Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der
beklagten Partei die mit S 17.049,78 = EUR 1.239,06 (darin enthalten
S 2.841,63 = EUR 206,51 an USt) bestimmten Kosten des
Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger begehren in ihrer am 1. 8. 2000 eingebrachten Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Nachtrag zum Wohnungseigentumsvertrag vom 25. 11./16. 12. 1987 gemäß Beil./ A in grundbuchsfähiger Form zu unterfertigen. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass die Streitteile Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, seien. Da durch den Dachbodenausbau nun zusätzliche Wohnungen entstanden seien, seien die Nutzwerte rechtskräftig neu festgesetzt worden. Im Hinblick darauf sei es am 16./18. 4. 1999 zwischen den Streitteilen zu einer Vereinbarung gekommen, in der sich die Beklagte insbesondere verpflichtet habe, nach Vorliegen des Nutzwertfeststellungsbescheides und dessen Rechtskraft den (ihr damals im Entwurf bereits vorliegenden) Nachtrag zum Wohnungseigentumsvertrag aus dem Jahr 1987 unverzüglich in grundbuchsfähiger Form zu unterfertigen, wogegen sich die Kläger der Beklagten gegenüber zu bestimmten Leistungen verpflichtet hätten. Nunmehr weigere sich die Beklagte, diese Vereinbarung einzuhalten und mache ihre Unterschrift von der Erfüllung bestimmter, nicht vereinbarter Voraussetzungen (Gegenleistungen) abhängig. Die internationale Zuständigkeit stützen die Kläger auf Art 16 Nr. 1 lit a erster Fall (Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben). Hierunter fielen auch Streitigkeiten in Wohnungseigentumssachen.
Die Beklagte beantrage die Zurückweisung der Klage mangels internationaler Zuständigkeit. Es liege keine Streitigkeit um ein unbewegliches Gut vor.
Das Erstgericht wies die Klage zurück. Die Kläger nähmen die Beklagte auf Grund eines persönlichen Rechtes, nicht aber auf Grund eines dinglichen Rechtes in Anspruch. Ein bloßer Zusammenhang mit einem dinglichen Recht reiche nicht aus.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge. Die Kläger hätten ihr Begehren ausschließlich auf eine mündliche Vereinbarung vom 16./18. 4. 1999 gestützt, es könne dahingestellt bleiben, ob die gegenständliche Verpflichtung sich auch unmittelbar aus dem Wohnungseigentumsgesetz ableiten ließe. Eine ausdehnende Auslegung des Art 16 EuGVÜ aus Zweckmäßigkeitsgründen komme nicht in Betracht. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, da zur vorliegenden Rechtsfrage noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit einem Abänderungsantrag.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerber vertreten die Rechtsansicht, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes der belegenen Sache immer dann zu bejahen sei, wenn ein entsprechender Lokalbezug gegeben sei. Die besonderen, lokal sehr unterschiedlichen Wohnungseigentumsrechte bedürften einer (nur am Belegenheitsort vorhandenen) besonderen Vertrautheit mit der Sach- und Rechtsmaterie. Im Rahmen der gebotenen autonomen Auslegung der Bestimmungen des EuGVÜ komme man daher nicht zuletzt aus den für Miete und Pacht ausformulierten Überlegungen dazu, dass jedenfalls alle Wohnungseigentumsstreitigkeiten in den Zuständigkeitsbereich des Art 16 EuGVÜ einzubeziehen seien, und zwar gleichgültig, ob es sich um streitige oder außerstreitige Verfahren handle oder ob im einzelnen Verfahren ausschließlich das involvierte dingliche Recht der Klagsgrund sei. Gemäß § 4 Abs 2 WEG haben die Miteigentümer im Falle der Nutzwertänderung insbesondere nach § 3 Abs 2 Z 3 WEG gegenseitig diejenigen Miteigentumsanteile zu übernehmen bzw zu übertragen, die notwendig seien, damit jedem Wohnungseigentümer der nach der Festsetzung der Nutzwerte zur Begründung seines Wohnungseigentums erforderliche Mindestanteil zukomme. Der gegenständliche Anspruch ergebe sich daher unmittelbar aus dem Gesetz und stelle einen Ausfluss des Eigentums an der Liegenschaft dar.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:
Unstrittig ist, dass auf den vorliegenden Rechtsfall das EuGVÜ anzuwenden ist. Da die Klage vor dem 1. 3. 2002 eingebracht wurde, ist die Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen von Zivil- und Handelssachen noch nicht anzuwenden (Art 66, 76 leg cit).
