OGH 5Ob68/65

OGH5Ob68/6512.7.1965

SZ 38/121

Normen

Codice Civile Art156
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
Codice Civile Art156
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18

 

Spruch:

Die Anwendung des Art. 156 des italienischen Codice Civile, wonach der Klägerin im konkreten Fall trotz der festgestellten Ehebrüche ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Gatten zuzusprechen ist, widerspricht nicht dem österreichischen ordre public

Entscheidung vom 12. Juli 1965, 5 Ob 68/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck

Text

Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Streitteile sind italienische Staatsbürger. Sie sind seit 1943 miteinander verheiratet und lebten bis Sommer 1961 in Südtirol. Im Juli oder August 1961 verzog der Beklagte nach Österreich. Die Klägerin folgte ihm im Herbst des gleichen Jahres, kehrte im Mai 1963 nach Südtirol zurück und übersiedelte im Herbst 1963 abermals nach Österreich, wo sie zunächst bei ihrer Mutter unterkam, dann aber in der vom Beklagten für sie und ihre Tochter gemieteten Wohnung lebte. Am 2. Dezember 1963 vereinbarten die Streitteile, fortan getrennt zu leben. Der Beklagte verpflichtete sich hiebei zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 600 S an die Klägerin. Im Herbst 1962 beging die Klägerin ohne Wissen des Beklagten zweimal mit einem gewissen N.N. Ehebruch.

Da der Beklagte den Unterhaltsbetrag für Juli 1964 nicht bezahlte, begehrte die Klägerin mit der vorliegenden Klage seine Verurteilung zur Zahlung von 600 S samt 4% Zinsen seit dem 6. Juli 1964. wobei sie dieses Begehren zunächst auf die vorhin erwähnte außergerichtliche Unterhaltsvereinbarung, dann aber zufolge der Einwendung des Beklagten, sie habe diesen Anspruch durch ihre ehebrecherischen Beziehungen mit N. N. verwirkt, auf den Rechtstitel des Gesetzes stützte und dazu noch vorbrachte, daß ihr der Beklagte volle Sexualfreiheit zugestanden habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es nahm infolge der festgestellten Ehebrüche der Klägerin an, daß sie dadurch ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Denn wenn auch in diesem Falle gemäß § 7 (1) der 4. DVzEheG. italienisches Recht anzuwenden sei und dieses wie das österreichische Recht keine Bestimmung enthalte, laut welcher der Ehegatte bei besonders schweren Eheverfehlungen, wie Ehebruch und dergleichen, den Unterhaltsanspruch verliere, so sei dies doch einheitliche österreichische Rechtsauffassung, mit der eine gegenteilige, auf den Vorschriften des italienischen Codice Civile beruhende Rechtsauffassung nicht vereinbar und daher gemäß § 18 der 4. DVzEheG. in Österreich nicht anwendbar sei.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Seiner Ansicht nach sei zufolge dem hier anzuwendenden italienischen Recht (SZ. XXVII 217 u. a.) der Ehemann gemäß Artikel 145 Codice Civile verpflichtet, der Frau im Verhältnis zu seinem Vermögen alles zu beschaffen, was für die Bedürfnisse ihres Lebens notwendig sei. Diese Verpflichtungsruhe gemäß Artikel 146 C. C. nur dann, wenn sich die Frau ohne ausreichenden Grund aus der ehelichen Wohnung entfernt habe und sich weigere, dorthin zurückzukehren. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben, weil entsprechende Behauptungen, insbesondere bezüglich einer Aufforderung zur Rückkehr in die häusliche Gemeinschaft, vom Beklagten nicht aufgestellt worden seien. Wegen Ehebruches könne der andere Ehegatte zwar gemäß Artikel 151 C. C. die Trennung der Ehe verlangen, doch verliere dadurch der Ehegatte, durch dessen Schuld die Trennung ausgesprochen werde, gemäß Artikel 156 Abs. 2 C. C. den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nicht.

Demgegenüber stehe nach österreichischem Recht dem Ehegatten, aus dessen Verschulden die Ehe geschieden sei, gemäß §§ 66 ff. EheG. kein Unterhaltsanspruch zu. Es sei daher verständlich und begrundet, daß die österreichischen Gerichte dann, wenn österreichisches Recht anzuwenden sei und die Ehegattin so schwere Eheverfehlungen begangen habe, daß dem Manne die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden könne, den Verlust des Unterhaltsanspruches annehmen, obwohl es einen derartigen Rechtssatz auch im österreichischen Recht nicht gebe.

Daraus folge aber auch, daß wegen der Verschiedenheit der Rechtsgrundlagen die österreichische Rechtsprechung nicht auf das italienische Recht übertragen werden könne. Weil nach diesem Recht die Frau auch im Falle, als die Trennung der Ehe wegen ihres Verschuldens ausgesprochen werde, ihren gesetzl. Unterhaltsanspruch behalte und eine Trennung durch bloßes Einverständnis der Ehegatten ohne Bestätigung durch das Gericht gemäß Artikel 158 C. C. auf die gesetzl. Unterhaltsverpflichtung überhaupt keinen Einfluß habe, müsse also angenommen werden, daß die Klägerin trotz der vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Ehebrüche ihren gesetzlichen, der Höhe nach nicht bestrittenen Unterhaltsanspruch behalten habe.

