European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118933
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Mit der Frage, ob das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, hat sich das Rekursgericht ausführlich auseinandergesetzt und einen Verfahrensmangel verneint. Ein angeblicher Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, der vom Rekursgericht nicht als solcher erkannt wurde, kann aber nach dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensmangel immer nur einmal und zwar in der nächsthöheren Instanz wahrgenommen werden kann, im Revisionsrekursverfahren nicht abermals geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043919, RS0050037, RS0030748).
2. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Anfechtung jeglicher Beschlüsse über Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung aus formellen Gründen nach § 24 Abs 6 WEG habe binnen Monatsfrist ab Hausanschlag zu erfolgen, während lediglich Beschlüsse über Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung gemäß § 29 Abs 1 WEG noch innerhalb der dort genannten (drei‑ bzw sechsmonatigen) Frist ab Hausanschlag aus inhaltlichen Gründen angefochten werden könnten, entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung wie die Beurteilung, dass es nicht zur Verlängerung der einmonatigen Anfechtungsfrist aufgrund formeller Mängel führt, wenn ein Miteigentümer einen Mehrheitsbeschluss (auch) nach § 29 WEG anficht (RIS‑Justiz RS0120359). Diese Auffassung wird auch in der Lehre übereinstimmend geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 24 WEG Rz 50; Löcker in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht3 § 24 WEG Rz 55; Prader WEG4 § 24 Anm 12; Illedits in Illedits/Reich‑Rohrwig 2 § 24 WEG Rz 25).
3. Der Revisionsrekurswerber zieht diese herrschende Rechtsprechung zwar nicht in Zweifel, sieht eine erhebliche Rechtsfrage aber darin, ob die Frist zur Beschlussanfechtung gemäß § 24 WEG mittels Hausanschlag der zuständigen Hausverwaltung verlängert werden könne.
3.1. Ob bzw welche Rechtsfolgen ein allfälliger Irrtum bei der Berechnung der Anfechtungsfrist allenfalls nach sich ziehen könnte, ließ der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 20/16a ausdrücklich dahingestellt, zumal der Meinungsstand in der Literatur hiezu nicht einheitlich sei (vgl die Hinweise in Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 24 WEG Rz 31). Auch hier bedarf diese Frage allerdings keiner abschließenden Klärung:
3.2. Im besonderen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gilt ausnahmslos das Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0070485). Da das Neuerungsverbot zwar die Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte nicht ausschließt, wohl aber neue Ansprüche und Einreden, Tatumstände und Beweise dem Verbot unterwirft (5 Ob 216/00a), wäre es Sache des Antragstellers gewesen, bereits im Verfahren erster Instanz die Umstände in tatsächlicher Hinsicht zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich seiner Meinung nach eine Verlängerung der Anfechtungsfrist auch für (formelle) Mängel nach § 24 WEG ergeben hätten können. Im Rechtsmittelverfahren kann er dies nicht mehr nachholen.
3.3. Im Verfahren erster Instanz gab es keinerlei Vorbringen des Antragstellers dahingehend, anlässlich seiner Verständigung im Sinn des § 24 Abs 5 WEG sei es zu einer unrichtigen oder unvollständigen Information über die Anfechtungsfrist gekommen. Eine unrichtige Rechtsbelehrung zum Hausanschlag behauptete er ebensowenig wie eine einstimmige Beschlussfassung sämtlicher Wohnungs‑eigentümer anlässlich der Eigentümerversammlung über die Verlängerung der Anfechtungsfrist in Bezug auf formelle Mängel nach § 24 WEG. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wegen Verletzung der Erörterungspflicht oder allenfalls überraschender Rechtsansicht in Bezug auf die Verfristung des Anfechtungsbegehrens machte der Antragsteller im Rekurs nicht geltend.
3.4. Einer näheren Auseinandersetzung mit den Rechtsfolgen einer im konkreten Fall allenfalls unvollständigen Information über die Anfechtungsfrist bedarf es hier somit schon mangels entsprechenden Vorbringens in tatsächlicher Hinsicht nicht; zu erwähnen ist der Vollständigkeit halber aber doch, dass die von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Information der Hausverwaltung sowohl den Tag des Hausanschlags als auch die Frist für die Anfechtung nach § 29 WEG richtig wiedergab; unterlassen wurde lediglich der Hinweis darauf, dass dies nichts an der einmonatigen Frist für die Anfechtung wegen formeller Mängel nach § 24 WEG ändert. Das im Revisionsrekurs erstmals behauptete Vertrauen des falsch informierten gutgläubigen Wohnungseigentümers kommt beim Antragsteller allerdings schon aufgrund seines Berufs als Rechtsanwalt und seiner – vorauszusetzenden – Rechtskenntnis nicht in Betracht.
4.1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Einzelfallfrage (RIS‑Justiz RS0042828). Nach der vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen enthielt der Anfechtungsantrag des Antragstellers kein ausreichend deutliches Vorbringen zu Anfechtungsgründen nach § 29 Abs 2 WEG, dies bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Der bloß beiläufige Hinweis auf von den Wohnungseigentümern aufzubringende Eigenmittel war nicht ausreichend, um die Voraussetzungen des § 29 Abs 2 Z 1 und 2 WEG ausreichend konkret darzustellen (wobl 2006/44 [krit Call]).
4.2. Im Übrigen hat sich das Erstgericht mit den Tatbeständen des § 29 Abs 2 Z 1 und 2 WEG ohnedies ausdrücklich befasst und beide verneint. Auf § 29 Abs 2 Z 1 WEG kommt der Antragsteller im Revisionsrekurs gar nicht zu sprechen. Er meint aber, aus seinem Vorbringen, die Kosten für das Projekt würden sich auf 1 Mio EUR belaufen, weshalb die Wohnungseigentümergemeinschaft gezwungen wäre, ein Bankdarlehen aufzunehmen, sei abzuleiten, dass die Kosten der geplanten Thewosansanierung nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten; damit hat er aber den Anfechtungsgrund des § 29 Abs 2 Z 2 WEG nicht ausreichend konkret angesprochen. Die Argumente, weshalb die geplante Fassadensanierung angeblich nicht dem Vorteil aller Wohnungeigentümer dient, finden sich erstmals im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss, sind daher ebenfalls wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich.
4.3. Insgesamt bedarf somit auch die Auslegung des Vorbringens des Antragstellers im Verfahren erster Instanz zum Aufhebungstatbestand nach § 29 Abs 2 Z 2 WEG keiner Korrektur im Einzelfall.
5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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