European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1983:0050OB00008.830.0315.000
Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der bestätigt wird, soweit der Beschluss des Erstgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass dem Erstgericht aufgetragen wird, das gesetzmäßige streitige Verfahren über den als Klage zu behandelnden Schriftsatz vom 4. 11. 1981 einzuleiten.
Text
Begründung
Mit Schriftsatz vom 4. 11. 1981 begehrten die Antragsteller W***** und T*****, anstelle der Antragsgegner B*****, Dipl.‑Ing. W***** und E***** der Errichtung der Garage der Antragsteller die Zustimmung zu erteilen. Sie brachten vor, sie seien grundbücherliche Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, bestehend aus mehreren Grundstücken. Es stünden ihnen laut Kaufverträgen vom 20. und 22. 4. 1977 samt Nachträgen und Wohnungseigentumsvertrag vom 24. 6. 1977 je 160/3774, zusammen daher 320/3774‑Anteile an der Liegenschaft zu. Die Erstantragsgegnerin sei Miteigentümerin der Liegenschaft zu 309/3774‑Anteilen, der Zweit‑ und die Drittantragsgegnerin seien Miteigentümer der Liegenschaft zu je 155/3774, zusammen also zu 310/3774‑Anteilen. Für sämtliche Anteile sei die Beschränkung des Miteigentumsrechts durch das zwischen allen Miteigentümern vereinbarte Wohnungseigentum grundbücherlich einverleibt. Gemäß Punkt VII des Wohnungseigentumsvertrags vom 24. 6. 1977 sei für jede der 12 Eigentumswohnungen auf dem (im Miteigentum aller Vertragsteile stehenden) Grundstück 601/19 ein Platz für die Errichtung einer Garage unwiderruflich zugeteilt. Die Antragsteller beabsichtigten seit längerer Zeit, ihre Garage auf diesem Grundstück auszubauen. Sie benötigten hiezu die Genehmigung des Magistrats der Stadt Wels. Dieser wünsche die Zustimmung der anderen Miteigentümer, habe aber sonst gegen die Errichtung der Garage keine Bedenken. Daraufhin hätten mehrere (im Schriftsatz angeführte) Miteigentümer schriftlich ihre Zustimmung erteilt. Die Antragsgegner verweigerten nunmehr die Zustimmung; dies sei reine Schikane. Der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin, die Ehegatten A*****, wollten eine bereits abgegebene Zustimmung ihres eigenen Rechtsfreundes nicht mehr gelten lassen und behaupteten, ihr Rechtsanwalt sei zur Abgabe einer derartigen Erklärung nicht ermächtigt gewesen. Die Erstantragsgegnerin, B*****, nehme den gleichen Standpunkt ein, obgleich sie bereits vor längerer Zeit ihre schriftliche Zustimmung gegeben habe.
Die Antragsgegner beantragten die Abweisung des Antrags und wendeten ein, sie hätten an sich gegen die Errichtung der Garage keine Einwendungen, doch wehrten sie sich dagegen, dass ein sämtlichen Miteigentümern zustehender Grund im größeren Ausmaß durch die Antragsteller in Anspruch genommen werde, als dies durch die übrigen Miteigentümer geschehe. Die Garagen der übrigen Miteigentümer seien nur 2,8 m bis maximal 3,3 m breit, wohingegen die Garage der Antragsteller laut Plan eine Breite von 3,50 m erhalten solle. Die seinerzeitigen schriftlichen Zustimmungserklärungen hätten sie nur deswegen abgegeben, weil ihnen ansonsten gerichtliche Schritte angedroht worden seien.
Den übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümern der Liegenschaft wurde vom Erstgericht die Möglichkeit gegeben, sich am Verfahren zu beteiligen; einige von ihnen (die daher in den Entscheidungsausfertigungen als weitere Antragsgegner angeführt werden) machten davon Gebrauch.
Das Erstgericht, das offenbar von der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens nach § 26 WEG ausging, wies den Antrag nach Durchführung eines Beweisverfahrens ab.
