OGH 5Ob549/91

OGH5Ob549/9126.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ludmila B*****, Näherin, ***** wider den Antragsgegner Franz B*****, Kesselwärter, ***** vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Dr. Erwin Dillinger, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 25. Juni 1991, GZ R 279/91-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 28. Juni 1990, GZ 1 F 18/89-19, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die bezüglich eines Zuspruches von S 120.000 an Ausgleichszahlung als unangefochten unberührt bleiben, werden bezüglich weiterer S 80.000 und im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit seit 19. 9. 1989 (mit Ausnahme des Verschuldensausspruches) rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 30. 3. 1989 geschieden.

Die Antragstellerin brachte vor, die Streitteile hätten unter Aufnahme von Krediten nach der Eheschließung eine Eigentumswohnung gekauft und eingerichtet. Auch wenn die Wohnung auf den Mann laute, habe sie durch sparsame Haushaltsführung und teilweise auch durch Erwerbstätigkeit zur Zurückzahlung und damit zum Erwerb beigetragen. Ihr stehe daher die Hälfte des Wertes der Eigentumswohnung und die Hälfte des Wertes der Möbel zu. Da das Mobiliar auf die Wohnung abgestimmt sei, begehre sie eine angemessene Ausgleichszahlung von S 200.000 (ON 1).

Der Antragsgegner beteiligte sich - abgesehen von der Stellung von Ablehnungsanträgen - nur mit dem Vorbringen am Verfahren, es müsse zuerst die Verschuldensfrage im Scheidungsverfahren geklärt werden, ein Sachverständigengutachten sei überflüssig, weil die Antragstellerin ohnedies schon alles ihr Zustehende habe und überdies mit einem illegal angelegten Sparbuch durchgebrannt sei. Der erst nach der Entscheidung erster Instanz für den Antragsgegner bestellte einstweilige Sachwalter genehmigte durch Rekurserhebung ohne Rüge des Vertretungsmangels in erster Instanz das Verfahren (§ 477 Abs 1 Z 5 und Abs 2 ZPO).

Das Erstgericht gab dem Antrag der Antragstellerin statt.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Verkehrswert der Eigentumswohnung beträgt S 844.000, der Wert der Möbel S 44.880. Da die auf dem gesamten Haus lastenden Schulden S 4,057.825 betragen, macht der auf den Anteil des Antragsgegners entfallende Teil der Schuld S 47.400 aus. Während der Ehegemeinschaft führte die Antragstellerin nicht nur den Haushalt, sondern trug teilweise auch durch unselbständige Erwerbstätigkeit zum Familienbudget bei. Im Zeitpunkt der Eheschließung besaßen die Streitteile keinerlei Ersparnisse. Sie erhielten während der Ehe von keiner Seite bevorrechtete Zuwendungen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus:

Da die Antragstellerin nur eine Ausgleichszahlung verlange, brauche der Ausgang des bezüglich des Verschuldensausspruches noch nicht beendeten Scheidungsverfahrens nicht abgewartet werden. Da der Gesamtwert der Wohnung und der Fahrnisse abzüglich des Anteiles der bücherlichen Schulden rund S 845.000 betrage, die begehrte Ausgleichszahlung daher weit weniger als die Hälfte des während der Ehe erworbenen Familienvermögens, bedürfe es auch keiner genauen Prüfung, mit welchem Betrag die grundbücherlich ausgewiesenen Schulden tatsächlich noch aushafteten.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß bezüglich des Zuspruches einer Ausgleichszahlung von S 120.000 und änderte ihn bezüglich des Mehrbegehrens von S 80.000 im abweisenden Sinne ab. Es verurteilte die Antragstellerin zum Ersatz eines Teiles der Kosten des Rekursverfahrens und sprach die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus.

Da dem Erstgericht bei der Beschlußfassung ein Rechenfehler über die Summe der laut Grundbuch aushaftenden Schulden unterlief (Gesamtschuld S 61,825.030), trug das Rekursgericht dem Antragsgegner die Bekanntgabe der per 30. 3. 1989 aushaftenden, auf seine Eigentumswohnung entfallenden Darlehensbeträge auf. Da nach den vorgelegten Urkunden von dem Wohnbauförderungsdarlehen noch S 444.442,77 und von dem Bauspardarlehen noch S 203.216,93, somit zusammen S 647.659,70 aushafteten, verbliebe als Aufteilungsmasse der Differenzbetrag zum Wert von Wohnung und Hausrat (S 888.880) in der Höhe von S 241.220,30. Unter Zugrundelegung eines unbedenklichen Aufteilungsverhältnisses von 1 : 1 ergäbe dies einen Anspruch der Antragstellerin auf Ausgleichszahlung in der Höhe von S 120.000.

Entsprechend dem Rechtsmittelerfolg des Antragsgegners habe die Antragstellerin diesem einen Rekurskostenanteil von S 3.000,- zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs.1 AußStrG nicht zulässig.

Gegen den antragsabweisenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt werde; hilfsweise wurde insoweit ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner begehrt, dem Revisionsrekurs kostenpflichtig nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Eventualantrages berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist schon deswegen zulässig, weil das Rekursgericht bei dem von ihm eingehaltenen Verfahren zur Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage - wie später ausgeführt werden wird - wesentliche Verfahrensgrundsätze außer Acht ließ.

