European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00642.77.0906.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.769,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 285,12 Umsatzsteuer und S 1.920,‑‑ Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die am 9. Juni 1952 geschlossene Ehe der Streitteile ist aufrecht. Dieser Ehe entstammen drei Kinder, geboren * 1952, * 1953, und * 1959. Der Beklagte ist im Jahr 1962 aus der bis dahin in S* gelegenen Ehewohnung ausgezogen und lebt seither in K* mit einer anderen Frau zusammen. Dieser Verbindung entstammt ein * 1965 geborenes uneheliches Kind. Die Klägerin blieb zunächst mit ihren Kindern in der Ehewohnung in S* und übersiedelte im Jahr 1969 mit Zustimmung des Beklagten nach T*, wo sie seither mit ihrem Stiefvater auf einer nach dem Tod ihrer Mutter geerbten Liegenschaft wohnt.
Die Klägerin begehrte mit der am 19. Mai 1976 eingebrachten Klage Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.500,‑‑, weil der Beklagte sich weigere, den gemeinsamen Haushalt mit ihr wieder aufzunehmen und ihr nur unzulängliche Unterhaltsleistungen erbringe.
Das Erstgericht sprach der Klägerin entsprechend dem Klagsbegehren und seinen späteren Ausdehnungen ab 15. Mai 1976 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.500,‑‑, ab 7. Oktober 1976 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 3,500,‑‑ und ab 1. November 1976 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000,‑‑ zu.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil auf der Grundlage der für unbedenklich befundenen und daher übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen.
Im Revisionsverfahren ist demnach davon auszugehen, daß der Beklagte bei weiterhin aufrechter Ehe die häusliche Gemeinschaft der Streitteile im Jahr 1962 durch den Auszug aus der ehelichen Wohnung aufgehoben hat, wobei die Klägerin bis dahin dort den gemeinsamen Haushalt geführt hat. Der Beklagte erteilte am 18. April 1969 der Klägerin die Genehmigung, mit den Kindern nach T* zu ziehen und dort ihren ständigen Wohnsitz aufzuschlagen. Sie ist nach wie vor bereit, die Ehegemeinschaft mit dem Beklagten wieder aufzunehmen und zwar in T* oder auch in K*, wenn der Beklagte eine entsprechende Wohnung besorgt. Dieser lebt in K* mit einer anderen Frau im Haushaltsverband.
Nach den weiteren Feststellungen der Untergerichte bezog der Beklagte als Rundfunksprecher und aus weiteren Tätigkeiten monatlich netto rund S 23.500,‑‑ im Jahr 1976 und rund S 24.800,‑‑ im Jahr 1977. Der Beklagte hat beruflich bedingte Fahrtkosten von S 1.200,‑‑ monatlich, erhöhte Kosten für Diätkost von S 2.000,‑‑ monatlich. Er bezahlte für sein uneheliches Kind S 2.000,‑‑, bzw ab 1. Jänner 1977 S 2.500,‑‑ monatlich und für zusätzliche Aufwendungen S 500,‑‑ monatlich. Er hat keine weiteren Sorgepflichten. Für die ehelichen Kinder muß er keinen Unterhalt mehr leisten. Die Klägerin hatte im Jahr 1976 ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 729,--.
Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht auf der Grundlage des § 94 ABGB davon aus, daß die Ehe der Streitteile aufrecht ist und die Klägerin zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im Jahr 1962 den gemeinsamen Haushalt geführt hat. Eine mißbräuchliche Geltendmachung ihres Unterhaltsanspruches habe der Beklagte nicht eingewendet. Er hat auch keine Gründe für die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft angegeben, sondern vielmehr seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin am 18. September 1969 anerkannt.
