OGH 5Ob704/77

OGH5Ob704/7724.1.1978

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Marold, Dr. Griehsler und Dr. Winklbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Arch. Ing. D*, Architekt, *, vertreten durch Dr. Ivo Reidinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Edwin Morent, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 70.000,-- samt Anhang infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20. Oktober 1977, GZ 5 R 208/77‑17, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 13. Juli 1977, GZ 9 Cg 66/77‑14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0050OB00704.77.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Mit der am 8. Februar 1974 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die N* Ges.m.b.H. von der auch im vorliegenden Verfahren beklagten Partei die Bezahlung eines Betrages von S 148.829,48 samt Anhang aus dem Titel restlicher Baukosten für die Errichtung des Hauses W*. In diesem unter AZ 40 a Cg 52/74 durchgeführten Verfahren trat in der Folge ein ruhensähnlicher Verfahrensstillstand ein. Die N* Ges.m.b.H. überreichte am 27. Mai 1977, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Ivo Reidinger, der auf Grund einer mit 13. August 1973 datierten Prozeßvollmacht einschritt, einen Schriftsatz, mit welchem sie ihre Klagebegehren im Hinblick auf die bereits im Jahr 1972 vorgenommene Zession eines Großteils ihrer Baukostenrestforderung an den Kläger des gegenständlichen Verfahrens auf S 1.000,-- samt Anhang einschränkte und das eingeschränkte Klagebegehren dann unter Verzicht auf den Anspruch zurücknahm. Das Erstgericht ordnete am 2. Juni 1977 die Zustellung der Gleichschrift dieses Schriftsatzes an den Beklagtenvertreter und der Halbschrift dieses Schriftsatzes an den Klagevertreter an, welche Anordnung am 3. Juni 1977 durchgeführt wurde.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. November 1974, S 113/74, wurde über das Vermögen der N* Ges.m.b.H. der Anschlußkonkurs eröffnet. Mit dem Beschluß dieses Gerichtes vom 4. Oktober 1976 wurde der Konkurs gemäß § 166 Abs 2 KO aufgehoben. Die Anmerkung der Konkurseröffnung im Handelsregister wurde gelöscht. Die N* Ges.m.b.H. ist weiterhin im Handelsregister eingetragen.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die am 18. Februar 1977 beim Erstgericht eingebrachte Klage mit dem Begehren auf Bezahlung eines Betrages von S 70.000,-- samt Anhang. Die klagende Partei brachte dazu vor, daß ihr die N* Ges.m.b.H. im Juli 1972 den Teilbetrag von S 103.829,48 von ihrer Baukostenforderung gegen die beklagte Partei aus der Errichtung des Hauses W* zediert habe.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der Streitanhängigkeit, weil die N* Ges.m.b.H. im Verfahren 40 a Cg 52/74 des Landesgerichtes für ZRS. Wien den Betrag von S 148.829,48 samt Anhang eingeklagt habe und es sich bei der nunmehrigen Klagsforderung um einen Teilbetrag davon handle. In dem an die beklagte Partei gerichteten Verständigungsschreiben der N* Ges.m.b.H. sei allerdings nicht von einer Zession der Forderung an die Kläger die Rede; es sei der beklagten Partei lediglich anheim gestellt worden, etwaige Zahlungen entweder an sie oder an dem Kläger zu leisten.

Das Erstgericht wies nach abgesonderter Verhandlung die Klage wegen Streitanhängigkeit im Hinblick auf das noch anhängige Verfahren 40 a Cg 52/74 des Erstgerichtes zurück. Die Streitanhängigkeit dauere im Falle der Klagszurücknahme bis zur Rechtskraft jenes Beschlusses fort, in dem die Klagsrücknahme vom Gericht zur Kenntnis genommen werde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Streitanhängigkeit zurückgewiesen werde. Das Rekursgericht erachtete auf der Grundlage des eingangs dargelegten Sachverhaltes, daß die N* Ges.m.b.H. im Zeitpunkt der Erlassung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses vom 13. Juli 1977 ihre zu AZ 40 a Cg 52/74 des Erstgerichtes eingebrachte Klage bereits rechtswirksam um den ihr im Jahre 1972 an den Kläger zedierten Betrag eingeschränkt und auch hinsichtlich des eingeschränkten Betrages von S 1.000,-- unter Anspruchsverzicht zurückgenommen habe. Eine Klagseinschränkung sei bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung jederzeit ohne die Voraussetzung einer Klagsänderung nach § 235 ZPO oder einer Klagerücknahme nach § 237 ZPO zulässig und nicht zum Gegenstand eines Gerichtsbeschlusses zu machen. Die Klagerücknahme geschehe gemäß § 237 Abs 2 ZPO durch einen dem Beklagten zuzustellenden Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung und beende ipso facto den Rechtsstreit, ohne daß es hiezu eines konstitutiven Gerichtsbeschlusses bedürfe. Im Zeitpunkt der Klage Zurücknahme sei auch die durch die Eröffnung des Anschlußkonkurses über das Vermögen der N* Ges.m.b.H. eingetretene Unterbrechung des Rechtsstreites und damit die Verfügungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin infolge der Aufhebung des Konkurses bereits wieder beendet gewesen. Die vom Erstgericht angenommene Streitanhängigkeit liege sohin schon aus diesen Erwägungen nicht vor, sei aber auch deshalb nicht gegeben, weil der Zessionar die zedierte Forderung ungeachtet dessen selbständig einklagen könne, daß der Zedent diese Forderung nach der Zession selbst gerichtlich geltend mache.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der im Rechtsstreit 40 a Cg 52/74 des Erstgerichtes klagenden Partei trat gemäß § 7 Abs 1 KO kraft Gesetzes die Unterbrechung des anhängigen Rechtsstreites ein. Eine Aufnahme des Verfahrens im Sinne des § 7 Abs 2 KO ist nach dem Akteninhalt nicht erfolgt. Der Gemeinschuldner erlangt mit der Aufhebung des Konkurses auch wieder das Recht, Prozesse zu führen. Er kann damit Verfahren, die durch die Konkurseröffnung unterbrochen wurden und die der Masseverwalter nicht weitergeführt hat, wieder aufnehmen (vgl. Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 182). Gemäß § 84 Z 4 GmbHG wird zwar die Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Eröffnung des Konkurses aufgelöst und bleibt auch nach Aufhebung des Konkursverfahrens aufgelöst (Wegan a.a.O. 319). Sie gilt aber weiterhin als existent und bleibt noch als Rechtssubjekt bestehen, solange noch Vermögen vorhanden ist. Daß die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 AmtsLG vorliegen, wurde nicht behauptet.

