OGH 5Ob84/92

OGH5Ob84/9229.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehenter, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Anton G*****, und 2.) Ida G*****, beide vertreten durch Karl Capek, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Arthaberplatz 12-15/2/20, 1100 Wien, wider die Antragsgegnerin L*****gesellschaft mbH, *****vertreten durch Industrie- und Immobilienverwaltung Alois Obermeier, Leithastraße 16, 1200 Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 12. November 1991, GZ 48 R 542/91-8, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. Juni 1991, GZ 9 MSch 55/90-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind aufgrund eines Mietvertrages aus dem Jahr 1970 Mieter der Wohnung Nr.16 im Haus der Antragsgegnerin Wien *****. Im Mietvertrag wurde ein Mietzins von 330,74 S - wertgesichert auf der Basis des Indexes der Verbraucherpreise 1966 - vereinbart. Bis Juni 1990 wurde den Antragstellern ein Hauptmietzins von 335,34 S vorgeschrieben, im Juli 1990 ein solcher von 472,35 S. Bei der Wohnung der Antragsteller handelt es sich um eine im Sinne des § 3 Z 10 des StadtErnG mangelhaft ausgestattete Wohnung.

Mit dem am 10.Juli 1990 bei der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien, MBA für den 10.Bezirk, eingebrachten Antrag begehrten die Antragsteller die Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Mietzinses und die Rückzahlung der zuviel bezahlten Beträge.

Die Antragsgegnerin sprach sich gegen den Antrag aus, weil die Mietzinserhöhung aufgrund einer Indexanpassung erfolgt sei.

Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 5.9.1990 wurde 1.) gemäß § 16 MRG iVm § 43 Abs 2 MRG und § 16 Abs 3 MG festgestellt, daß das gesetzlich zulässige Zinsausmaß den Antragstellern gegenüber zum Zinstermin Juli 1990 durch die monatliche Vorschreibung von 472,35 S an Hauptmietzins und monatlich 37,88 S überschritten wurde und 2.) das Rückzahlungsbegehren abgewiesen.

Das von den Antragstellern gemäß § 40 Abs 1 MRG fristgerecht angerufene Erstgericht stellte in Übereinstimmung mit Punkt 1.) der Entscheidung der Schlichtungsstelle eine Mietzinsüberschreitung für Juli 1990 in der Höhe von 37,88 S bei Vorschreibung eines Hauptmietzinses von 472,35 S fest. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß das Mietverhältnis hinsichtlich der Mietzinsbildung nach Art III Z 3 der MGN 1974 zu beurteilen sei. Danach dürfe als Hauptmietzins jener Betrag begehrt werden, der nach der rechtswirksam geschlossenen Vereinbarung am 1.8.1974 zu entrichten sei. Damit sei klargestellt worden, daß bei Substandardwohnungen der Mietzins ab 1.8.1974 "eingefroren" worden sei. Im vorliegenden Fall sei bis Juni 1990 der an sich zulässige bis 1.8.1974 wertgesicherte Mietzins nicht vorgeschrieben und bezahlt worden, sondern lediglich der vereinbarte, gemäß Art XIII Z 2 EGUStG angehobene Mietzins. Die Bestimmung des Art III Z 3 der MG-Novelle 1974 stelle aber nicht auf den rechtswirksam vereinbarten und vorgeschriebenen Mietzins ab, sondern auf den Hauptmietzins, der nach der rechtswirksam geschlossenen Vereinbarung am 1.8.1974 zu entrichten sei. Die Vermieterin habe somit zwar auf die Vorschreibung des Erhöhungsbetrages aufgrund der wirksam vereinbarten Wertsicherung bis Juni 1990 verzichtet, dies schließe aber nicht aus, ab Juli 1990 jenen Hauptmietzins zu verlangen, wie er entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen in Verbindung mit dem rechtswirksam geschlossenen Mietvertrg ab 1.8.1974 hätte verlangt werden können. Daß dieser Hauptmietzins "eingefroren" sei, bedeute somit, daß nie mehr verlangt werden dürfe als dieser Mietzins. Da die Antragsgegnerin eine Erhöhung vorgenommen habe, die der Wertsicherung bis 1.8.1974 nicht entspricht, sei der im Spruch ersichtliche Überschreitungsbetrag festzustellen gewesen. Ein Rückforderungsauftrag gemäß § 37 Abs 4 MRG sei nicht auszusprechen gewesen, weil in diesem Verfahren nicht die Bestimmungen des MRG, sondern jene des MG anzuwenden seien.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsteller Folge und änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen Teiles dahin ab, daß es den Antragstellern gegenüber eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von 472,35 S für Juli 1990 um 137,01 S feststellte, wobei es noch aussprach, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe sich eindeutig, daß der zwischen den Parteien im Mai 1970 vereinbarte Hauptmietzins den Betrag von 4 S pro m2 überschritten habe. Damit regle Art III Z 3 der MGN 1974 idF BGBl Nr.367/1975, daß nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nur der Betrag als Hauptmietzins begehrt werden dürfe, der nach der rechtswirksam geschlossenen Vereinbarung am 1.8.1974 zu entrichten sei. Damit nehme Art III Z 3 MGN 1974 nicht auf die tatsächliche Zahlung zum Stichtag 1.8.1974 Bezug, sondern auf die rechtswirksame Zahlungsverpflichtung des Mieters (vgl MietSlg 31.512). Wurde also trotz einer vereinbarten Wertsicherung am 1.8.1974 statt des erhöhten der nicht aufgewertete Mietzins eingehoben und bezahlt, so konnte dennoch auch im nachhinein (dort: 1977) der wertgesicherte Mietzins gefordert werden (vgl MietSlg 31.512). Dieser (hier fiktive) Stichtagszins habe als Stoppzins des bestehenden Mietverhältnisses unter Ausschluß von Erhöhungen durch Wertsicherungsvereinbarungen gegolten (vgl Zingherr MG18, 73). Soweit nun nicht die §§ 44 bis 46 MRG Sondervorschriften enthielten, richte sich nach § 43 Abs 2 MRG die Mietzinsbildung für Altverträge ohne jegliche zeitliche Begrenzung weiterhin nach altem Recht, nach den "aufgehobenen Vorschriften" (vgl MietSlg 36.295), allerdings mit 1.1.1982 versteinert. Dieser Grundsatz (vgl Würth-Zingher2, Anm 1 zu § 43 MRG) leite sich eindeutig einerseits aus dem Fehlen jeglichen "gesetzlichen" Hauptmietzinses im MRG ab. Anderseits ordne § 43 Abs 2 MRG die Prüfung der Gültigkeit bestehender Vereinbarungen nach altem Recht an, vor allem aber sei nach § 45 Abs 1 MRG der Erhaltungsbeitrag als Differenz auf 2/3 des Kategoriemietzinses von dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1.1.1982 entrichteten Mietzins aus zu berechnen. Das bedeute grundsätztlich ein Erstarren des zuletzt (gesetzmäßig) entrichteten Hauptmietzinses samt diesem gleichzustellenden Mietzinsbestandteilen, ungeachtet des formalen Außerkrafttretens aller Normen, auf denen diese Vorschreibungen beruht hätten (vgl auch MietSlg 36.539, 34.316/40):

