Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im gegenständlichen Rechtsstreit wurde der Beklagte zunächst von dem von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. S***** vertreten. Mit Schriftsatz vom 2. 3. 1999 teilte der Beklagte mit, dass er Dr. S***** die Vollmacht aufgekündigt habe und beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwalts, was das Erstgericht mit Beschluss vom 30. 3. 1999 antragsgemäß bewilligte. Zum Verfahrenshelfer wurde der Rechtsanwalt Dr. Z***** bestellt. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Mit Beschluss vom 28. 4. 1999 erklärte das Erstgericht die dem Beklagten bewilligte Verfahrenshilfe für erloschen und trug ihm auf, binnen 14 Tagen einen gewählten Rechtsanwalt zu bestellen und dem Gericht bekannt zu geben, widrigensfalls das Verfahren mit den Folgen der Nichtbestellung eines Rechtsanwalts fortgesetzt werde. Auch dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Der Beklagte beantragte neuerlich die Bewilligung der Verfahrenshilfe, welcher Antrag rechtskräftig abgewiesen wurde.
In der Streitverhandlung vom 1. 9. 1999 erschien weder der Beklagte noch ein von ihm bevollmächtigter Vertreter. Das am 2. 9. 1999 ergangene Urteil wurde am 16. 9. 1999 dem früheren Verfahrenshelfer Dr. Z***** zugestellt und am 6. 10. 1999 dem Beklagten persönlich. Am 14. 10. 1999 erhob der Beklagte eine Berufung ohne anwaltliche Fertigung, woraufhin ihm das Erstgericht am 18. 10. 1999 einen Verbesserungsauftrag binnen drei Wochen erteilte. Diesem Verbesserungsauftrag ist der Beklagte jedoch nicht vor dem 22. 1. 2001, der Erhebung der gegenständlichen Berufung durch einen frei gewählten Rechtsvertreter nachgekommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht diese Berufung als verspätet zurück.
Es ging von einer wirksamen Zustellung des Urteils an den Beklagten aus. Die Zustellung des Urteils an den früheren Verfahrenshelfer Dr. Z***** sei unwirksam gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt die Verfahrenshilfe längst rechtskräftig für erloschen erklärt worden war und somit der Verfahrenshelfer seines Amtes enthoben war. § 36 Abs 2 ZPO gelte für den enthobenen Verfahrenshelfer jedenfalls nicht, weil es sich um keine Kündigung der Vollmacht handle (RIS-Justiz RS0035765).
Die Zustellung des Urteils an den Beklagten trotz Anwaltspflicht sei ordnungsgemäß gewesen, weil das Erstgericht, nachdem es die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt hatte, den Beklagten aufgefordert hatte, binnen 14 Tagen einen Rechtsanwalt zu bestellen und dem Gericht namhaft zu machen, widrigens das Verfahren mit den Folgen der Nichtbestellung eines Rechtsanwalts fortgesetzt werde.
In der ZPO sei nicht geregelt, wie vorzugehen sei, wenn eine Verfahrenshilfe für erloschen erklärt werde oder entzogen werde, sodass eine analoge Anwendung des § 160 ZPO geboten sei.
Eine Zustellung an den zunächst im Verfahren vom Beklagten frei gewählten Rechtsanwalt sei nicht erforderlich gewesen. Zwar werde nach ständiger Rechtsprechung der Schutzzweck des § 36 Abs 1 ZPO auch auf eine Partei, die die Gewährung der Verfahrenshilfe erfolglos begehrt habe, ausgedehnt. Eine solche Partei sei im weiteren Verfahren so zu behandeln, als hätte sie keinen Verfahrenhilfeantrag gestellt, weshalb alle Zustellungen an den letzten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hätten (RIS-Justiz RS0106741). Dies lasse sich allerdings auf den gegenständlichen Fall nicht übertragen, weil dem Beklagten zwischenzeitig ein Rechtsanwalt in Verfahrenshilfe beigegeben worden sei und erst in weiterer Folge die Verfahrenshilfe wieder für erloschen erklärt worden sei.
Zusammengefasst sei also die Zustellung des Urteils an den Beklagten persönlich wirksam gewesen, dieser sei einem erteilten Verbesserungsauftrag (zugestellt am 29. 10. 1999) nicht rechtzeitig nachgekommen, durch die Erhebung unzulässiger Rechtsmittel gegen den Verbesserungsauftrag sei die Frist nicht unterbrochen worden (§ 524 Abs 1 ZPO).
Die am 22. 1. 2001 erhobene Berufung des nunmehr frei gewählten Rechtsvertreters sei daher verspätet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eines Auftrags an das Berufungsgericht, über die Berufung des Beklagten in der Sache selbst zu entscheiden. Hilfsweise wird beantragt, den Unterinstanzen aufzutragen, der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. 9. 1999 ordnungsgemäß zuzustellen.
