Normen
AO §8 (4)
AO §55b (3)
AO §8 (4)
AO §55b (3)
Spruch:
Die unterhaltsberechtigte Gattin des Ausgleichsschuldners zählt nicht zu den Ausgleichsgläubigern. Sie ist demnach nicht "Beteiligte" im Sinne des § 55b (3) AO.
Entscheidung vom 8. Juni 1966, 5 Ob 96/66
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr einen Betrag von 330.000 S, d. s. je 10.000 S monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 1962 bis einschließlich Juni 1965, samt 4% Staffelzinsen seit 1. Oktober 1962 zu bezahlen.
Das Begehren der Klägerin war auf die Behauptung gestützt, daß sich die Erstbeklagte im eigenen Namen und im Namen der Zweitbeklagten im Punkt 7 der Vereinbarung vom 28. März 1960 verpflichtet habe, der Familie X für ihren Unterhalt einen Betrag von 16.000 S monatlich zu bezahlen. Dieser Vereinbarung sei die drittbeklagte Partei durch konkludente Handlungen beigetreten. Es sei der ausdrückliche Wille der vertragschließenden Parteien gewesen, daß die Klägerin "unter dem Begriff der Familie X mitinbegriffen sei". Die Vereinbarung vom 28. März 1960 sei hinsichtlich ihres Punktes 7 vom Gatten der Klägerin auf Grund seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis für die Klägerin in ihrem Namen unterzeichnet worden. Tatsächlich haben die Beklagten bis 30. September 1962 die ihnen aus dem Vertrag obliegenden Leistungen an die Familie X erbracht, dann aber säratliche Zahlungen vertragswidrig eingestellt. Die Beklagten haben auf die Aufteilung ihrer Zahlungen unter die einzelnen Mitglieder der Familie X keinen Einfluß gehabt. Von den geleisteten Zahlungen sei jedoch ein Betrag von mindestens 10.000 S monatlich der Klägerin zugute gekommen. Damit habe die Klägerin die Auslagen ihres gesamten Haushaltes zu bestreiten gehabt. Der Klägerin stehe daher aus dem Vertrag vom 28. März 1960 der auf sie entfallende Teilbetrag von 10.000 S monatlich ab 1. Oktober 1962 zu. Überdies stützte die Klägerin ihren Klagsanspruch auf den Titel des Schadenersatzes mit der Behauptung, daß die Beklagten, denen als Sachwalter der Gläubiger des Gatten der Klägerin und ihrer Schwiegermutter während des Ausgleichsverfahrens der Genannten die Geschäftsführung der Unternehmungen der Ausgleichsschuldner vertraglich übertragen worden sei, diese Unternehmungen schuldhaft und vertragswidrig "In gezielter Mißwirtschaft" zugrunde gerichtet hätten. Die Erstbeklagte habe schließlich einen Konkursantrag gegen den Gatten und die Schwiegermutter der Klägerin gestellt. Ein entsprechender Teil des Gewinnes der Unternehmungen ihres Gatten, der seinerzeit als Generalbevollmächtigter auch die Betriebe seiner Mutter geführt habe, wäre der Klägerin persönlich auf Grund ihres Unterhaltsanspruches gegen den Gatten, aber auch wegen ihrer Mitarbeit in den Betrieben, die weit über den Rahmen ihrer Beistandspflicht hinausgegangen sei, zugestanden. Deshalb schulden die Beklagten der Klägerin den Klagsbetrag, auch wenn der Vertrag vom 28. März 1960 nicht mehr in Wirksamkeit sein sollte.
Außer Streit steht der Wortlaut des Punktes 7 des Vertrages vom 28. März 1960 sowie die Tatsache, daß am 29. Jänner 1963 über das Vermögen des Gatten der Klägerin der Konkurs eröffnet wurde.
Das Erstgericht wies ohne Beweisaufnahme mit Teilurteil vom 29. Juni 1965 das Klagebegehren auf Zahlung eines Betrages von 280.000 S samt 4% Zinsen aus 10.000 S ab 1. Februar 1963 und aus je weiteren 10.000 S der folgenden Monate bis einschließlich Juni 1965 ab und behielt die Kostenentscheidung dem Endurteil vor.