Das bedeute, daß es bei der Versteinerung des Hauptmietzinses zum 1.1.1982 nicht auf den Mietzins ankomme, der im damaligen Zeitpunkt zu entrichten gewesen wäre, sondern auf den zu diesem Zeitpunkt tatsächlich begehrten und entrichteten Hauptmietzins. Habe also der Vermieter nicht (bis) zum 1.1.1982 den ihm aufgrund einer rechtswirksamen Vereinbarung zustehenden, zum Stichtag 1.8.1974 aufgewerteten Hauptmietzins verlangt, so sei ihm nach diesem Stichtag (1.1.1982) diese Möglichkeit genommen. Die Versteinerung des Hauptmietzinses zum 1.1.1982 habe demnach bewirkt, daß eine zum Stichtag 1.8.1974 nicht ausgeschöpfte Wertsicherungsvereinbarung nach dem 1.1.1982 nicht mehr zu einer Anhebung des Mietzinses führen könne. Der Rekurs erweise sich damit als berechtigt. Den auf die Bestimmungen des § 37 Abs 3 Z 16 und 18 MRG iVm § 526 Abs 3 und § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gestützten Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß zur Frage der Versteinerung eines zum 1.8.1974 gestoppten Hauptmietzinses durch Inkrafttreten des MRG bei Nichtausschöpfung zulässiger Wertsicherungsvereinbarungen bis 1.1.1982 - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diesen Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abzuändern.

Die Antragsteller haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.

In ihrem Revisionsrekurs vertritt die Antragsgegnerin den Standpunkt, sie könne auf Grund der Bestimmung des Art III Z 3 MGNov 1974, die ausschließlich auf den Hauptmietzins, der zum Stichtag 1.8.1974 zu entrichten sei, abstelle, ab Juli 1990 jenen Hauptmietzins begehren, der den gemäß § 43 Abs 2 MRG anzuwendenden Bestimmungen entspreche.

