OGH 5Ob72/83

OGH5Ob72/836.12.1983

SZ 56/183

Normen

MRG §37 Abs1 Z8
MRG §44
MRG §37 Abs1 Z8
MRG §44

 

Spruch:

Der frühere Hauptmieter ist ungeachtet der Beendigung des Bestandverhältnisses berechtigt, die Entscheidung über die Zulässigkeit des vorgeschriebenen Hauptmietzinses (§ 37 Abs. 1 Z 8 MRG) zu begehren

OGH 6. 12. 1983, 5 Ob 72/83 (LGZ Graz 3 R 267/83; BGZ Graz 8 Msch 9/83)

Text

Der Antragsteller war auf Grund eines Mietvertrages aus dem Jahre 1980 bis 30. 6. 1982 Mieter einer Wohnung im Hause der Antragsgegnerin in Graz. Mit dem an die Vermieterin gerichteten Schreiben vom 19. 4. 1982 haben die Antragsteller die Herabsetzung des vereinbarten Hauptmietzinses auf das derzeitige gesetzliche Ausmaß ab 1. 5. 1982 begehrt. Die von ihnen am 20. 12. 1982 gemäß § 39 Abs. 1, § 37 Abs. 1 Z 8 MRG angerufene Gemeinde wies den Antrag der Mieter mit der Begründung zurück, daß im Zeitpunkt der Antragstellung (bei der Gemeinde) kein Mietverhältnis zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin mehr bestanden habe. Die Antragsteller gaben sich mit der Entscheidung nicht zufrieden und riefen das Gericht an (§ 40 Abs. 1 MRG).

Das Erstgericht wies den Antrag mit Sachbeschluß ab. Es vertrat die Auffassung, daß den Antragstellern die Antragslegitimation fehle, da das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Antragstellung bereits beendet gewesen sei. § 37 MRG räume eine Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses nur dem Mieter ein, woraus hervorgehe, daß das Mietverhältnis noch aufrecht bestehen müsse.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15 000 S übersteige, der Revisionsrekurs zulässig sei und das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Die Antragsteller hätten am 19. 4. 1982, also in einem Zeitpunkt, als sie noch Hauptmieter der Wohnung gewesen seien, von der Vermieterin eine Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses ab 1. 5. 1982 iS des § 44 Abs. 3 MRG begehrt. Ab dem auf den Zugang dieses Begehrens folgenden Zinstermin sei die getroffene Vereinbarung über den Hauptmietzins insoweit rechtsunwirksam gewesen, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Betrages überstiegen habe, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie als Hauptmietzins errechne. Das Schreiben vom 19. 4. 1982 habe einem formlosen Begehren iS dieser Gesetzbestimmung entsprochen; das Begehren sei zu dem dem Einlangen bei der Vermieterin folgenden Zinstermin wirksam geworden. Eine allenfalls darüber ergehende Entscheidung des Gerichtes (der Gemeinde) sei, wie sich aus § 44 Abs. 3 MRG ergebe, nur deklaratorisch (vgl. Würth - Zingher, MRG 142). Die Antragslegitimation bzw. das Rechtsschutzbedürfnis des Mieters nach § 37 Abs. 1 Z 8 MRG könne daher nicht deshalb verneint werden, weil das Mietverhältnis vor der Antragstellung beendet worden sei. In den oben genannten Angelegenheiten seien sowohl Leistungs- als auch Feststellungsansprüche in dem Ausmaß zulässig, in dem ohne Verweisung ins "Außerstreitverfahren" Klagen zulässig wären (vgl. Würth - Zingher, MRG 126 f.). Die Legitimation der Antragsteller, eine Entscheidung über ihr Begehren iS des § 37 Abs. 1 Z 8 MRG (§ 44 MRG) zu beantragen, sei daher trotz Beendigung des Mietverhältnisses gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist nach der abschließenden, von der Zivilverfahrens-Novelle 1983 unberührt gebliebenen Regelung des § 37 Abs. 3 Z 18 MRG für Rekurse gegen Sachbeschlüsse oder solche infolge Rechtskraftvorbehaltes anfechtbare Beschlüsse des Gerichtes zweiter Instanz, mit denen ein Sachbeschluß des Gerichtes erster Instanz aufgehoben worden ist (5 Ob 61/83. Nr. 171. ua.), zulässig, ohne daß es einer Bewertung des Streitgegenstandes und eines Ausspruches über die Zulässigkeit des Rechtsmittels durch das Rekursgericht bedurft hätte.

