European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:E91350
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird gemäß § 71 Abs 2 AußStrG mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer an den Klopeiner See angrenzenden Liegenschaft, auf der zwei baulich getrennte, eingeschossige Häuser errichtet sind. Der Antragsteller verfügt über 3578/1000 Anteile, verbunden mit Wohnungseigentum an „Haus A", die Antragsgegnerin über 6422/1000 Anteile, verbunden mit Wohnungseigentum an „Haus B". Der allgemeinen Benützung dienende Teile der Liegenschaft im Sinne des § 2 Abs 4 WEG gibt es nicht, beide Gebäude sind über den ihnen jeweils zugehörigen Grundstücksstreifen erreichbar.
Die Tochter des Antragstellers beabsichtigt den Zu- und Umbau des „Hauses A", wobei insbesondere die Errichtung eines Obergeschosses samt Galerie mit einer Gesamtnutzfläche von 77,08 m² geplant ist. Für die rechtskräftige behördliche Bewilligung des Bauvorhabens ist eine Einwilligung der Antragsgegnerin erforderlich, die verweigert wird.
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin zur Zustimmung zum geplanten Um- und Zubau zu verhalten bzw ihre Zustimmung gerichtlich zu ersetzen. Durch das geplante Bauvorhaben würden keine allgemeinen Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen und keine schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin beeinträchtigt. Für den Fall, dass das Bauvorhaben eine nachträgliche Nutzwertänderung zu Lasten der bisherigen Mehrheit der Antragsgegnerin bedingen sollte, verzichte der Antragsteller vorweg auf die ihm daraus zukommenden Stimmrechte.
Das Erstgericht wies den Antrag einschließlich der gestellten Eventualbegehren ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Meinung des Revisionrekurswerbers beträgt die maßgebliche Wertgrenze für die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses im vorliegenden Fall gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG 10.000 EUR, weshalb dem Rekursgericht kein Irrtum bei der Bewertung unterlaufen ist.
Das vorliegende Rechtsmittel ist daher zwar nicht jedenfalls unzulässig. Gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ist aber der Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Beurteilung, ob eine derartige Rechtsfrage zu lösen ist, kann auf die Parallelbestimmungen der §§ 502 Abs 1 und 528 Abs 1 ZPO zurückgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0123569; 3 Ob 101/07k).
Auf die für zutreffend erachteten, mit der darin zitierten ständigen Judikatur im Einklang stehenden Rechtsausführungen des Rekursgerichts zu den Voraussetzungen einer Änderung nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG kann verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Gerade weil die gegenständliche Liegenschaft mit zwei baulich völlig getrennten Objekten eine eher atypische Form einer Wohnungseigentumsanlage darstellt, geht die Beurteilung der geplanten Änderung in ihrer Bedeutung nicht über die Umstände des Einzelfalls hinaus. Ihr Ergebnis bedürfte nur dann einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof, wenn ein nachgerade unvertretbares, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt worden wäre.
Der erkennende Senat hatte sich erst jüngst mit baulichen Änderungen an einem freistehenden Wohnungseigentumsobjekt („Atrium‑Haus") innerhalb eines im Zubehörwohnungseigentum stehenden Gartens, ohne Inanspruchnahme allgemeiner Flächen, zu befassen (5 Ob 19/09v). Er hat dazu ausgesprochen, dass eine derartige Änderung (nur) nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG zu beurteilen und nur zulässig ist, wenn sie weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge hat.
Nach den Feststellungen würde die Verwirklichung des vorliegenden Bauvorhabens eine Verdreifachung der Nutzfläche des „Hauses A" mit sich bringen, verbunden mit einer intensiveren Nutzung in den Sommermonaten und einer potentiellen Beeinträchtigung der Privatsphäre der Antragsgegnerin durch einen erweiterten Einblick in ihren Gartenanteil. Darüber hinaus würde die höchstzulässige gesetzliche Bebauungsdichte (knapp) überschritten und besteht keine rechtskräftige Baubewilligung. Die Beurteilung dieser Nachteile als wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Antragsgegnerin durch die Vorinstanzen ist nicht unvertretbar. Die Antragsgegnerin muss den beabsichtigten Ausbau insbesondere auch nicht deshalb dulden, weil das „Haus A" des Klägers nach dem Umbau insgesamt nicht höher als das Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten im derzeitigen Zustand wäre, zumal Größen- und Ausstattungsunterschiede bei den einzelnen Wohnungseigentumsobjekten einer Anlage durchaus den Normalfall darstellen und eine beabsichtigte Änderung jeweils am status quo zu messen ist.
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