Bei Beurteilung des im vorliegenden Fall gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses ist davon auszugehen, daß der Mietvertrag mit den Antragstellern im Jahre 1970 abgeschlossen wurde und es sich bei dem Mietgegenstand um eine iS des § 10 Z 3 StadtErnG mangelhaft ausgestattete Wohnung handelt. Für die Höhe des in einem vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossenen Mietvertrag vereinbarten Hauptmietzinses gelten - wie sich aus den §§ 43 Abs 2 und 45 Abs 2 MRG ergibt - soweit nicht die §§ 44 bis 46 MRG Sondervorschriften enthalten, die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften (vgl Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 43 MRG; Schuppich, Die Neuordnung des Mietrechts, 17; 5 Ob 723/81; 2 Ob 525/85; 1 Ob 610/90). Daß auf den Mietvertrag der Antragsteller die Bestimmungen des MG anzuwenden sind, ist nicht strittig. § 43 Abs 2 MRG stellt klar, daß nach den Bestimmungen des MG unzulässige Mietzinsvereinbarungen auch weiterhin unwirksam sind. Für die in der Zeit vom 1.1.1968 bis 31.7.1974 abgeschlossenen freien Vereinbarungen über sogenannte Substandardwohnungen bestimmte die am 1.8.1974 in Kraft getretene Übergangsregelung des Art III Z 3 1.Fall MGNov 1974, daß ab dem 1.8.1974 für den Fall, als der frei vereinbarte Hauptmietzins an diesem Tag 4 S je Quadratmeter übersteigt, auf Grund der vorher geschlossenen Vereinbarung nur der Betrag als Hauptmietzins begehrt werden darf, der nach der rechtswirksam geschlossenen Vereinbarung am 1.8.1974 zu entrichten ist. Der Stichtagzins gilt dann als Stoppzins des vor dem 1.8.1974 begründeten Mietverhältnisses (Zingher, MG18, 73; MietSlg 41.446). Erlaubt diese Übergangsregelung es dem Vermieter, ab 1.8.1974 vom Mieter einer sogenannten Substandardwohnung jenen Hauptmietzins zu begehren, der "nach der rechtswirksam geschlossenen Vereinbarung" zu entrichten ist, so folgt aus dem Umstand, daß auf die getroffene Vereinbarung Bezug genommen wird, daß es nicht auf den tatsächlich eingehobenen oder bezahlten Mietzins ankommt, sondern auf jenen Hauptmietzins, der am 1.8.1974 - auch auf Grund einer vereinbarten Wertsicherung - begehrt werden durfte (vgl Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, II A, Rz 5 zu § 16 MG; MietSlg 41.446).

Im Revisionsrekursverfahren ist nicht strittig, daß zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages mit den Antragstellern die Vereinbarung eines monatlichen Hauptmietzinses von 330,74 S wertgesichert zulässig war und der wertgesicherte Hauptmietzins am 1.8.1974 434,47 S betragen hätte. Als Stoppzins für die Wohnung der Antragsteller nach Art III Z 3 1.Fall MGNov 1974 ist daher der Betrag von 434,47 S anzunehmen. Daraus folgt, daß die mit den Antragstellern im Mai 1970 geschlossene Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses durch die Übergangsregelung der MGNov 1974 insoweit rechtsunwirksam wurde, als eine Erhöhung des Hauptmietzinses über den Betrag von 434,47 S hinaus ausgeschlossen war. Da sich die Mietzinsbildung für Altverträge - wie bereits dargetan - auch nach Inkrafttreten des MRG weiterhin nach altem Recht richtet, eine Änderung des der Bestimmung des Art III Z 3

1. Fall MGNov 1974 entsprechenden Mietzinses auch für die Zeit ab 1.1.1982 somit nicht eingetreten ist, ist die Antragsgegnerin berechtigt, von den Antragstellern nunmehr einen Hauptmietzins von 434,47 S (monatlich) zu begehren. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist somit nicht der tatsächlich eingehobene Hauptmietzins mit 1.1.1982 "erstarrt", sondern der den "aufgehobenen Rechtsvorschriften entsprechende" Mietzins (vgl Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 362). Insoweit das Rekursgericht seine Ansicht aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 45 Abs 1 MRG, die auf den Hauptmietzins abstellt, der "entrichtet wird", ableiten möchte, übersieht es, daß § 45 Abs 1 MRG nur die Berechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages regelt und bloß den Normalfall, bei dem der geschuldete Zins eingehoben wird, im Auge hat, die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Einhebung dieser Beiträge aber in § 45 Abs 2 MRG geregelt werden, diese Bestimmung aber jenen Hauptmietzins als maßgeblich normiert, den der Hauptmieter auf Grund der bisherigen Vorschriften oder einer vorher geschlossenen Vereinbarung "zu entrichten hat."

Da die Antragsteller einen Verzicht der Antragsgegnerin bzw deren Rechtsvorgänger auf die Wertsicherungsbeträge für die Zukunft nicht geltend gemacht haben, die Antragsgegnerin somit ab Juli 1990 berechtigt war, den Antragstellern einen Hauptmietzins von 434,47 S vorzuschreiben, erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt.

Es mußte daher die Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abgeändert werden.

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