Gemäß § 44 Abs. 2 MRG kann der Hauptmieter einer vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gemieteten Wohnung vom Vermieter der Ermäßigung des vorher vereinbarten Hauptmietzinses begehren, wenn die Voraussetzungen der Z 1 und 2 dieser Gesetzesstelle vorliegen. Begehrt der Hauptmieter vom Vermieter die Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses, so ist gemäß § 44 Abs. 3 MRG ab dem auf den Zugang dieses Begehrens folgenden Zinstermin die getroffene Vereinbarung über den Hauptmietzins insoweit rechtsunwirksam, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Betrages übersteigt, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie (§ 44 Abs. 2 Z 2 MRG) als Hauptmietzins errechnet. Gemäß § 37 Abs. 1 Z 8 MRG entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist, ua. in der Angelegenheit der Angemessenheit (richtig: Zulässigkeit; siehe Würth - Zingher, MRG, Anm. 8 zu § 37) des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§ 12 Abs. 3, §§ 16, 43, 44, 46 MRG), demnach - wie das Zitat des § 44 MRG im § 37 Abs. 1 Z 8 MRG zeigt - auch in der Angelegenheit der Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses iS des § 44 Abs. 3 MRG. Diese Entscheidung des Bezirksgerichtes ergeht auf Antrag (§ 37 Abs. 3 Z 1 MRG) und hat bloß deklaratorische Wirkung (Würth - Zingher, MRG, Anm. 3 zu § 44). Obgleich also die Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 Z 1 und 2 MRG gemäß § 44 Abs. 3 MRG ab dem auf den Zugang des Ermäßigungsbegehrens des Hauptmieters folgenden Zinstermin von selbst und ohne Rücksicht auf eine Zustimmung des Vermieters eintritt, ohne daß es hiefür eines besonderen Verfahrens vor der Schlichtungsstelle oder vor dem genannten Bezirksgericht bedürfte, und der Hauptmieter sich darauf beschränken könnte ab dem genannten Zinstermin nur mehr den ermäßigten Hauptmietzins zu zahlen und dem Vermieter im Falle des mangelnden Einverständnisses die Anrufung der Schlichtungsstelle oder des Bezirksgerichtes zu überlassen (vgl. Schuppich, Die Neuordnung des Mietrechtes 40), kann doch auch dem Hauptmieter in dem Fall, daß - wie hier - der Vermieter seinem Ermäßigungsbegehren nicht Rechnung trägt, wegen seines im Hinblick insbesondere auf die Folgen der Nichtzahlung des geschuldeten Hauptmietzinses zu bejahenden rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Klärung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses die Antragslegitimation in einem Verfahren nach § 37 Abs. 1 Z 8 MRG in Verbindung mit § 44 MRG, das außerdem zur Schaffung eines Exekutionstitels zugunsten des antragstellenden Mieters nach § 37 Abs. 4 MRG führen kann, nicht abgesprochen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Hauptmieters könnte nur dann verneint werden, wenn - was hier jedoch nicht zutrifft - ganz klar ist, daß die angestrebte Entscheidung für den Hauptmieter nur mehr von rein theoretischer Bedeutung wäre (vgl. etwa MietSlg. 7540/16 und zum Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses im allgemeinen SZ 26/99, SZ 48/116, HS 8027/7 uva.).

Wird von diesen Überlegungen ausgegangen und überdies bedacht, daß die Gründe, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die Entscheidung über die Zulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses in das außerstreitige Verfahren nach § 37 MRG zu verweisen, ohne Rücksicht darauf gegeben sein können, ob das betreffende Mietverhältnis im Zeitpunkt der Anrufung der Schlichtungsstelle bzw. des Bezirksgerichtes noch aufrechtbesteht, dann ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die Antragsteller ungeachtet der Beendigung des Mietvertrages mit der Antragsgegnerin zum 30. 6. 1982 berechtigt sind, die Entscheidung (der Schlichtungsstelle und) des Erstgerichtes iS des § 37 Abs. 1 Z 8 MRG in Verbindung mit 44 MRG über die Zulässigkeit des ihnen für Mai und Juni 1982 vorgeschriebenen Hauptmietzinses zu begehren. Dieser Auslegung des Gesetzes steht - der Auffassung der Antragsgegnerin zuwider - nicht entgegen, daß § 37 MRG nur von (Haupt-)Mieter und Vermieter spricht und des Falles, daß das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Anrufung der Schlichtungsstelle bzw. des Bezirksgerichtes bereits erloschen ist, nicht ausdrücklich gedenkt. Es wäre auch nicht sachgerecht, dem Mieter nur deshalb, weil das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Anrufung der Schlichtungsstelle bzw. des Bezirksgerichtes nicht mehr aufrechtbesteht, die Möglichkeit zu nehmen, die Zulässigkeit des Hauptmietzinses im Verfahren nach § 37 Abs. 1 MRG überprüfen zu lassen und gegebenenfalls einen Exekutionstitel nach § 37 Abs. 4 MRG zu erlangen und ihn damit ausschließlich auf den streitigen Rechtsweg zu verweisen.

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