Es hielt die Sache in diesem Umfang für spruchreif, weil die Vereinbarung vom 28. März 1960, der Zeitpunkt der Ausgleichsbeendigung und Eröffnung des Konkursverfahrens sowie die Tatsache der Einstellung der Zahlungen von 16.000 S monatlich nicht ausdrücklich bestritten worden seien. Aus dem Wortlaut des Punktes 7 der Vereinbarung vom 28. März 1960 lasse sich keine Verpflichtung der Beklagten, sondern lediglich eine solche der Familie X entnehmen, nämlich während der Dauer der Ausgleichsabwicklung nicht mehr als 16.000 S monatlich an Bar- und Materialentnahmen zu beanspruchen. Eine Prüfung der Natur dieses Vertrages, seines Inhaltes und der daraus abzuleitenden Ansprüche der Klägerin sei jedoch vorläufig entbehrlich, da mit der Konkurseröffnung am 29. Jänner 1963 jedenfalls alle vom Sachwalterkomitee etwa eingegangenen Verpflichtungen erloschen seien. Auf den Titel des Schadenersatzes könne die Klägerin ihre Forderung aber nicht stützen, da in diesem Falle aus dem Vertrag nur ihr Gatte als Vertragspartner anspruchsberechtigt sei. Dazu komme, daß über das Vermögen der Klägerin niemals der Konkurs eröffnet worden sei, daher müsse das Klagebegehren, soweit es sich auf die Zeit nach der Konkurseröffnung, das sei ab Februar 1963, stütze, mit Teilurteil abgewiesen werden.
Der gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes und das Teilurteil des Gerichtes erster Instanz auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Klage ist einerseits ihrem gesamten Umfang nach auf den Rechtsgrund der Vereinbarung vom 28. März 1960, anderseits auf Schadenersatz gestützt. Gegenstand der Entscheidung der Untergerichte ist bloß jener Teil des Begehrens, mit dem die Klägerin für die Zeit ab 1. Februar 1963 die Bezahlung einer monatlichen Rente von je 10.000 S fordert. Hinsichtlich dieser Vereinbarung, deren Wortlaut im Punkt 7 zwar außer Streit steht, behauptet die Klägerin, daß die Absicht der vertragschließenden Teile dahin gegangen sei, ihr wenigstens die geforderte Rente als Unterhalt für die Dauer der Abwicklung des Ausgleichsverfahrens zukommen zu lassen. Es haben somit die erst- und zweitbeklagte Partei die Verpflichtung übernommen, diese Rente der Klägerin zu bezahlen, und die drittbeklagte Partei sei dieser Vereinbarung durch konkludente Handlungen beigetreten. Da die Klägerin aber nicht behauptet hatte, daß nach der Absicht der vertragschließenden Teile die vereinbarte Rente auch über die Zeit der Abwicklung des Ausgleichsverfahrens ihres Gatten hinaus und insbesondere auch dann zu bezahlen sei, wenn über das Vermögen ihres Gatten der Konkurs eröffnet werde, die Abwicklung des Ausgleichsverfahrens aber jedenfalls mit der Konkurseröffnung über das Vermögen des Ausgleichsschuldners beendet war, kann die Klägerin aus dem Vertrag für die folgende Zeit schon nach ihren Klagsbehauptungen die Rente nicht fordern. Mit Rücksicht auf die Außerstreitstellung, daß am 29. Jänner 1963 über das Vermögen des Gatten der Klägerin der Konkurs eröffnet wurde, erkannten die Untergerichte ohne Rechtsirrtum, daß für die Zeit ab 1. Februar 1963 der Klägerin aus dem Rechtsgrund der Vereinbarung vom 28. März 1960 die geforderte Rente nicht gebührt. Dabei kommt es weder auf die Absicht der vertragschließenden Teile über den Inhalt der Vereinbarung noch darauf an, ob die Klägerin, vertreten durch ihren Gatten, selbst Vertragspartnerin war oder ob es sich bei diesem Vertrag zwischen dem damaligen Ausgleichsschuldner und den beiden Erstbeklagten um einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der Klägerin, handelte bzw. ob die drittbeklagte Partei in der Folge der Vereinbarung als Mitschuldner beigetreten ist.
Anders verhält es sich jedoch mit dem auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützten Begehren der Klägerin.