Gemäß dem § 237 Abs 2 ZPO geschieht die Zurücknahme der Klage durch einen dem Beklagten zuzustellenden Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung. Das Erstgericht hat den am 27. Mai 1977 eingelangten Schriftsatz mit der Einschränkung des Klagebegehrens und der Klagsrückziehung diesen besonderen Voraussetzungen entsprechend als Aufnahmeantrag behandelt, ohne die Klagsrückziehung beschlußmäßig zur Kenntnis zu nehmen. Es wurden aber die Zustellungsverfügungen getroffen. Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, ist die Klagsrücknahme eine Prozeßhandlung des Klägers, die unmittelbar den Rechtsstreit beendet. Dieser bedarf daher keines konstitutiven Beschlusses des Gerichtes, mit dessen Rechtskraft die Wirkungen des § 237 Abs 3 ZPO eintreten würden, wenngleich ein solcher Beschluß, dem nur deklarative Wirkung zukommt, zweckmäßig sein kann (vgl. Fasching III, 149).

Insoweit die Revisionsrekurswerberin darauf hinweist, daß die dem Schriftsatz vom 27. Mai 1977 mit der Klagsrückziehung beigelegte Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Reidinger mit 13. August 1973 datiert und zufolge der späteren Konkurseröffnung erloschen und daher nicht mehr wirksam sei, so trifft es zwar zu, daß § 1024 ABGB den Konkurs über das Vermögen des Machtgebers als Ursache des Erlöschens der Vollmacht erklärt. Die Prozeßvollmacht fällt aber nicht unter diese Bestimmung, da § 35 ZPO den Konkurs über das Vermögen des Vollmachtgebers nicht unter ihren Aufhebungsgründen nennt (vgl. Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 84, 275, Bartsch-Pollak, KO3, I, 150; Fasching II, 287, Stanzl in KlangIV/1, 877, Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 25). Auch der erstmals im Revisionsrekurs vorgebrachte Hinweis, daß die Vollmacht nicht von der Geschäftsführerin der N* Ges.m.b.H., W*, sondern von deren Ehemann E*, der keine Funktion in dieser Gesellschaft ausübe, unterfertigt worden sei, betrifft keinen entscheidenden Umstand. Der Nachweis der Bevollmächtigung durch den gewählten Parteienvertreter ist im § 30 ZPO geregelt. Der Rechtsanwalt hat seine Bevollmächtigung durch eine Urkunde (Vollmacht) darzutun. Es muß sich um die schriftliche Aufzeichnung der rechtserheblichen Tatsache der Bevollmächtigung handeln, die durch eine Unterschrift oder ein beglaubigtes Handzeichen gedeckt ist. Es ist nicht erforderlich, daß die Vollmachtsurkunde von der vollmachterteilenden Partei selbst unterschrieben ist. Es reicht hin, wenn eine andere Person durch ihre Unterschrift bestätigt, daß sie von der Erteilung der bestimmt bezeichneten Vollmacht an den Bevollmächtigten Kenntnis habe (vgl. Fasching II 261, 262, JBl 1968, 473).

Das Rekursgericht ist sohin im Hinblick auf die dargelegte zeitliche Abfolge der maßgeblichen Vorgänge zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß eine Streitanhängigkeit in bezug auf das Verfahren 40 a Cg 52/74 des Landesgerichtes für ZRS. Wien nicht vorliege, sodaß die diesbezügliche Einrede der beklagten Partei zurückzuweisen ist.

Es kann demnach dahingestellt bleiben, ob dies auch deshalb der Fall wäre, weil die N* Ges.m.b.H. jenen Teil ihrer Forderungen, der den Gegenstand des vorliegenden Klagebegehrens darstellt, bereits an den Kläger abgetreten gehabt haben soll, bevor sie ihn selbst eingeklagt hat. Diesbezüglich liegen zudem widerstreitende Prozeßbehauptungen vor, die nicht geklärt worden sind.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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