Rechtliche Beurteilung

2. Zur Sachentscheidung:

Zutreffend ergänzte das Rekursgericht das Beweisverfahren über die Höhe der noch aushaftenden Darlehen, die zum Ankauf der Eigentumswohnung vom Antragsgegner aufgenommen worden waren. Diese entscheidungswesentlichen Beweisergebnisse - beruhend auf vom Antragsgegner vorgelegten Urkunden - hätten jedoch nicht ohne vorausgehende, der Antragstellerin eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme der Entscheidung zugrundegelegt werden dürfen (EFSlg. 39.802/3 = EvBl. 1982/120; 4 Ob 510/88). Nur dadurch wird die Antragstellerin in die Lage versetzt, ein für die Berücksichtigung der noch aushaftenden Darlehensbeträge relevantes Vorbringen - wie sie es jetzt im Revisionsrekurs tat (Verbrauch des Bauspardarlehens durch den Antragsgegner) - zu erstatten. Dazu kommt noch, daß die in den vorgelegten Urkunden genannten zwei Darlehensreste sich nicht ohne weiteres den laut Grundbuchsstand aufgenommenen drei Darlehen zuordnen lassen. Auch diesbezüglich ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Schließlich wird auch darauf Bedacht zu nehmen sein, daß für die Bemessung der Ausgleichszahlung die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgebend sind (vgl. EFSlg. 41.355), insbesondere dann, wenn zwischen dem (noch festzustellenden) Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft und jenem des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Aufteilungsverfahren Wertveränderungen eingetreten sind. In diesem Fall ist für die Aufteilung maßgeblich, ob die Wertänderung durch Umstände eingetreten ist, die nur einem der früheren Ehegatten zurechenbar sind (hier zB weitere Darlehensrückzahlung), oder ob es sich um eine Wertveränderung handelt, für die eine solche Zurechenbarkeit zu einem der beiden früheren Ehegatten nicht gegeben ist (EFSlg. 57.433).

Entgegen der Meinung der Antragstellerin belastet auch das mit besonders günstiger Verzinsung aufgenommene Wohnbauförderungsdarlehen den Liegenschaftsanteil in voller Höhe; es müßte bei Pfandfreistellung in voller Höhe ausbezahlt werden, ohne daß eine Möglichkeit der Abzinsung bestünde (SZ 61/68). Ebensowenig aber, wie daher der Barwert dieses Darlehens (= im maßgebenden Zeitpunkt aushaftender Kapitalbetrag) bei Berechnung des einen Teil der Aufteilungsmasse bildenden Wertes der Eigentumswohnung schematisch nach irgendwelchen Abzinsungsregeln - zB den nach den Behauptungen der Antragstellerin von den Finanzbehörden bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer

angewandten - gekürzt werden darf, entspricht es dem nach § 83 Abs 1 Satz 1 EheG für die Aufteilung primär maßgebenden Billigkeitsgrundsatz, der Antragstellerin bloß die Hälfte der (gleichfalls nur schematisch) aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert des unbelasteten Liegenschaftsanteiles und den Barwerten der bücherlich sichergestellten Darlehen errechneten Aufteilungsmasse zuzuweisen. Die Tatsachen, daß die Eigentumswohnung dem Antragsgegner verbleibt, und zwar verbunden mit der Möglichkeit, das Wohnbauförderungsdarlehen mit langer Laufzeit bei besonders niedriger Verzinsung zurückzuzahlen, kommt einer Beibehaltung der bisherigen Wohnmöglichkeit des Antragsgegners zu den bisherigen besonders günstigen Bedingungen gleich, wogegen der Antragstellerin durch die Ausgleichszahlung die Beschaffung einer Wohnmöglichkeit ermöglicht werden soll. Bei Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung muß daher auch der dem Antragsgegner zukommende, oben dargestellte Vorteil ausgeglichen werden, zB dadurch, daß für die Eigentumswohnung in die Aufteilungsmasse jener Wert aufgenommen wird, der auf dem Wohnungsmarkt bei Veräußerung unter Übernahme des Wohnbauförderungsdarlehens durch den Erwerber erzielt werden könnte. Der die Ehewohnung behaltende Antragsgegner befindet sich nämlich bezüglich dieser Wohnung ihre Kosten betreffend in der rechtlichen und tatsächlichen Situation eines solchen Erwerbers. Jedenfalls bedarf auch dieser Themenkreis der Erörterung mit den Parteien.

Da die Entscheidungsgrundlagen in erster Instanz unvollständig blieben und daher eine Ergänzung des Beweisverfahrens zur Vervollständigung der Tatsachengrundlage durch das Rekursgericht unabweislich war, stellt sich - infolge Ausschlusses der Antragstellerin von dem vom Rekursgericht durchgeführten ergänzenden Beweisverfahren - die Frage gar nicht, inwieweit sie in ihrem Vorbringen im Revisionsrekurs die Grenzen nach § 10 AußStrG zulässiger Neuerungen überschritt. Sie brachte nämlich im Revisionsrekurs nur das vor, was sie bei Beiziehung zum rekursgerichtlichen Beweisverfahren dort zulässigerweise an Tatsachenbehauptungen hätte aufstellen können.

Der notwendige Umfang der Verfahrensergänzung läßt eine Durchführung des ergänzenden Verfahrens in erster Instanz angezeigt erscheinen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG.

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