European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00561.77.0426.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 956,90 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 69,70 Umsatzsteuer und S 16,-- Barauslagen) und die mit S 918,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 60,92 Umsatzsteuer und S 96,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erwarb im August 1973 eine Kiste Apfelsaft aus der Erzeugung des Beklagten. Beim Konsum von drei bis vier Flaschen dieses Apfelsaftes fiel ihm der schlechte Geschmack auf. Der Kläger sandte daher eine weitere Flasche an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien. Im Begleitschreiben vom 3. 9. 1973, das er in der Absicht verfaßte, eine Anzeige nach dem Lebensmittelgesetz zu erstatten, verwies er darauf, daß er privatrechtliche Schritte gegen den Hersteller plane. Nach dem Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung war die Probe als verfälscht im Sinne des Lebensmittelgesetzes und als nicht verkehrsfähig zu beurteilen, weil der Apfelsaft die im österreichischen Lebensmittelbuch, III. Auflage, Kap. B 7, für die titrierbare Säure angegebene Mindestgrenze in erheblichem Ausmaß unterschritt. Außerdem wurde das Produkt als äußerst minderwertig beurteilt. Daß die Verfälschung bzw Verwässerung des Apfelsaftes durch Öffnen oder Beschädigung des Flaschenverschlusses auf dem Weg von der Erzeugung zum Haus des Klägers eingetreten wäre, konnte nicht festgestellt werden. Dem Kläger wurde das Ergebnis der Untersuchung im Jänner 1974 mitgeteilt. Er bezahlte die ihm von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien vorgeschriebenen Untersuchungsgebühren in Höhe von S 2.103,--.
Die erste Kontaktaufnahme des Klägers mit dem Beklagten war die vergebliche Aufforderung, ihm diese Kosten zu ersetzen.
Der Kläger begehrte mit der am 30. 9. 1975 eingebrachten Klage den Ersatz der Untersuchungskosten von S 2.103,-- samt Anhang mit dem Hinweis, daß er auf weitere Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten verzichtet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erachtete auf der Grundlage des eingangs dargelegten Sachverhaltes die abgesonderte Einklagung des Schadenersatzanspruches als zulässig, da der Kläger auf die Geltendmachung des Hauptanspruches verzichtet habe. Gemäß dem § 29 des hier noch anzuwendenden Lebensmittelgesetzes 1951 könnten die von Privatpersonen beglichenen Gebühren von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung nur zurückverlangt werden, wenn die durchgeführte Untersuchung zu einer Verurteilung oder einer Verfallserklärung geführt habe, wozu es im vorliegenden Falle nicht gekommen sei, obwohl der Apfelsaft als verfälscht im Sinne des § 11 Z 1 LMG 1951 anzusehen gewesen sei. Der Verkauf eines solchen verfälschten Produktes habe ein deliktisches Verhalten dargestellt, für das der Beklagte als Firmenchef hafte. Der Wert des Schadens des Hauptanspruches habe allerdings höchstens S 100,-- betragen können, wenn alle Flaschen der einen Kiste verdorben gewesen seien. Eine Gesundheitsschädlichkeit des Apfelsaftes sei nicht gegeben gewesen. Es sei zwar jedermann berechtigt, seine Ansprüche durch zweckentsprechende Maßnahmen sicherzustellen. Aus dem zu § 41 ZPO von Lehre und Judikatur entwickelten Grundsätzen ergebe sich aber, daß vorprozessuale Kosten nur dann verlangt werden könnten, wenn sie der schonendste der Partei zumutbare Weg waren, die Ansprüche sicherzustellen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Gedankens der Schadensminderungspflicht für vorprozessuale Kosten, die als Schadenersatzansprüche gesondert eingeklagt werden. Die Untersuchungskosten von S 2.103,-- stünden aber zu einem Hauptanspruch von höchstens S 100,-- in keinem Verhältnis, wobei dem Kläger die Möglichkeit offengestanden hätte, beim Beklagten zu reklamieren und auch kostenlos die Anzeige beim Marktamt zu erstatten. Die Untersuchungsgebühren seien vom Kläger daher weder zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewendet worden, noch als Folge des schuldhaften Verhaltens des Beklagten von diesem zu ersetzen, da ein Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Vermögensminderung nicht herzustellen sei. Daß der Kläger irrtümlich angenommen habe, sein Schreiben an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung käme einer kostenlosen Anzeigeerstattung gleich, falle ihm allein zur Last.