OGH 5Ob678/77

OGH5Ob678/776.12.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Ernst Zöhrer, Rechtsanwalt an Wien, wider die beklagte Partei S* Ges.m.b.H., *, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5.112,-- samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Juli 1977, GZ 42 R 451/77‑14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. März 1977, GZ 35 C 532/76‑10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00678.77.1206.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.053,12 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 120,-- Barauslagen und S 69,12 Umsatzsteuer) und die mit S 1.584,38 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 240,-- Barauslagen und S 99,58 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei führte am 19. 8. 1975 über Auftrag der * U* Ges.m.b.H. die Abladung, Einbringung und Aufstellung eines GFK Tankes in deren Werk in W* durch. Dieser Tank war von der Firma C* bis zur Grundstücksgrenze der Firma U* geliefert worden. Der Tank wurde dann im Rahmen des der beklagten Partei erteilten Auftrages zunächst im Fabriksgelände vom LKW heruntergehoben und auf Holzwalzen aufgesetzt. Auf diesen Walzen wurde er dann in das Gebäude hineingerollt. Dort sollte er mittels eines Flaschenzuges aufgestellt werden. Dabei löste sich die von den Arbeitern der beklagten Partei an dem Tank angebrachte Befestigung und der schon halb aufgerichtete Tank fiel um. Die Reparaturkosten der dabei verursachten Schäden betrugen S 5.112,--. Die * U* Ges.m.b.H. schloß für diesen Transport eine eigene Versicherung ab, „da die beklagte Partei nur nach den allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen arbeitet“.

Die klagende Partei ersetzte der * U* Ges.m.b.H. den angeführten Schaden auf Grund der abgeschlossenen Transportversicherung und begehrte auf der Grundlage des § 67 VersVG mit der am 11. 8. 1976 eingebrachten Klage den Rückersatz ihrer Versicherungsleistung mit dem Klagsbetrag von S 5.112,-- samt Anhang.

Die beklagte Partei wendete in erster Linie ein, daß der Anspruch gemäß § 64 der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen verjährt sei. Die gegenständliche Lieferung (Leistung) sei ausschließlich auf der Grundlage der AÖSp. erfolgt und darauf auch auf dem Gegenschein und den anderen Geschäftspapieren hingewiesen worden. Darüber hinaus treffe die Beklagte kein Verschulden an dem Transportschaden.