Das Berufungsgericht billigte diese rechtliche Beurteilung insbesondere auch in der Richtung, daß eine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruches weder behauptet worden noch hervorgekommen sei. Der Auffassung des Beklagten, die Klägerin habe durch ihre Übersiedlung nach T* die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushalts zunichtegemacht, könne solange keine Bedeutung zukommen, als der Beklagte nicht einmal zu behaupten vermöge, die Klägerin zur Wiederaufnahme dieser Gemeinschaft aufgefordert zu haben. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin bestehe also auch unter Bedachtnahme auf die in § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB normierte Einschränkung dem Grunde nach zu Recht.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Revisionsantrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Revision ist davon auszugehen, daß durch § 502 Abs 2 Z 1 ZPO eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen wird, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Die Revision ist aber dann zulässig, wenn die Anfechtung die Entscheidung den Grund des Anspruches oder verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft. Da das Gesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe vom 1. Juli 1975, BGBl Nr 412, in dem unter anderem der für die Beurteilung des vorliegenden Falles in erster Linie bedeutsame § 94 ABGB eingeführt wurde, hinsichtlich der Abgrenzung des Grundes des Unterhaltsanspruches von der Bemessung keine Änderungen gebracht hat, sondern lediglich Bemessungskriterien geändert wurden, können für diese Abgrenzung nach wie vor die bisher aufgestellten Grundsätze herangezogen werden (JB 60 neu = SZ 27/177). Demnach gehört zur Bemessung die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten, Leistungen anderer Personen) sowie der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.
Der Revisionswerber verweist im Großteil seiner Ausführungen darauf, daß es wegen der von der Klägerin angestrebten Übersiedlung nach T* zur Auflassung der Ehewohnung in S* gekommen sei und will daraus ableiten, daß die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches der Klägerin im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB ein Mißbrauch ihres Rechtes wäre. Er bekämpft damit den Grund des Anspruches, so daß die Revision in diesem Umfange als zulässig im Sinne der dargelegten Beurteilungskriterien anzusehen ist.
Das Berufungsgericht hat zutreffend auf den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz vom 1. Juli 1975, BGBl Nr 412, hingewiesen, in dem als vorrangiges Ziel der Bestimmung des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB genannt wird, die Frauen in ihrem Unterhaltsanspruch zu schützen, die von ihren Männern nach jahrelanger Betreuung der Kinder und Versorgung des Haushaltes allein gelassen werden (1662 d. Beil. z. d. sten. Prot. d. NR XIII GP, S 6). In diesem Zusammenhang muß vor allem dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es unbestrittenermaßen der Beklagte war, der die häusliche Gemeinschaft mit der Klägerin aufgegeben und die damalige Ehewohnung verlassen hat. Da in diesem Falle von der Klägerin, nicht verlangt werden kann, daß sie nach Auflösung des gemeinsamen Haushaltes einem eigenen Erwerb nachgeht und für ihren Unterhalt selbst sorgt, kann ihr umsoweniger zum Vorwurf gemacht werden, daß sie der allein vom Beklagten geschaffenen einschneidenden Veränderung ihrer Lebensverhältnisse Rechnung getragen und mit seiner Zustimmung eine andere Wohnung bezogen hat, die sie auf Grund eines Erbfalles erlangt hat und unter günstigeren Bedingungen benützen konnte. Wenn es auch zutreffen mag, daß für den Kläger damit Nachteile verbunden waren, wie etwa die erschwerte Ausübung des Besuchsrechtes bei seinen ehelichen Kindern, so kann doch darin keine von der Klägerin geschaffene Sachlage erblickt werden, die die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches als Mißbrauch ihres Rechtes ansehen ließe. Der Beklagte kann der Klägerin auch nicht zum Vorwurf machen, daß sie in mißbräuchlicher Weise den Vorteil für sich in Anspruch nehme, für ihn nicht mehr den Haushalt führen zu müssen, weil sich eine solche Entlastung allein aus seinem Verhalten ergeben hat. Den Untergerichten ist sohin darin beizupflichten, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf der Grundlage des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB dem Grunde nach zu Recht besteht.
Die Höhe des Unterhaltsanspruches ergibt sich aus § 94 Abs 1 ABGB Die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes kann sich wohl auf diese Höhe auswirken, insbesondere wenn eine Veränderung der Bedürfnisse des Unterhaltsverpflichteten oder der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten damit verbunden ist. Das Berufungsgericht hat entgegen dem Vorwurf der Revision die vom Erstgerichte angeführten Bemessungsgrundlagen erörtert und gebilligt. Insoweit im übrigen den Revisionsausführungen eine Anfechtung im Bemessungskomplex zu entnehmen ist, ist diese im Revisionsverfahren unzulässig und unbeachtlich.
Der unbegründeten Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO
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