Spruch:
Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten mieteten von der Klägerin und deren damaligem Gatten ab 1. 2. 1980 die im ersten Stock des ingesamt 3 Wohnungen umfassenden Hauses Ebbs, Unterwaidach 10 gelegene Wohnung um einen monatlichen Mietzins (einschließlich Umsatzsteuer und ausschließlich Betriebskosten) von 3.500 S und die linke Hälfte der Doppelgarage um einen monatlichen Mietzins von 300 S.
Punkt III Abs 2 des Mietvertrages lautet:
"Hinsichtlich des Mietzinses wurde Wertbeständigkeit nach dem Verbraucherindex für den Monat Jänner 1980 vereinbart. Das heißt, dieser entspricht dem vereinbarten Mietzins. Eine Auf- oder Abwertung des monatlichen Mietzinses für die weiteren Jahre erfolgt jeweils am Beginn des neuen Jahres und erhöht oder erniedrigt sich der Mietzins im selben Verhältnis, wie sich der VPI 80 des Monats Jänner 1981 zum VPI 80 des Monats Jänner des jeweils vorausgegangenen Jahres erhöht oder erniedrigt. Der so errechnete monatliche Mietzins bleibt jeweils für die Dauer des folgenden Jahres gleich."
Punkt VIII des Mietvertrages lautet:
"Außer den gesetzlichen und den hier besonders vereinbarten
Kündigungsgründen ist der Vermieter berechtigt, den Mietvertrag
einseitig mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn:
.....
b) der Mieter mit der Bezahlung des Mietzinses oder der Betriebskosten trotz Setzung einer mittels eingeschriebenen Briefes an die zuletzt bekannte Adresse gerichteten Mahnung neuerdings in Verzug gerät. Die Mahnung braucht nur an die Adresse Walter B*** gerichtet sein und mittels eingeschriebenen Briefes zur Post gegeben sein, ein Zustellnachweis ist nicht erforderlich."
Im April 1982 wurde das Haus den Söhnen der Klägerin geschenkt; der Klägerin steht das Fruchtgenußrecht am Haus zu. Mit Schreiben vom 10. 4. 1988 übersandte die Klägerin dem Erstbeklagten eine Indexberechnung für die Wohnung und die Garage mit dem Ersuchen, bereits die Aprilmiete nach der Indexberechnung einzuzahlen. Aus der Indexberechnung ergab sich für die Zeit von Jänner 1986 bis März 1988 eine Differenz zwischen dem vereinbarten Mietzins und dem vereinbarungsgemäß aufgewerteten Mietzins von
34.209 S.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Betrages von 34.209 S samt Anhang sowie die Räumung der Wohnung und der Garage. Eine dem Punkt VIII lit b des Mietvertrages entsprechende Mahnung vom 24. 1. 1989 sei erfolglos geblieben. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Das gegenständliche Mietverhältnis unterliege den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, das die rückwirkende Geltendmachung von Wertsicherungsbeträgen ausschließe. Zudem sei ein stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung der Wertsicherungsvereinbarung anzunehmen; lediglich aus Entgegenkommen hätten die Beklagten unpräjudiziell für ihren Rechtsstandpunkt ab April 1988 den erhöhten Mietzins bezahlt. Die Wertsicherungsbeträge für die Monate Jänner bis einschließlich März 1986 seien überdies verjährt, weil die Klage erst am 9. 3. 1989 bei Gericht eingelangt sei. Die Beklagten treffe jedenfalls an der Nichtzahlung von Wertsicherungsbeträgen kein grobes Verschulden.
Die Klägerin replizierte, daß das Haus im Jahr 1977 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden sei. Auf eine Geltendmachung der Wertsicherungsbeträge habe sie nie verzichtet. Die Beklagten stellten außer Streit, daß das Haus erst in den Siebzigerjahren errichtet wurde (AS 20) und ein Pfandrecht für öffentliche Mittel ob der Liegenschaft nicht eingetragen ist und war (AS 29). Die der Indexberechnung beigelegten Indexzahlen wurden gleichfalls außer Streit gestellt (AS 21).
Das Erstgericht wies sowohl das Zinszahlungs- als auch das Räumungsbegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich wie folgt:
Die Klägerin habe sich im Mietvertrag nicht das Recht vorbehalten, Wertsicherungsbeträge auch noch nachträglich einzuheben. Die unbeanstandete Annahme des nicht aufgewerteten Mietzinses durch die Vermieter bis April 1988 bedeute, daß man sich der Wertsicherungsbeträge bis dahin begeben habe. Die Mieter hätten darauf vertrauen können, daß eine allfällige Wertsicherung jedenfalls nicht mehr rückwirkend eingehoben werde. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es verurteilte die beklagten Parteien mit Teilurteil zur ungeteilten Hand, der Klägerin 34.209 S samt Anhang zu zahlen, und verwies die Rechtssache in Ansehung des Räumungsbegehrens mit Beschluß zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden hat, 50.000 S übersteigt und die Revision gegen das Teilurteil sowie der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig seien. Das Berufungsgericht führte zusammengefaßt aus:
§ 16 Abs 6 MRG sei nicht anwendbar, weil der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliege. Die Verwirkung eines Rechtes durch Zeitablauf sei dem österreichischen Recht fremd; ein schlüssiger Verzicht auf die rückwirkende Geltendmachung von Wertsicherungsbeträgen sei infolge Fehlens besonderer Umstände, die darauf hinwiesen, daß ein solcher Verzicht ernstlich gewollt gewesen sei, zu verneinen. Das Räumungsbegehren sei noch nicht spruchreif; eine Beschlußfassung im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG sei entbehrlich, doch fehle es an Feststellungen zur Frage, ob die Beklagten an dem Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden treffe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision und der Rekurs der Beklagten sind nicht berechtigt.