Der Rekurs ist zufolge der Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
Der Rekurswerber bestreitet im Wesentlichen die Wirksamkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an ihn am 6. 10. 1999. Eine Zustellung hätte in analoger Anwendung des § 36 Abs 1 ZPO an den letzten Prozessbevollmächtigten, somit an Dr. S***** vorgenommen werden müssen. Mangels Namhaftmachung eines anderen Rechtsanwalts sei die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu Dr. S***** nicht wirksam erfolgt, sodass nach dem Erlöschen der Verfahrenshilfe wiederum an Dr. S***** zuzustellen gewesen wäre. Eine solche Zustellung sei bisher nicht erfolgt.
Im Weiteren wendet sich der Rekurswerber gegen die analoge Anwendung des § 160 ZPO, wonach dem Beklagten eine Frist zur Bestellung eines neuen Vertreters gesetzt wurde. Ein von Amts wegen einer Partei erteilter Auftrag, binnen einer Frist einen Rechtsanwalt zu bestellen und dem Gericht namhaft zu machen, erweise sich als unrechtmäßig.
Die Berufungsfrist sei daher niemals wirksam in Gang gesetzt worden.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Rechtliche Beurteilung
Das Prinzip der Vertretungsfreiheit im Zivilprozess ist entscheidend durchbrochen durch die Anwaltspflicht. Das Gesetz zwingt die Partei bei jenen Rechtsstreitigkeiten, für die Anwaltspflicht besteht, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, soweit sie nicht persönlich von der Anwaltspflicht befreit ist.
Die Verletzung der Anwaltspflicht durch die Parteien hat nicht die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge, sondern bewirkt bei schriftlichen Prozesshandlungen deren Zurückstellung zur Verbesserung (bei fristgebundenen Prozesshandlungen die Setzung einer Verbesserungsfrist: § 85 ZPO), bei Tagsatzung zufolge § 133 Abs 3 ZPO die Säumnis der gegen die Anwaltspflicht verstoßenden Partei (vgl Fasching Lehrbuch Rz 436, 438).
Nun trifft es zu, dass gemäß § 36 ZPO eine durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung einer Prozessvollmacht erst dann wirksam wird, wenn im Fall der Anwaltspflicht die Bestellung eines anderen Rechtsanwalts von der Partei angezeigt wird. Die Rechtsprechung hat den in § 36 Abs 1 ZPO gelegenen Schutzzweck hinsichtlich der unvertretenen Partei auch auf jene Fälle ausgedehnt, in denen eine Partei erfolglos die Gewährung der Verfahrenshilfe begehrte. Eine solche Partei sei im weiteren Verfahren so zu behandeln, als hätte sie überhaupt keinen Verfahrenshilfeantrag gestellt. Nach rechtskräftiger Abweisung ihres Verfahrenshilfeantrags und Unterlassung der Anzeige der Bestellung eines neuen Rechtsanwalts hätten daher alle Zustellungen an den letzten Prozessbevollmächtigen der Partei zu erfolgen (1 Ob 2394/96g; 3 Ob 211/97v; 10 ObS 276/98f).
Eine weitere Ausdehnung des Schutzzwecks des § 36 Abs 1 ZPO auf Fälle wie den gegenständlichen ist jedoch abzulehnen. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass nach Auflösung eines Vollmachtsverhältnisses mit einem Prozessbevollmächtigten über Antrag einer Partei wirksam ein Verfahrenshelfer bestellt wurde, wodurch die Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts überflüssig wurde. Damit erlangt die durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung einer Prozessvollmacht rechtliche Wirksamkeit, sodass in einem späteren Verfahrensstadium, wenn es, etwa wie hier zum Erlöschen der Verfahrenshilfe kommt, keinen wie immer gearteten rechtlichen Grund gibt, auf einen früheren Prozessbevollmächtigten dessen Prozessvollmacht rechtlich wirksam beendet wurde, zurückzugreifen.
Die prozessuale Situation hinsichtlich der Vertretung des Beklagten lag daher im Fall der Zustellung des erstgerichtlichen Urteils nicht anders, als wenn der Beklagte bisher niemals im Verfahren trotz Anwaltspflicht von einem Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Zutreffend erfolgte daher die Zustellung des Urteils an ihn, samt Durchführung eines Verbesserungsverfahrens. Dem entsprechenden Auftrag wurde jedenfalls nicht rechtzeitig entsprochen.
Im Weiteren ist an dem dem Beklagten am 28. 4. 1999, noch vor Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens erteilten Auftrag, binnen 14 Tagen einen Rechtsanwalt zu bestellen und insbesondere der damit verbundenen Aufklärung über die nachteiligen Rechtsfolgen der Unterlassung nichts auszusetzen. Das Erstgericht hat damit zwar nicht entsprechend § 160 ZPO gehandelt, doch seine richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht im Prozess erfüllt.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die erst am 22. 1. 2001 durch einen gewählten Rechtsvertreter des Beklagten erhobene Berufung verspätet ist.
Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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