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und, sprach diesem auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen den Klagsbetrag zu. Der Beklagte habe ein verfälschtes Lebensmittel in Verkehr gebracht und mit der schuldhaften Übertretung gesetzlicher Bestimmungen erwarten müssen, daß durch die Untersuchung seiner Ware Kosten aufliefen. Es sei daher der Kausalzusammenhang zwischen dem Verkauf des verfälschten Lebensmittels und dem Entstehen von Untersuchungskosten gegeben. Der Kläger habe bei der Einsendung der Probe an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung nicht gewußt, daß und in welcher Höhe ihm Gebühren für die Untersuchung angelastet würden. Er habe eine Anzeige erstatten wollen, was ihm angesichts der in den Medien über die Tätigkeit der Bundesanstalt und ihres Leiters verbreiteten Berichte als möglich erscheinen mußte. Es bestehe keine allgemeine Verpflichtung des Geschädigten, eine Strafanzeige zu erstatten, die für den Hersteller eines verfälschten Lebensmittels doch erheblich nachteiligere Folgen nach sich ziehen könne. Der Kläger, der damals noch privatrechtliche Ersatzansprüche stellen wollte, habe dazu ein Gutachten über die Beschaffenheit des als minderwertig angesehenen Apfelsaftes benötigt und habe dazu nach § 29 Abs 1 LMG 1951 vorerst die Untersuchungsgebühren selbst zu tragen gehabt. Sein Anspruch auf Ersatz dieser vorprozessualen Kosten könne nicht deshalb verneint werden, weil sie im Verhältnis zum Wert der beanstandeten Ware sehr hoch waren, zumal der Kläger mit derartigen Untersuchungskosten überhaupt nicht gerechnet habe.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Revisionsanträgen, das angefochtene Urteil abzuändern und das Ersturteil wiederherzustellen, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückzuverweisen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Insoweit der Revisionswerber darauf verweist, daß dem Kläger ein Beweis dafür nicht gelungen sei, daß er den Apfelsaft in dem Zustand erhalten habe, wie ihn der Beklagte ausgeliefert habe, geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist daher nicht dem Gesetze entsprechend ausgeführt.
Im übrigen ist davon auszugehen, daß Gegenstand des Rechtsstreites die Kosten eines Gutachtens zur Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses sind, die als vorprozessuale Kosten nun deshalb selbständig eingeklagt werden können, weil ein Hauptanspruch nicht mehr besteht bzw nicht geltend gemacht werden soll. Damit ist aber den tragenden Gedanken der Regelung des § 41 Abs 1 ZPO nichts von ihrer Anwendbarkeit genommen, die insbesondere darauf hinauslaufen, daß ein Ersatzanspruch nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten besteht. Dementsprechend kann die Partei bei der gegebenen Möglichkeit, kostensparendere Handlungen vorzunehmen die zu dem gleichen sachlichen oder formellen Ergebnis führen, nur jene Kosten beanspruchen, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten (vgl. Fasching II 320). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes war dem Kläger, der nach seinen eigenen Angaben zeitweise beruflich mit der Fruchtsaftherstellung in Verbindung stand (AS 16), unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des vorliegenden Falles durchaus das Wissen darüber zuzumuten, daß die zunächst vorgesehene privatrechtliche Aktion gegen den Beklagten auch durch eine gebührenfreie Anzeigeerstattung beim Marktamt (Lebensmittelpolizei) zielführend vorbereitet werden konnte. Das erhebliche Mißverhältnis zwischen dem Aufwand für die begehrte unmittelbare Untersuchung des Apfelsaftes durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien und dem denkbaren gesamten Vermögensschaden durch den Ankauf dieses Apfelsaftes muß umsomehr ins Gewicht fallen, als es zu einer Verfolgung eines Hauptanspruches gar nicht gekommen ist. Der Kläger hat nicht nur keine Schritte unternommen, vom Beklagten im Rahmen der ihm zukommenden Gewährleistungsansprüche entweder einwandfreien Apfelsaft zu bekommen oder den Kaufpreisrückersatz zu erhalten. Diesbezüglich ist nicht einmal behautet worden, daß die beklagte Partei einer Reklamation nicht nachgekommen wäre. Der Kläger hat darüber hinaus aber auch auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Erwerb des verfälschten Apfelsaftes ausdrücklich verrichtet. Dies wegen der Geringfügigkeit des Anspruches, der ihm die Einwendung einer schikanösen Rechtsausübung befürchten ließ (AS 32).
Wenn auch dem Berufungsgericht grundsätzlich darin beizupflichten ist, daß auch der Käufer eines geringwertigen Gutes dem Erzeuger nicht wehrlos ausgeliefert sein soll, wenn eine ihm nicht selbst durchführbare Qualitätsüberprüfung höhere Kosten verursacht, so entspricht doch die dargelegte Vorgangsweise des Klägers nicht den notwendigen Schritten einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung.
Der Revision war daher Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO
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