Diesbezüglich handelt es sich allerdings insofern um die Geltendmachung eines sogenannten mittelbaren oder "Drittschadens", als die Klägerin den Beklagten zur Last legt, "durch gezielte Mißwirtschaft" bei der Geschäftsführung der Betriebe ihres Gatten diesem die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin unmöglich gemacht zu haben. Die Prüfung der Frage, ob der Klägerin nach ihrem Vorbringen die geforderte Rente als gesetzlicher Unterhalt gebühren kann bzw. in welcher Höhe ein derartiger Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Gatten zusteht, ist entbehrlich, weil der Oberste Gerichtshof trotz der von Wolff in Klang, Kommentar[2] VI 40 angeführten Kritik an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung festhält, daß ein "Drittschaden" nur dort geltend gemacht werden kann, wo das Gesetz eine solche Schadenersatzpflicht ausdrücklich anordnet (z. B. § 1327 ABGB.; SZ. XIII 141, SZ. XXIII 23, 311, SZ. XXXIV 112, RiZ. 1962 S. 172 u. v. a.). Auf § 55b (3) AO. kann sich die Klägerin nicht berufen. Diese Vorschrift begrundet wohl die Haftung der Sachwalter im Ausgleichsverfahren für durch pflichtwidrige Führung ihres Amtes verursachte Vermögensnachteile der Beteiligten. Es ist jedoch dem Berufungsgericht beizupflichten, daß unter dem Begriff der "Beteiligten" im Sinne dieser Gesetzesstelle nur der Ausgleichsschuldner und die Ausgleichsgläubiger zu verstehen sind (Bartsch - Pollak II S. 489). Da nun der Unterhaltsanspruch der Gattin des Ausgleichsschuldners durch das Ausgleichsverfahren nur insoweit berührt wird, als § 8 (4) AO. dem Schuldner auferlegt, während des Ausgleichsverfahrens die vorhandenen Mittel nur insoweit für sich zu gebrauchen, als es zu einer bescheidenen Lebensführung für sich und seine Familie unerläßlich ist, kann nicht gesagt werden, daß die Klägerin hinsichtlich ihres Unterhaltsanspruches gegen ihren Gatten zu dessen Ausgleichsgläubigern zählt (Bartsch - Pollak II S, 120 f., S. 145 und 301, vgl. auch SZ. XVIII 214).
Falls der Klägerin jedoch im Sinne ihrer Behauptung aus dem Vertrag vom 28. März 1960 ein unmittelbarer Anspruch gegen die Beklagten auf Bezahlung der vereinbarten Rente zustehen sollte, könnte ihr Schadenersatzanspruch begrundet sein, wenn die Beklagten tatsächlich durch gezielte Mißwirtschaft der Betriebe des Gatten der Klägerin die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen verursachten. Denn in einem solchen Falle hätten die Beklagten selbst vorzeitig die Voraussetzung für die weitere Erfüllung ihrer angeblich übernommenen vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin gegenüber beseitigt.
Dieser
chadenersatzanspruch der Klägerin wird daher durch die vereinbarte Befristung der behaupteten Zahlungsverpflichtung der Beklagten (nämlich: für die Dauer der Abwicklung des Ausgleichsverfahrens) nicht berührt.
Soweit sich also das Klagebegehren auf diese Behauptung der Klägerin stützt, kann darüber ohne Aufnahme von Beweisen auch insofern nicht abgesprochen werden, als das Begehren auf Zahlung der Rente für die Zeit nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Gatten der Klägerin gerichtet ist. Es erweist sich daher das bisherige Verfahren auch im Umfang des Teilurteiles des Erstgerichtes noch nicht als spruchreif, was die Aufhebung der Entscheidungen der Untergerichte und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung notwendig macht.
Im fortgesetzten Verfahren wird zunächst durch Erforschung der Absicht der Vertragsteile der Vereinbarung vom 28. März 1960 deren Inhalt in bezug auf die behauptete direkte Anspruchsberechtigung der Klägerin festzustellen sein. Sollte sich herausstellen, daß im Sinne ihres Vorbringens tatsächlich die Begründung eines solchen Anspruches der Klägerin gewollt war, wird zu prüfen sein, ob die drittbeklagte Partei der Vereinbarung als Mitschuldner beitrat und ob die Beklagten tatsächlich das ihnen vertraglich überlassene Recht zur Wirtschaftsführung der Betriebe des Gatten der Klägerin mißbrauchten, indem sie diese Betriebe zugrunde richteten und, statt den Ausgleich ordnungsgemäß abzuwickeln, die Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkurses schufen. Daß für alle diese Behauptungen die Klägerin beweispflichtig ist, bedarf keines Hinweises. Bevor der Sachverhalt in diesen Punkten nicht erhoben ist, kann zu den sich daraus ergebenden möglichen Rechtsfragen noch nicht abschließend Stellung genommen werden.
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