Das Rekursgericht nahm den dagegen erhobenen Rekurs der Antragsteller zum Anlass, den erstgerichtlichen Beschluss samt dem diesem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen. Zur Begründung führte es aus:
Bereits aufgrund der Antragsangaben ergebe sich, dass die Antragsteller ihr Begehren auf die Bestimmung des Punktes VII des zwischen den Miteigentümern der Liegenschaft abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrags stützten. Dieser Punkt habe folgenden Wortlaut:
„Hinsichtlich der im Miteigentum aller Vertragsteile stehenden Hofflächen der Grundparzelle Nr. 601/19 an der West‑ und Ostseite des Wohnblocks ***** ist noch vor Übertragung von Liegenschaftsanteilen und Begründung von Wohnungseigentum zwischen sämtlichen Einwohnern eine unwiderrufbare Benützungsregelung in der Weise getroffen worden, dass für jede der 12 Eigentumswohnungen der gegenständlichen Liegenschaft ein Platz für die Errichtung einer Garage oder die Einstellung eines PKW zugeteilt wurde. Diese Benützungsregelung ist unwiderrufbar und jeder der Vertragsteile verpflichtet sich, sie auf seine Rechtsnachfolger, aus welchem Titel immer, zu überbinden.“
Die Bestimmung des § 13 Abs 2 Z 2 WEG, auf die offenbar die Antragstellung im außerstreitigen Verfahren gestützt werde, setze voraus, dass bisher keine vertragliche Benützungsregelung bezüglich der in dieser Gesetzesstelle angeführten gemeinsamen Teile der Liegenschaft bestanden habe. Bestehe aber, wie hier, bereits eine unwiderrufliche vertragliche Benützungsregelung bezüglich der im Miteigentum stehenden Liegenschaftsanteile und bestehe nur ein Streit über den Umfang und die Abgrenzung der vertraglichen Benützungsregelung (hier über die Größe der für die alleinige Nutzung der Antragsteller bereits vertraglich zugewiesenen Grundfläche zur Errichtung einer Garage), dann könnten derartige Streitigkeiten, welche die Vertragsauslegung und allenfalls eine Vertragsergänzung beträfen, nur auf dem Prozessweg ausgetragen und nicht vom Außerstreitrichter durch eine rechtsgestaltende Entscheidung geregelt werden (MietSlg 19.475). Dieser Grundsatz gelte ganz allgemein bei Regelung der Benützung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft. Eine Entscheidung des Außerstreitrichters könne nur begehrt werden, wenn noch keine bindende vertragliche Benützungsvereinbarung vorliege. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Partei den Außerstreitrichter wegen einer Benützungsregelung anrufen könne, komme es darauf an, worauf der Antragsteller seinen Antrag gründe (vgl MietSlg 17.737, 20.054, 27.091, 27.092 ua). Auch in den neuesten Entscheidungen des Höchstgerichts (vgl MietSlg 30.561/28 und 32.483/34) werde bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 13 Abs 2 Z 2 WEG ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Zustimmung der Gemeinschaft nicht bereits im voraus vertraglich eingeräumt worden sei.
Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann sei zu bemerken, dass bereits vor der Begründung von Wohnungseigentum hinsichtlich des Grundstücks 601/19 eine vertragliche unwiderrufbare Benützungsregelung zur Errichtung von Garagen getroffen worden sei, auf die sich die Antragsteller in ihrem Antrag auch beriefen. Auch wann aus dieser schriftlichen vertraglichen Regelung allein noch nicht geschlossen werden könne, wieviel Grundfläche jeder Miteigentümer für seine zu errichtende Garage werde beanspruchen können, so ergebe sich jedoch aus dieser Vertragsbestimmung klar, dass „ein Platz für die Errichtung einer Garage bereits zugeteilt wurde“. Die Auslegung dieser Vertragsbestimmung in der Weise, welcher Platz und in welchem Flächenausmaß eine derartige Grundfläche zugeteilt worden sei, könne daher nach den obigen Ausführungen nur im Prozesswege und nicht im Außerstreitverfahren geklärt werden.
Abgesehen davon stützten die Antragsteller ihre Begehren auch darauf, dass die Antragsgegner bereits ihre Zustimmung gegeben hätten, jedoch „diese Zustimmung nun nicht mehr gelten lassen wollen“. Auch diese Frage, inwieweit nämlich die Antragsgegner an bereits früher erteilte Zustimmungserklärungen gebunden seien, ob sie möglicherweise, wie sie behaupteten, irregeführt worden seien, oder ob sie sich in einem Irrtum befunden hätten, sei nicht im Außerstreitverfahren zu klären; derartige Fragen müssten im streitigen Verfahren geklärt werden.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Rekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und entweder in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die fehlende Zustimmung der (Erst‑ bis Dritt‑)Antragsgegner zur Errichtung der Garage zu erteilen oder dem Rekursgericht die (meritorische) Entscheidung über den Beschluss des Erstgerichts aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs, über den unter Zugrundelegung des materiellen und formellen Rechts, wie es vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes am 1. 1. 1982 in Geltung stand, zu entscheiden ist (5 Ob 41/82, 5 Ob 43/82 ua), ist zulässig und teilweise gerechtfertigt.
Den Rekursausführungen der Antragsteller, im gegenständlichen Verfahren gehe es um die Ersetzung der fehlenden Zustimmung der (Erst‑ und Dritt‑)Antragsgegner zu ihrem Ansuchen um Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung, also um eine rechtsgestaltende Mitwirkung des Gerichts an der Willensbildung einer Miteigentümergemeinschaft, die im außerstreitigen Verfahren zu geschehen habe, ist Nachstehendes entgegenzuhalten:
Ob über einen Rechtsschutzantrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, ist nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen; Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen sind, gehören auf den streitigen Rechtsweg (MietSlg XXXIII/19 und EvBl 1982/196 je mwN).
