OGH 6Nc22/15k

OGH6Nc22/15k26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

 Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie Mag. Wurzer als weitere Richter in den Pflegschaftssachen der Minderjährigen 1. M***** R*****, geboren am *****, 2. S***** R*****, geboren am *****, sowie 3. A***** R*****, geboren am *****, wegen Genehmigung der Übertragung sowie einstweiliger Obsorge nach § 111 Abs 2 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060NC00022.15K.1126.000

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit für diese Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Bregenz an das Bezirksgericht Zwettl wird nicht genehmigt.

Die Anträge des Kindesvaters,

1. bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren der Kindesmutter die Obsorge zu entziehen und ihm zu übertragen sowie

2. der Kindesmutter aufzutragen, die Kinder an ihn zu übergeben,

in eventu, dem Kindesvater ein einstweiliges Kontaktrecht von jeweils Freitag 13:30 h bis Sonntag 17:00 h sowie ein Ferienbesuchsrecht von 23. 10. 2015 bis 2. 11. 2015, von 4. 12. 2015 bis 8. 12. 2015, von 23. 12. 2015 bis 6. 1. 2016, von 12. 2. 2016 bis 21. 2. 2016 und von 18. 3. 2016 bis 28. 3. 2016 einzuräumen,

werden abgewiesen.

 

Begründung:

Die Kindeseltern sind in aufrechter Ehe verheiratet; die Kinder wohnten ursprünglich bei ihnen in Vorarlberg. Mit Schriftsatz vom 17. 8. 2015 stellte der Kindesvater den Antrag auf Übertragung der alleinigen Obsorge. Am 12. 8. 2015 habe die Kindesmutter den gemeinsamen Haushalt mit den Kindern verlassen. Sie kehrte jedoch wenige Tage später zurück, verließ das Haus jedoch am 19. 8. 2015 neuerlich. Am 28. 8. 2015 sprach die Kindesmutter beim Bezirksgericht Zwettl vor und beantragte das Pflegschaftsverfahren an das Bezirksgericht Zwettl zu übertragen. Ihr Gatte habe beim Bezirksgericht Bregenz die Scheidungsklage eingereicht. Die Obsorge komme derzeit beiden Eltern gemeinsam zu. Die Kinder seien mit Hauptwohnsitz in L***** gemeldet; außerdem seien sie bereits für den Kindergarten in S***** angemeldet.

Der Kindesvater sprach sich gegen die Übertragung der Zuständigkeit aus.

Das Bezirksgericht Bregenz übertrug das Verfahren gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Zwettl. Das Bezirksgericht Zwettl lehnte die Übernahme der Zuständigkeit ab. Die polizeiliche Meldung sei im Rahmen der Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN nicht ausschlaggebend.

Zudem hielten sich die Minderjährigen erst wenige Tage in Zwettl auf.

Mit Schriftsatz vom 19. 10. 2015 (beim OGH eingelangt am 23. 10. 2015) beantragte der Kindesvater unter Berufung auf § 47 Abs 4 JN, bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren der Kindesmutter die Obsorge zu entziehen und ihm zu übertragen sowie der Kindesmutter aufzutragen, die Kinder an ihn zu übergeben. In eventu beantragte er ein einstweiliges Kontaktrecht von jeweils Freitag 13:30 h bis Sonntag 17:00 h sowie ein Ferienbesuchsrecht von 23. 10. 2015 bis 2. 11. 2015, von 4. 12. 2015 bis 8. 12. 2015, von 23. 12. 2015 bis 6. 1. 2016, von 12. 2. 2016 bis 21. 2. 2016 und von 18. 3. 2016 bis 28. 3. 2016.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Übertragung der Zuständigkeit ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen. Im Fall der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichts (§ 111 Abs 2 JN).

Die Zuständigkeitsübertragung setzt einen stabilen Aufenthalt des Pflegebefohlenen voraus ( Fucik in Fasching/Konecny 3 § 111 JN Rz 4 mwN). Die Übertragung wird insbesondere dann als unzweckmäßig erachtet, wenn noch nicht endgültig über die Obsorge entschieden ist ( Fucik aaO Rz 7 mwN), der Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters und damit des Kindes instabil ist ( Fucik aaO mwN) oder die zukünftige Lebenssituation unklar ist (LGZ Wien EFSlg 120.837).

Im vorliegenden Fall kann, zumal nach wie vor beiden Eltern die Obsorge zukommt, nicht mit erforderlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die Minderjährigen in Hinkunft dauerhaft in Z***** aufhalten. Daher war der Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN spruchgemäß die Genehmigung zu versagen.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der vom Kindesvater beantragten einstweiligen Maßnahmen liegen nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 47 Abs 4 JN überhaupt auf das Verfahren zur Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN anzuwenden ist. Jedenfalls deckt die Regelung des § 47 Abs 4 JN nur die Anordnung solcher Maßnahmen, die „in der Zwischenzeit“, also bis zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt, erforderlich sind. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber hier nur absolut unaufschiebbare Notmaßnahmen im Auge hat. Schon aus diesem Grund bestand für die Anordnung eines bis März 2016 beantragten Kontaktrechts kein Raum. In Anbetracht des relativ kurzen Zeitraums, den die Entscheidung gemäß § 111 JN erfordert, erschien auch die vom Kindesvater begehrte einstweilige Übertragung der Obsorge weder notwendig noch zweckmäßig. Gleiches gilt für den Kontaktrechtsantrag. Die diesbezüglichen Anträge waren daher abzuweisen.

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