OGH 5Ob69/17h

OGH5Ob69/17h23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers W* S*, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner H* W*, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 3, 6 iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2017, GZ 38 R 218/16i‑30, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Mai 2016, GZ 42 Msch 2/15f-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E118314

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

Der Antragsgegner ist Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Mehrparteienhaus. Der Antragsteller ist Mieter der im Dachgeschoß gelegenen Wohnung, die von seiner Vormieterin im Einvernehmen mit der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft samt einer Terrasse hergestellt wurde.

Der Antragsteller begehrte, dem Antragsgegner die Durchführung von Arbeiten auf der Terrasse aufzutragen, weil es seit April 2014 wegen Undichtheiten zu Wassereintritten in die darunter befindlichen Räume des Mietgegenstands gekommen war.

Die Vorinstanzen verpflichteten den Antragsgegner zur Vornahme von im Einzelnen genannten Erhaltungsarbeiten auf der Terrasse, um die Dichtheit des Bodenaufbaus herzustellen, und zur Durchführung von Arbeiten im Inneren des Bestandobjekts zur Abklärung, ob Nässeschäden an der Dippelbaumdecke vorhanden seien, und zur Beseitigung von Wasserschäden. Beide Instanzen gingen davon aus, dass es sich bei der Terrasse um einen allgemeinen Teil des Hauses handle, und Fragen nach der Verursachung ebenso wenig zu erörtern seien, wie allgemein solche des Schadenersatzes oder dessen Verjährung.

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobenen außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurswerber stellt nicht mehr in Frage, dass es sich bei dem Terrassenboden um einen allgemeinen Teil des Hauses gemäß § 3 Abs 2 Z 1 MRG handelt, der seiner Erhaltungspflicht obliegt.

2. In einem Verfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend allgemeine Teile des Hauses nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG sind Fragen der Verursachung und des Verschuldens grundsätzlich nicht zu prüfen (RIS‑Justiz RS0069992 [T7]). Der Grund für den Ausschluss der Erörterung von Verursachungs- und Verschuldensfragen im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG liegt darin, dass sich die gemäß §§ 3 und 6 MRG durchsetzbare Erhaltungspflicht des Vermieters auf Arbeiten beschränkt, die nicht allein einem Mieter, sondern allen Benützern des Hauses zugutekommen und letztlich sogar im Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Hausbestandes liegen (RIS‑Justiz RS0069294 [T1]). Ein allenfalls erforderlicher Interessensausgleich zwischen Verursacher und erhaltungspflichtigem Vermieter lässt sich nur über das Schadenersatzrecht (und damit im streitigen Rechtsweg) herstellen (vgl RIS‑Justiz RS0069992 [T6]).

3.1 Der Antragsgegner bestreitet diese Grundsätze nicht, meint aber, dass hier in Ermangelung einer Regressmöglichkeit, weil der Ausbau des Dachbodens und der seiner Ansicht nach unsachgemäß errichtete Aufbau des Terrassenbodens vor mehr als 30 Jahren erfolgt sei, seine Interessen bereits im Verfahren gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG zu berücksichtigen seien, und ihm der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu ermöglichen sei.

3.2 Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass in der Entscheidung 5 Ob 2002/96i (= RIS‑Justiz RS0069294 [T1] = RS0069992 [T2]) die Möglichkeit offen gelassen wurde, ausnahmsweise den Einwand des Rechtsmissbrauchs zuzulassen, wenn der antragstellende Mieter den zu behebenden Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 1295 Abs 2 ABGB) absichtlich selbst herbeigeführt hat, um sodann die Erhaltungspflicht des Vermieters einzufordern, und die Entscheidung 5 Ob 132/09m diese Möglichkeit unter Verweis auf die Vorentscheidung ebenfalls aufzeigte, jedoch mangels eines entsprechenden Vorbringens nicht weiter verfolgte. Steht – wie hier – aber fest, dass der Antragsteller erst im Jahr 2005 und damit selbst nach Darstellung im Revisionsrekurs lange nach dem Dachbodenausbau und der Errichtung der Terrasse durch seine Vorgängerin in die Mietrechte eingetreten ist, kann von einer absichtlichen Schadensherbeiführung durch die Art des Dachbodenausbaues durch den Antragsteller, um die Erhaltungspflicht des Vermieters auszulösen, und damit von einer missbräuchlichen Rechtsausübung durch ihn von vornherein keine Rede sein. Damit ist es für den vorliegenden Fall aber nur noch von theoretischer Bedeutung, ob dem Vermieter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG ein solcher Einwand tatsächlich offensteht. Fragen bloß rein theoretischer Natur sind nicht erheblich im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RIS‑Justiz RS0111271).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Revisionsrekursbeantwortung des Antragstellers diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Dafür gebührt kein Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0124792).

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