1.) Zur Revision:
Es ist zwar richtig, daß eine Vermutung für die volle Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes besteht, die nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestandes widerlegt werden kann (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 1 zu § 1 MRG mwN). Es trifft auch zu, daß die Beklagten ausdrücklich nur außer Streit stellten, daß das Haus, in dem die gemietete Wohnung liegt, in den Siebzigerjahren errichtet wurde und ein Pfandrecht für öffentliche Mittel ob der Liegenschaft nicht eingetragen ist und war. Bereits das Berufungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, daß nach § 35 Abs 1 der Tiroler Bauordnung die einmal erteilte Baubewilligung ihre Wirksamkeit verliert, wenn die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen 2 Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung begonnen worden ist, weshalb davon ausgegangen werden kann, daß das Haus aufgrund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist. Aus dem Umstand, daß Wohnbauförderungsdarlehen durch grundbücherliche Einverleibung eines Pfandrechtes sicherzustellen sind, kann im Zusammenhalt mit der Außerstreitstellung geschlossen werden, daß das Haus ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden ist. In der Auffassung des Berufungsgerichtes, am Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG bestehe kein Zweifel, weshalb § 16 Abs 6 MRG nicht anwendbar sei, ist daher keine rechtliche Fehlbeurteilung zu erblicken.
Es versagt auch der Einwand der Beklagten, die Wertsicherungsbeträge für Jänner bis März 1986 seien verjährt. Die für Mietzinse und Wertsicherungsbeträge von Mietzinsen geltende dreijährige Verjährungsfrist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem diese Wertsicherungsbeträge verlangt werden können (§§ 1478, 1486 Z 4 ABGB). Die Klägerin konnte die Wertsicherungsbeträge für Jänner bis März 1986 erst verlangen, bis der endgültige Indexwert für Jänner 1986 feststand. Das war aber erst Mitte März 1986 der Fall (vgl. dazu Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 32 und 33 zu § 16 MRG; Würth-Zingher, MRG'86, Anm. 9 zu § 16), sodaß die genannten Beträge bei Einlangen der Klage bei Gericht am 9. 3. 1989 noch nicht verjährt waren.
Aus der - wie die Beklagten meinen - "besonderen Ausgestaltung" der zwischen den Streitteilen geschlossenen Wertsicherungsvereinbarung, wonach die Auf- oder Abwertung des monatlichen Mietzinses jeweils am Beginn des neuen Jahres erfolgt und der so errechnete monatliche Mietzins jeweils für die Dauer des folgenden Jahres gleichbleibt, läßt sich für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein schlüssiger Verzicht auf die rückwirkende Geltendmachung von Aufwertungsbeträgen anzunehmen ist, nichts gewinnen. Diese Frage ist vielmehr auch im gegenständlichen Fall nach den von Lehre und Rechtsprechung dazu allgemein entwickelten Grundsätzen zu lösen.
Nach herrschender Auffassung ist dem österreichischen Recht die Verwirkung eines Anspruches durch bloße Nichtgeltendmachung fremd (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 24 zu § 863 mwN). Ein Rechtsverlust tritt dadurch - von der Verjährung abgesehen - nur dann ein, wenn darin ein schlüssiger Verzicht zu erblicken ist. Ein schlüssiger Verzicht auf Aufwertungsbeträge kann angenommen werden, wenn dies bei Überlegung aller Umstände des konkreten Falles gerechtfertigt erscheint; Voraussetzung ist hiefür, daß besondere Umstände darauf hinweisen, daß der Verzicht ernstlich gewollt ist und der Schuldner unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche sowie unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles den zweifelsfreien Schluß ziehen durfte und auch tatsächlich gezogen hat, daß der Berechtigte ernstlich auf seinen Anspruch verzichtet (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 11 zu §§ 988, 989; MietSlg. 32.130/19, 36.131/46; 1 Ob 523/89, 5 Ob 37/90 ua). Den Beklagten ist einzuräumen, daß dabei an einen schlüssigen Verzicht auf die Aufwertung eines wertgesicherten Bestandzinses hinsichtlich erst zu leistender Beträge strengere Anforderungen zu stellen sind als hinsichtlich bereits eingeforderter, bezahlter und unbeanstandet entgegengenommener Beträge (Schubert aaO; MietSlg. 36.131/46; 1 Ob 523/89, 5 Ob 37/90 ua). Wurden die Mietzinse - wie hier - bis April 1988 unbeanstandet in der ursprünglichen Höhe entgegengenommen, obgleich seit 1981 die Geltendmachung der vereinbarten Wertsicherung möglich gewesen wäre, so sind darin allein aber noch nicht jene besonderen, auf einen schlüssigen Verzicht hinweisenden Umstände gelegen, die im Sinne der vorstehenden Ausführungen auch zur Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf rückständige Wertsicherungsbeträge erforderlich sind.
2.) Zum Rekurs:
Im Hinblick auf die Entscheidung über das Zinszahlungsbegehren ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß sich vor der Entscheidung über das Räumungsbegehren eine Beschlußfassung im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG erübrigt. Dennoch hat es in Ansehung des Räumungsbegehrens beim Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu verbleiben, um den Beklagten die Möglichkeit zu geben, die rückständigen Wertsicherungsbeträge nachzuzahlen und darzutun, daß sie an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft (vgl. dazu Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 27, 28, 29 und 31 zu § 33 MRG; MietSlg. 39.478).
Es war daher sowohl der Revision als auch dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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