Außer Streit gestellt wurde, „daß zwischen der U* Ges.m.b.H. und der beklagten Partei die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen vereinbart wurden, soweit diese eben vereinbart worden seien“ (AS 18).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß die AÖSp. gemäß ihrem § 2 für alle Verrichtungen des Spediteurs im Verkehr mit Kaufleuten und Nichtkaufleuten gelten, gleichgültig, ob es sich um ein Speditions- oder ein sonstiges mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängendes Geschäft handle. Bei dem Spezialauftrag des Verbringens und Aufstellens des Tanks innerhalb des Fabriksgeländes des Auftraggebers sei ein derartiges mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängendes Geschäft getätigt worden. Darüber hinaus hätten nach dem Inhalt der zwischen Auftraggeber und beklagter Partei getroffenen Vereinbarung jedenfalls die AÖSp. als vereinbart zu gelten. Gemäß § 64 der AÖSp. sei die Frist des § 414 HGB zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Beschädigung des Gutes auf sechs Monate herabgesetzt. Diese Verjährungsfrist beginne mit der Kenntnis des Berechtigten von dem Anspruch, spätestens mit der Ablieferung des Gutes. Die Verjährungseinrede sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil ab und sprach der klagenden Partei den Klagsbetrag zur Gänze zu. Entscheidungswesentlich sei die Frage, ob auf das zwischen der U* Ges.m.b.H. und der beklagten Partei abgeschlossene Geschäft die AÖSp. Anwendung zu finden hätten. Als ein im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehendes, mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängendes Geschäft sei nur ein solches anzusehen, das Speditionsunternehmungen als übliches Geschäft des Speditionsbetriebes zu übernehmen pflegen. Es seien dies die Geschäfte, die nicht unmittelbar in der Besorgung der Verwendung oder Annahme von Gütern dritter Personen bestünden, aber bei der Vorbereitung oder Ausführung von Versandgeschäften oder Empfangsgeschäften üblicherweise anfielen, wie ua das Laden (Krien-Hay, ADSp Anm 15 zu § 2). Im vorliegenden Fall sei aber das Schwergewicht des der Beklagten übertragenen Geschäftes nur in der Aufstellung des Tanks gelegen. Damit liege kein Geschäft vor, das üblicherweise mit der Tätigkeit des Spediteurs verbunden sei, zumal die Beklagte erst nach Zubringung des Tanks bis zur Grundstücksgrenze eingeschaltet worden sei, weil sie offensichtlich neben dem üblichen Speditionsbetrieb auch auf die Vollbringung solcher Werke eingerichtet sei. Bei Geschäften, auf die gemäß § 2 die AÖSp. nicht anwendbar seien, könne eine Heranziehung ihrer Bestimmungen nur bei ausdrücklicher Vereinbarung in Betracht kommen. Nun sei wohl im gegenständlichen Verfahren außer Streit gestellt worden, daß zwischen der U* Ges.m.b.H. und der Beklagten die AÖSp. vereinbart wurden, „soweit diese eben vereinbart worden seien“. Damit liege ein Tatsachengeständnis vor, dessen Wirksamkeit gemäß § 266 Abs 2 ZPO zu werten sei. Im Hinblick auf das der Außerstreitstellung vorangegangene Vorbringen beider Teile könne diese nicht im Sinne eines Geständnisses einer ausdrücklichen Vereinbarung der AÖSp. verstanden werden, die zwar auf Grund der Vertragsfreiheit unbeschadet des Wortlautes des § 2 denkbar sei. Die kürzere Verjährungsfrist nach § 64 AÖSp. könne nicht zur Anwendung kommen. Da die beklagte Partei der ihr im Hinblick auf § 1298 ABGB zukommenden Behauptungs- und Beweispflicht, daß sie an dem Schadenseintritt kein Verschulden treffe, nicht nachgekommen sei, gelangte das Berufungsgericht im Zuspruch des der Höhe nach unbestrittenen Klagsbetrages.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung gemäß § 503 Z 4 ZPO mit den Revisionsanträgen, das angefochtene Urteil abzuändern und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt den AÖSp. keine normative Kraft zu. Es bedarf eines besonderen Tatbestandes, der die Anwendbarkeit der Speditionsbedingungen im Einzelfall auslöst. Die Anwendung der AÖSp. kann von den Vertragspartnern ausdrücklich vereinbart werden. Es kann auch zur stillschweigenden Unterwerfung unter die AÖSp. kommen. Dies ist dann der Fall, wenn der entsprechende Abschlußwille des Spediteurs anzunehmen ist und der Kontrahent vom Bestehen solcher Speditionsbedingungen und vom Abschlußwillen des Spediteurs Kenntnis hatte oder nach der Art seines Handelsgewerbes Kenntnis haben mußte (vgl. HS 7604, 7605, 7606). Das Berufungsgericht hat wohl auf der Tatsachenebene den Schluß gezogen, daß die angeführte Außerstreitstellung der Parteien nach dem diesbezüglichen vorangegangenen divergierenden Vorbringen über das Vorliegen einer Vereinbarung über die Geltung der AÖSp. für das gegenständliche Rechtsverhältnis nicht im Sinne eines Zugeständnisses einer ausdrücklichen derartigen Vereinbarung verstanden werden könne. Dabei blieb aber außer Betracht, daß die klagende Partei in ihrer Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil als richtig zugegeben hat, daß zwischen der Firma U* als Auftraggeberin und der beklagten Partei als Auftragnehmer die AÖSp. vereinbart worden seien, wobei aber nach § 53 AÖSp. ein Haftungsausschluß der beklagten Partei anzunehmen sei (AS 46). Tatsachengeständnisse können auch noch im Berufungsverfahren abgegeben werden, weil sie zufolge des gegnerischen Sachvorbringens jene Tatumstände sind, die in den Prozeßakten und im Urteil ihre Berücksichtigung gefunden haben und daher keine Neuerungen darstellen (vgl. Fasching III, 245). Dazu kommt nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes, daß die Firma U* eine eigene Versicherung für den gegenständlichen Transport abgeschlossen hat, da die beklagte Partei nur nach den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen arbeitete.

Es ist daher davon auszugehen, daß die Parteien hinsichtlich des gegenständlichen Rechtsgeschäftes die Anwendung der AÖSp. vereinbart haben. Damit kann dahingestellt bleiben, ob dieses Rechtsgeschäft als ein mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängendes Geschäft zu beurteilen ist. Der Auffassung der klagenden Partei, daß die AÖSp. einschließlich ihrer Verjährungsbestimmung trotz der diesbezüglichen Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Hinblick auf die Bestimmung des § 53 a AÖSp. nicht anzuwenden seien und der Klagsanspruch nur nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes zu beurteilen sei, kann nicht gefolgt werden, weil diese Bestimmungen zufolge der vorliegenden Vereinbarung eines Transportes innerhalb eines Betriebsgeländes nicht zur Anwendung gelangen kann, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat.

Da das Erstgericht im Hinblick auf die zeitlichen Gegebenheiten der Schadensverursachung und der Einklagung zutreffend zur Klagsabweisung zufolge der berechtigten Verjährungseinrede gelangt ist, war der Revision Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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