Nach Art 16 Nr 1 lit a EuGVÜ sind für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaates zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Der Begriff "dingliche Rechte" ist autonom auszulegen (EuGH Rs C-115/88 [Reichert ua/Dresdner Bank], RS C-125/92 [Mulox IBC Ltd/Hendrick Geels]). Vor allem zum Schutz der beklagten Partei und zur Vermeidung der Gefahr weiterer Ausdehnung sind die Zuständigkeitsregeln im Zweifel eng auszulegen, d.h. nicht weiter, als dies sein Ziel erforderlich macht (EuGH Rs C-115/88 [Reichert/Dresdner Bank], 7 Ob 286/99f mwN). Der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaates, in dem die unbewegliche Sache gelegen ist, besteht nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl Rs C-115/88 [Reichert ua/Dresdner Bank]) darin, dass das Gericht des Belegenheitsstaates wegen der räumlichen Nähe am Besten in der Lage ist, sich gute Kenntnis über die Sachverhalte zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaates sind. Davon ausgehend ist Art 16 Nr 1 lit a EuGVÜ in dem Sinn auszulegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens fallen und darauf gerichtet sind, Umfang oder Bestand einer unbeweglichen Sache, das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte hieran zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (EuGH Rs C-115/88 [Reichert ua/Dresdner Bank] mwN). Für die Anwendbarkeit des Art 16 Nr 1 lit a EuGVÜ reicht es also nicht aus, dass ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache von der Klage berührt wird oder dass die Klage in einem Zusammenhang mit einem unbeweglichen Recht steht. Die Klage muss auf ein dingliches Recht und - unbeschadet der für die Miete oder Pacht von beweglichen Sachen vorgesehenen Ausnahmen - nicht auf ein persönliches Recht gestützt sein (EuGH Rs C-294/92 [Web/Web]). So wurde erkannt, dass eine Klage auf Feststellung, dass eine Person eine unbewegliche Sache als "trustee" hält und auf Verurteilung dieser Person auf Ausstellung der Schriftstücke, die es bedürfe, um dem Kläger das Eigentum an der Wohnung zu übertragen, keine dingliche Klage im Sinne des Art 16 Nr 1 lit a EuGVÜ sei (EuGH Rs C- 294/92 [Webb/Webb]). In der Begründung verweist der EuGH darauf, dass der Kläger nicht geltend mache, dass er bereits Inhaber von Rechten sei, die sich unmittelbar auf die unbewegliche Sache beziehen und gegenüber allen wirken würden, sondern er sich nur auf Rechte gegenüber dem Beklagten berufe und damit nur eine persönliche Klage geltend mache.
Die dargelegten Grundsätze werden auch in der Lehre geteilt (vgl nur Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel; Art 16 EuGVÜ, Rz 10ff; Simotta in Fasching, § 81 JN, Rz 22ff; Kropholler, Zivilprozessrecht6, Art 16 EuGVÜ, Rz 11ff; Gottwald in Münchner Kommentar zur ZPO III 2, Rz 8ff; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilrechtsverfahren, Art 16, Rz 21 ff).
Wendet man die oben dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich ebenfalls, dass die Kläger eben kein dingliches gegen jedermann wirkendes Recht geltend machen, sondern die Zuhaltung einer zwischen den Parteien getroffenen und nur inter partes wirkenden Vereinbarung begehren, nämlich die Unterfertigung eines Vertrages, der u.a. die Übertragung dinglicher Rechte zum Inhalt hat. Strittig ist nach dem Vorbringen der Parteien, welche Leistungen die Kläger im Gegenzug zur Unterfertigung des Vertrages vereinbarungsgemäß zu erbringen haben. Nicht hingegen wurde der Anspruch im erstinstanzlichen Verfahren auf die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes gestützt. Das im Rechtsmittelverfahren erstattete Vorbringen verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.
Da hier auch kein in § 26 WEG genannter Anspruch (im außerstreitigen Verfahren) geltend gemacht wird, erübrigen sich Erwägungen zu der von Geimer/Schütze (Europäisches Zivilrechtsverfahren, Art 16, Rz 91 ff, dieselben Urteilsanerkennung I/1, § 85, XXV, ihnen folgend Simotta in Fasching I2, § 81 JN, Rz 36) vertretenen Rechtsansicht, es müsse eine erweiternde Auslegung des Art 16 Nr 1 lit a EuGVÜ in dem Fall Platz greifen, dass es sich um eine Streitigkeit nach § 43 dWEG handle, da eine Verdrängung der Zuständigkeitsbestimmungen des dWEG durch das EuGVÜ in eklatantem Widerspruch zu den Bedürfnissen der Praxis und der ratio conventionis stünde.
Es war daher dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)