Die Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren ist im vorliegenden Fall § 26 Abs 1 WEG zu entnehmen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Antragsteller bei Inanspruchnahme des außerstreitigen Verfahrens die Bestimmung des § 26 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 13 Abs 2 Z 2 und 4 WEG ‑ wie das Rekursgericht meint ‑ oder die Bestimmung des § 26 Abs 1 Z 3 zweiter Fall WEG im Auge hatten (für letzteres spräche, dass sie die Zustimmung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer zu einer Änderung nicht an ihrer im Wohnungseigentum stehenden Wohnung, sondern an dem Teil einer allen Mit‑ und Wohnungseigentümern gemeinsamen Grundfläche anstreben, die ihnen laut Wohnungseigentumsvertrag für die Errichtung einer Garage oder die Einstellung eines PKW zugeteilt wurde; müssen die anderen Mit‑ und Wohnungseigentümer eine Änderung dulden, für die eine behördliche Bewilligung erforderlich ist, so dürfen sie eine allenfalls erforderliche Zustimmung in keinem der beiden Fälle verweigern), weil in beiden Fällen der Grundsatz gilt, dass die Rechtsdurchsetzung und die Abwehr von Rechtswidrigkeiten zwischen Mit‑ und Wohnungseigentümern in das streitige Verfahren gehört, während für die rechtsgestaltende Mitwirkung des Gerichts bei der Willensbildung der Mit‑ und Wohnungseigentümergemeinschaft das außerstreitige Verfahren bestimmt ist (MietSlg XXXIII/19 und EvBl 1982/196; vgl auch MietSlg XXXIII/24).
Entgegen der Meinung der Antragsteller hat nun das Rekursgericht richtig erkannt, dass ihr Antragsvorbringen, wonach bezüglich der Garagenerrichtung oder PKW‑Einstellung bereits im Punkt VII des Wohnungseigentumsvertrags eine vertragliche Benützungsregelung getroffen und in der Folge dem von den Antragstellern nunmehr beabsichtigten Garagenbau auch von den (Erst‑ bis Dritt‑)Antragsgegnern zugestimmt worden sei, einen vertragsfreien Raum für die Regelungskompetenz des Außerstreitrichters nicht mehr offen lässt, die Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der vertraglichen Regelung (vgl auch SZ 24/84) sowie über die Rechtswirksamkeit der Zustimmungserklärungen (vgl EvBl 1982/196) vielmehr im streitigen Rechtsweg zu entscheiden sind. Noch im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss haben die Antragsteller selbst den Standpunkt vertreten, dass rechtswirksame Zustimmungserklärungen der (Erst‑ bis Dritt‑)Antragsgegner vorlägen und über allfällige Willensmängel (Zwang oder Irreführung) noch verhandelt werden müsste; dies kann aber eben nur im streitigen Rechtsweg geschehen. Es steht den Antragstellern nicht frei, von der Klärung dieser Meinungsverschiedenheiten auf dem dafür vorgesehenen streitigen Rechtsweg Abstand zu nehmen und (sogleich) anzustreben, dass die fehlende Zustimmung der (Erst‑ bis Dritt‑)Antragsgegner durch den Außerstreitrichter ersetzt werde.
Der Oberste Gerichtshof gelangt mithin gleich dem Rekursgericht zu dem Ergebnis, dass eine sachliche Entscheidung über den Antrag im Verfahren nach § 26 WEG unzulässig und demnach das über diesen Antrag durchgeführte Verfahren einschließlich der erstgerichtlichen Entscheidung nichtig ist. Das hat jedoch entgegen der Meinung des Rekursgerichts nicht zur Folge, dass der Antrag sogleich zurückzuweisen ist. Schon seit der Neufassung des § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO durch § 36 KSchG ist vielmehr die unrichtige Benennung eines Schriftsatzes als Antrag im außerstreitigen Verfahren statt als Klage sowie der Parteien als Antragsteller statt als Kläger und als Antragsgegner statt als Beklagte unerheblich (MietSlg XXXIII/19, EvBl 1982/196 ua, zuletzt etwa 5 Ob 55/82; vgl den künftigen § 40a JN idF der Zivilverfahrens‑Novelle 1983 BGBl 135). Das Erstgericht hat daher über den Schriftsatz vom 4. 11. 1981 das gesetzmäßige streitige Verfahren einzuleiten und zuerst die erforderlichen Verbesserungsaufträge zu erteilen (Änderungen der Bezeichnung des Schriftsatzes und der Parteien sowie des Rechtsschutzbegehrens [das überdies entsprechend umzuformulieren sein wird], Angabe des Streitwerts zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts).
Es war daher dem Rekurs teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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