Abs 3 AktG). Das Gericht, in dessen Sprengel die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat, hat die Verschmelzung bei allen beteiligten Gesellschaften gleichzeitig einzutragen (§ 225a Abs 1 AktG). Mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Gesellschaft über und erlischt die übertragende Gesellschaft, deren besonderer Löschung es nicht bedarf (§ 225a Abs 3 Z 1 u 2 AktG). Zur Führung des Firmenbuchs ist jener mit Handelssachen betraute Gerichtshof erster Instanz örtlich zuständig, in dessen Sprengel das Unternehmen seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz hat (§ 120 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Satz 1 JN). Für den Bereich der Verschmelzung konzentriert § 120 Abs 7 JN - im Einklang mit §§ 225 Abs 3, 225a Abs 1 AktG - jedoch die örtliche Zuständigkeit für die Eintragung der Verschmelzung sowohl bei der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Sprengel die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat.

Die §§ 225 Abs 3, 225a Abs 1 AktG und § 120 Abs 7 JN sind offensichtlich auf die Verschmelzung inländischer Kapitalgesellschaften zugeschnitten und regeln nicht die Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen. Denn zum einen ist die gleichzeitige Eintragung der Verschmelzung sowohl bei der übertragenden als auch bei der übernehmenden Gesellschaft durch das für die übernehmende Gesellschaft zuständige Firmenbuchgericht nur deshalb durchführbar, weil das Firmenbuch im Bundesrechenzentrum automationsunterstützt geführt wird und so die ADV-technische Zugriffsmöglichkeit des zuständigen Entscheidungsorgans zur Eintragung bei allen beteiligten Gesellschaften besteht. Zum anderen ist es ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass jeder Staat öffentliche Register als hoheitliche Tätigkeit nach seinem eigenen Verfahrensrecht führt und es daher ausschließlich eine Angelegenheit des registerführenden Staates ist, wie er sein Register führt (Simotta in Fasching² I vor §§ 83a und 83b JN Rz 159; Kropholler8, Europäisches Zivilprozessrecht Art 22 EuGVVO Rz 42; Mankowski in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht Art 22 Brüssel I-VO Rz 38). Daraus folgt für die von der Einschreiterin und ihrer deutschen Alleingesellschafterin beabsichtigte Verschmelzung auf die Alleingesellschafterin (aus österreichischer Sicht also eine Hinaus-Verschmelzung), dass - soweit es die übertragende österreichische Einschreiterin betrifft - das Firmenbuchgericht, in dem die Einschreiterin ihren Sitz hat, gemäß § 120 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Satz 1 JN zur Prüfung der Verschmelzung und deren Eintragung zuständig ist (vgl Kalss, Handkommentar zur Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung § 219 AktG Rz 5).

Besteht demnach eine örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts für die Eintragung der Verschmelzung bei der übertragenden Gesellschaft, so gibt es keinen Anlass für die angeregte Ordination.

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