OGH 6Nc20/19x

OGH6Nc20/19x12.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj E*****, geboren am *****, AZ 33 Pu 49/11g des Bezirksgerichts Innsbruck, wegen § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060NC00020.19X.0812.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 14. Juni 2019, GZ 33 Pu 49/11g‑54 und 56, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Graz‑Ost bzw Graz‑West wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Die Ehe der Kindeseltern wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 28. 2. 2011 geschieden. Die Kindeseltern lebten damals mit dem Minderjährigen in Innsbruck. Zumindest bis 25. 7. 2017 lebten die Kindesmutter und der Minderjährige weiter in Innsbruck. Von 19. 4. 2019 bis 1. 7. 2019 waren die Kindesmutter und der Minderjährige in Graz hauptgemeldet. Mittlerweile sind beide nach Rumänien verzogen.

Mit Beschluss vom 14. 6. 2019, GZ 33 Pu 49/11g‑54, übertrug das Bezirksgericht Innsbruck die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache hinsichtlich der Personensorge und der Unterhaltssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Graz‑Ost. Dies begründete es damit, dass sich das Kind jetzt ständig in Graz aufhalte. Es sei daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Graz‑Ost diese Pflegschaftssache führe.

Das Bezirksgericht Graz‑Ost übermittelte den Akt an das Bezirksgericht Innsbruck mit dem Hinweis zurück, dass die letzte aktenkundige inländische Anschrift im Sprengel des Bezirksgerichts Graz‑West liege.

Daraufhin erließ das Bezirksgericht Innsbruck eine „Verfügung“, den Akt dem Bezirksgericht Graz‑West abzutreten. Eine ausdrückliche Entscheidung über die bereits ausgesprochene Abtretung an das Bezirksgericht Graz‑Ost unterblieb.

Das Bezirksgericht Graz‑West erklärte, das gegenständliche Verfahren nicht zu übernehmen.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen. Die Übertragung wird gemäß § 111 Abs 2 JN wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit oder die ihm übertragenen Geschäfte übernimmt. Im Falle der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichts.

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. § 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb bei Kindern die Pflegschaftsaufgabe grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden soll, in dessen Sprengel der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt (4 Nc 15/09g). Im vorliegenden Fall befinden sich jedoch der Minderjährige und die Kindesmutter in Rumänien, sodass eine Übertragung an das Wohnsitzgericht nach § 111 JN nicht möglich ist. Derzeit sind keine Anträge anhängig. Dazu kommt, dass in einem Unterhaltsfestsetzungsverfahren, das wegen des ausländischen Wohnorts des Unterhaltspflichtigen als reines Aktenverfahren geführt werden müsste, dem Kriterium der räumlichen Nähe zum Pflegebefohlenen nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt, weil die speziellen Probleme eines solchen Verfahrens, etwa Schwierigkeit oder Dauer von Auskunfts- und Rechtshilfeersuchen, unabhängig vom Standort des Pflegschaftsgerichts auftreten (5 Nc 11/09a).

Derzeit sind auch keine Anordnungen nötig, die einen speziellen Bezug zum Aufenthaltsort des Kindes haben, sodass die Verlegung des Aufenthaltsorts allein noch kein aktuelles Interesse an einer Übertragung der Zuständigkeit begründet (5 Nc 11/09a).

Der Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Graz‑Ost bzw Graz‑West war daher die Genehmigung zu versagen.

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