Die inländische öffentliche Ordnung werde durch eine solche Entscheidung nicht betroffen und es liege demnach auch kein Grund vor, der die Vorbehaltsklausel des § 18 der 4. DVzEheG. in Wirksamkeit setzen könnte.

Aus den angeführten Erwägungen sei das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern gewesen, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Insoferne das Berufungsgericht - im Sinne der zu SZ. XXVII 217 ergangenen Entscheidung - mit Recht angenommen hat, daß gemäß § 7

(1) der 4. DVzEheG. auf die persönlichen Rechtsbeziehungen der beiden Parteien italienisches Recht anzuwenden sei, wird die Rechtsansicht der II. Instanz vom Revisionswerber ebensowenig bekämpft wie darin, daß das Berufungsgericht - gleichfalls ohne Rechtsirrtum - gemäß den von ihm angeführten Bestimmungen des italienischen Codice Civile ein Ruhen der Unterhaltspflicht des Ehemannes nur dann für gegeben erachtete, wenn sich die Gattin ohne ausreichenden Grund aus der ehelichen Wohnung entfernt habe und sich weigere, dorthin zurückzukehren.

In der Revision wird jedoch ausgeführt, daß die Anwendung des italienischen Rechtes - die in diesem Fall dazu führt, daß der Klägerin trotz der festgestellten Ehebrüche ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Gatten, mit dem sie durch das Eheband verbunden ist, zuzusprechen ist - gemäß § 18 der 4. DVzEheG. entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes gegen den ordre public verstoße; eine Entscheidung, mit welcher der Ehefrau, welche die Ehe gebrochen habe, dennoch ein Unterhalt zugesprochen werde, sei mit dem Geist des österreichischen Rechtssystems geradezu unvereinbar und zwar darauf, ob nur Ausländer unmittelbar von der Entscheidung betroffen werden.

Auch hierin kann die Revision keinen Erfolg haben. Gemäß § 18 der 4. DVzEheG. ist die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes verstoßen würde. Es kann also eine abweichende Regelung im ausländischen Recht nur unter diesen Voraussetzungen abgelehnt werden, aber nicht schon bloß deshalb, weil im ausländischen Recht eine Rechtsfrage anders gelöst wird wie nach dem betreffenden Gesetz des österreichischen Rechtes (SZ. XXXI 33 u. a.). Nun ist aber auch dem österreichischen Recht eine gesetzliche Bestimmung, laut der die Ehefrau bei Bestand der Ehe ihren Unterhaltsanspruch durch eine schwere Eheverfehlung verliere, fremd (8 Ob 310/64); die Rechtsprechung hat zu § 91 ABGB. im wesentlichen folgenden Standpunkt entwickelt: Grundsätzlich hat der Ehemann seiner Frau den Unterhalt nur im gemeinsamen Haushalt zu gewähren, gibt die Ehefrau die Gemeinschaft ohne triftigen Grund auf, so kann sie nichts verlangen. Das gleiche gilt, wenn dem Manne wegen besonders schwerer Eheverfehlungen der Frau die Aufnahme in die Gemeinschaft nicht zugemutet werden kann (3 Ob 70/62 = EvBl. 1962 Nr. 433 und die dort angeführten Entscheidungen sowie zahlreiche andere). Aus der angeführten Judikatur ergibt sich, daß zwischen der Verfehlung der Frau und dem Fehlen der Ehegemeinschaft ein ursächlicher Zusammenhang gegeben sein muß; im vorliegenden Fall kann dies auf Grund des von den Untergerichten festgestellten Sachverhaltes aber nicht angenommen werden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Ehebrüchen der Frau und dem Fortbestehen der Trennung könnte nur angenommen werden, wenn der Beklagte behaupten und beweisen könnte, daß es ohne diese Ehebrüche zu keiner Auflösung der ehelichen Gemeinschaft oder aber zu deren Wiederaufnahme gekommen wäre; eine solche Behauptung hat der Beklagte nicht aufgestellt. Aus den untergerichtlichen Feststellungen geht dies auch nicht hervor und der Beklagte hat als Partei nur angeführt, wenn er von den ehebrecherischen Beziehungen der Klägerin gewußt hätte, so hätte er sich nicht zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet, denn er sei der Meinung, daß ihm die Klägerin trotz getrennter Lebensführung zur ehelichen Treue zumindest so lange verpflichtet sei, als er für ihren Unterhalt aufkomme. Der Beklagte hat aber selbst nicht angegeben, daß er, wenn die Klägerin keine Verfehlungen begangen hätte, die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen hätte.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann also unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles nicht gesagt werden, daß die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung eines Unterhaltes an die Klägerin während des aufrechten Bestandes der Ehe gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes oder gegen die guten Sitten verstößt, sodaß die Anwendung der Vorbehaltsklausel des § 18 der 4. DVzEheG. vom Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht verneint wurde.

Somit war der Revision der Erfolg zu versagen.

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