Spruch:
Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt mit ihrer zunächst beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage Schadenersatz von der beklagten Reiseveranstalterin. Sie sei im Zuge eines Urlaubs in Lanzarote durch einen Sonnenschirm, den eine Windböe aus der Befestigung gehoben hatte, schwer verletzt worden.
In der Folge wurde die Klage über Antrag der klagenden Partei an das Handelsgericht Wien überwiesen.
Mit Schriftsatz vom 8. 7. 2009 beantragte die klagende Partei die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch gemäß § 31 JN. Die Klägerin sowie die Zeugen Arno R***** und Christine M***** seien in Vorarlberg wohnhaft; die Zeugen Martin Kuckenburg und Samuel G***** hielten sich im Ausland auf. Sofern sie nicht im Rechtshilfeweg einvernommen würden, sei für sie ohne Relevanz, ob sie nach Wien oder Feldkirch anreisten. Einzig und alleine die Zeugin Lydia D***** scheine sich in Wien aufzuhalten.
Die beklagte Partei sprach sich gegen die Delegierung aus. Die Delegierung solle den Ausnahmefall darstellen. Die Zuständigkeitsnormen der JN würden jegliche Bedeutung verlieren, wenn man die Zuständigkeit davon abhängig mache, an welchem Ort die Mehrzahl der einzuvernehmenden Personen ihren Wohnsitz habe. Abgesehen davon könnten sowohl die Klägerin als auch die Zeugen R***** und M***** im Rahmen einer Videokonferenz einvernommen werden. Auch das Handelsgericht Wien sprach sich in seiner Äußerung (§ 31 Abs 3 JN) gegen die Delegierung aus.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Die Möglichkeit der Delegation stellt stets den Ausnahmefall dar. Es soll nicht durch eine zu großzügige Handhabung der Möglichkeiten zur Delegation eine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (JBl 1986, 53; EFSlg 69.711; Ballon in Fasching² § 31 JN Rz 6).
Allerdings ist die Delegation nach ständiger Rechtsprechung zweckmäßig, wenn sie zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann (EFSlg 69.714). Dies trifft vor allem dann zu, wenn sich die Wohnorte der Mehrzahl der Zeugen und einer oder beider Parteien im Sprengel des anderen Gerichts befinden (Fasching Lehrbuch² Rz 209; Ballon in Fasching² § 31 JN Rz 7; Mayr in Rechberger ZPO³ § 31 JN Rz 4; EvBl 1966/380; EFSlg 63.904; EFSlg 69.713 ua).
Im vorliegenden Fall wohnen sowohl die Klägerin als auch die Zeugen R***** und M***** in Feldkirch. Demgegenüber wohnt die von der beklagten Partei namhaft gemachte Zeugin Lydia D*****, Angestellte, per Adresse der beklagten Partei, offenbar in Wien. Bei dieser Zeugin ist allerdings nicht deutlich erkennbar, inwieweit sie über eigene Wahrnehmungen zum Unfallhergang verfügt. Zwei weitere Zeugen wohnen im Ausland.
Wägt man bei dieser Sachlage die für und wider die Delegierung sprechenden Erwägungen ab, so erweist sich der Antrag auf Delegierung als nicht berechtigt: Die Klägerin ist nach § 375 Abs 2 ZPO grundsätzlich vor dem erkennenden Gericht zu vernehmen. Für die Delegierung könnte sohin nur der Umstand sprechen, dass zwei Zeugen in Vorarlberg wohnen. Sofern allerdings die Zeugen aus Belgien bereit sind, einer Ladung vor das erkennende Gericht Folge zu leisten, wäre Wien in Hinblick auf die gerichtsbekannte (§ 269 ZPO) Ausgestaltung der Flugverbindungen für sie jedenfalls leichter zu erreichen als Feldkirch. Dazu kommt, dass eine weitere Zeugin (wenngleich die Notwendigkeit zu deren Einvernahme noch nicht abschließend beurteilt werden kann) ihren Wohnsitz offenbar in Wien hat. Bei dieser Sachlage erscheint aber gegen den erklärten Willen der beklagten Partei eine Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nicht berechtigt. Die Gegenansicht würde letztlich zu einem allgemeinen Aktivgerichtsstand des Verbrauchers zumindest in Reisemängelprozessen führen, weil der Reiseveranstalter vielfach keine Zeugen mit Wohnort an seinem Sitz führen wird. Einen derartigen allgemeinen Aktivgerichtsstand für Verbraucher hat der österreichische Gesetzgeber aber - im Gegensatz zu zahlreichen anderen Rechtsordnungen und den Entwicklungen auf Gemeinschaftsebene - bisher gerade nicht gewünscht. Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.
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